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sie mich im Kreis, die von selbst Ge­kom­me­nen, aber da­mit erst be­ginnt, und nicht sel­ten un­ter großen We­hen, die ei­gent­li­che Ar­beit: nun sol­len sie zu in­ein­an­der­grei­fen­der Ord­nung ge­fügt und ge­glie­dert, aus dem üp­pig­ge­sproß­ten Ne­ben­ein­an­der ein lo­gi­sches Nachein­an­der ge­macht wer­den. Und hier füh­le ich deut­lich, wie sich das el­ter­li­che Blut in mir ge­mischt hat. An Stel­le des Chao­ti­schen, das ich als Erb­teil mei­ner höchst ge­nia­len, aber al­lem Plan­mä­ßi­gen ab­hol­den, im Ur­stoff we­sen­den Mut­ter in mir ken­ne, tritt nun das Blut des Va­ters mit dem stren­gen Zwang zur Ge­setz­lich­keit und lässt mich nicht ru­hen, bis ich die­se gan­ze lose Ge­sell­schaft wie eine Kop­pel wild­wei­den­der Foh­len zu­sam­men­ge­spannt und zu rich­ti­ger Gan­gart fest in die Zü­gel ge­nom­men habe. Die­ser Zwang von der an­de­ren Sei­te her, ohne den ein be­wusst­ge­woll­tes, rhyth­misch-ab­ge­wo­ge­nes Kunst­ge­bil­de un­mög­lich wäre, dul­det kein ro­man­ti­sches Durchein­an­der, kein un­or­ga­ni­sches Ge­fü­ge, und er wal­tet um so stren­ger, je grö­ßer die An­ar­chie, durch die er sich durch­zu­rin­gen hat. Dass eine sol­che Ar­beits­wei­se nicht er­leich­ternd ist, liegt auf der Hand, aber sie hat den Vor­teil, dass sie je­des künst­li­che, er­zwun­ge­ne Füll­sel aus­schließt, weil sie im­mer mehr Stoff zur Ver­wen­dung hat als sie auf­brau­chen kann, und dar­um nur Ent­stan­de­nes, nichts Ge­mach­tes ver­wen­det. Wie der Ma­ler, der sich nie ge­nug tut, un­ter sein Werk ein pin­ge­bat, kein pin­xit schreibt, so gibt es auch für mei­ne Ar­beit kein Fer­tig­wer­den, weil sie mit mir geht, sich dreht, von al­len Sei­ten zu­gleich wächst, wie das wal­len­de Le­ben, aus dem sie ge­holt ist.

      Ganz ver­wi­ckelt wird der Her­gang, wenn durch die hef­ti­ge Auf­wüh­lung tiefe­re, un­ter­halb des zu be­ar­bei­ten­den Stof­fes lie­gen­de Schich­ten der Ein­bil­dungs­kraft in Be­we­gung ge­setzt wer­den und ihre Ge­bil­de zwi­schen die obe­ren drän­gen. Sie kön­nen so ge­walt­tä­tig wer­den, dass sie das Strö­men der ers­ten hin­dern, in­dem sie sich vor die­se schie­ben. Es bleibt nichts üb­rig, als schnell auf an­de­re Zet­tel ihr Un­ge­stüm ab­la­den und zu­se­hen, wie man sich wie­der auf den ers­ten Weg zu­rück­fin­det. Auf die­se Wei­se kann aber auch das Cha­os Herr wer­den und alle Ge­stal­tung ver­schlin­gen, wo­durch mir un­zäh­li­ge Ent­wür­fe in der Hand zer­bro­chen sind: die an­drän­gen­den Ri­va­len hat­ten sie nicht ge­dul­det. Durch die­se Vor­gän­ge ist die Über­zeu­gung von der Prä­exis­tenz der Kunst­wer­ke in mir ge­weckt wor­den, die ich in jün­ge­ren Jah­ren ver­schie­dent­lich aus­ge­spro­chen habe: dass sie in ir­gend­ei­nem un­denk­ba­ren Raum fer­tig wei­len und dass, wer sie ans Licht bringt, nur ihr Fin­der, nicht ihr Schöp­fer ist, wenn sie auch wäh­rend der He­bung die Züge von ihm an­neh­men.

      Mit ähn­li­chen Schwie­rig­kei­ten hat so­gar die Dar­stel­lung des ei­ge­nen Le­bens bei mir zu kämp­fen: in­dem Er­leb­tes, Ge­dach­tes, Ge­woll­tes, Er­reich­tes und Un­er­reich­tes mich in be­weg­tem, mit mir wan­deln­dem Krei­se um­ste­hen, kommt bei der lei­ses­ten Berüh­rung al­les ins Wal­len, so­dass sich kei­ne ma­ge­re Gera­de er­ge­ben kann. – Ein Ta­ge­buch habe ich nie ge­führt: Ta­ge­bü­cher, die­se Tum­mel­plät­ze des Selbst­kults, er­schie­nen mir stets, so­weit sie sich nicht auf das Ver­zeich­nen von Ge­scheh­nis­sen be­schrän­ken, durch die Be­lich­tung von Keim­vor­gän­gen, die kein Licht wol­len, und durch vor­zei­ti­ges Kris­tal­li­sie­ren des Wer­den­den als schäd­lich, wenn nicht gar als scham­los. Die Hand sträub­te sich so­gar, Na­men nie­der­zu­schrei­ben, die im Be­grif­fe stan­den im Le­ben eine noch nicht aus­ge­spro­che­ne Be­deu­tung zu ge­win­nen. Al­les Na­men­nen­nen ist Ma­gie: die Re­cken des Nord­lands hiel­ten es so­gar für tod­brin­gend, wäh­rend des Kamp­fes mit Na­men ge­ru­fen zu wer­den. Durch Be­re­den wird je­des stil­le in­ne­re We­ben ge­stört; ihm darf sich nur in ge­weih­ten Stun­den das Wort der Dich­tung nä­hern, die es gleich nach ih­ren ei­ge­nen Ge­set­zen lei­se um­ge­stal­tet. Also muss bei den Auf­zeich­nun­gen über mein Le­ben die in­ne­re Fol­ge und Wahr­heit an Stel­le der ge­naue­ren Chro­no­lo­gie ste­hen; ich wer­de er­zäh­len, wie der wal­len­de Kreis es mit sich bringt, bald vor-, bald zu­rück­grei­fend, ohne die Erin­ne­rung in eine künst­li­che Li­nie zu zwän­gen.

      So güns­tig nach der Mei­nung der Astro­lo­gen die himm­li­schen Gestir­ne auf mei­ne Ge­burt schie­nen, so un­güns­tig, ja un­freund­lich war die äu­ße­re, die bür­ger­li­che Kon­stel­la­ti­on, die mich emp­fing, und der Wi­der­streit der bei­den Ein­flüs­se be­glei­te­te mich durchs Le­ben. Der güns­ti­ge trat in al­lem Na­tur­ge­ge­be­nen zu­ta­ge: zu­nächst in der Ab­stam­mung, in dem Hin­ein­ge­bo­ren­sein in ein durch die höchs­ten Be­lan­ge ver­edel­tes, ganz von den großen Zie­len der Mensch­heit er­füll­tes El­tern­haus, wes­halb ich mir ein hö­he­res Le­ben nicht zu er­kämp­fen brauch­te, son­dern es durch die Ge­burt be­saß. Fer­ner in der glück­li­chen Sau­ge­kraft, die mich fast ohne Lei­tung das mir Zu­kom­men­de, mir Ver­wand­te schnell er­fas­sen, das Nicht­ver­wand­te, Nicht­ge­mä­ße ab­leh­nen ließ, wo­durch sich frü­he in mir ein un­zer­stör­ba­res Welt­bild ge­stal­ten konn­te. Hin­zu­zäh­len darf ich noch einen wahr­haft brü­der­li­chen Fra­ter Cor­pus, der mich in nichts be­läs­tig­te oder hemm­te, und eine In­nen­welt, in der kein brü­ten­des Ich als »dun­ke­ler De­spot« sich sel­ber Un­heil spin­nend und weh­be­rei­tend saß – ein Vor­teil, der mir erst im Lauf des Le­bens an den vie­len ge­gen­tei­li­gen Bei­spie­len die ich sah be­wusst ge­wor­den ist. Aber mehr als für al­les an­de­re dan­ke ich der Gott­heit für das schöns­te ih­rer Ge­schen­ke die Fä­hig­keit zur Freu­de die mir auch in tief­dunklen Ta­gen nie­mals ganz ab­han­den kam und die mich aus den trübs­ten Er­fah­run­gen stets aufs neue mei­ne Fah­ne ret­ten ließ mit dem Wahl­spruch: Mensch, sei im­mer­zu dein ei­ge­ner la­chen­der Erbe – und wenn es un­ter Trä­nen wäre.

      Der Ein­fluss der bö­sen Gestir­ne äu­ßer­te sich vor al­lem in dem her­ben Dich­ter­los mei­nes Va­ters, das auch das Schick­sal sei­ner Kin­der und vor­wie­gend das der Toch­ter über­schat­te­te. Ich habe ihn in mei­ner Her­mann-Kurz-Bio­gra­fie ge­schil­dert, wie er in un­se­rer Mit­te stand in sei­ner ge­bie­ten­den und doch so mil­den Grö­ße wie ein Kö­nig ohne Land; wir Kin­der fühl­ten die Be­deu­tung sei­ner Wer­ke, be­vor wir sie sel­ber le­sen konn­ten, aus der Be­geis­te­rung un­se­rer Mut­ter und der we­ni­gen ihm ge­blie­be­nen Freun­de, und fan­den doch sei­nen Na­men nicht vom Ruhm um­strahlt, sein Ver­dienst weit un­ter dem Wer­te ein­ge­schätzt, von viel Ge­rin­ge­ren ver­dun­kelt, den Er­trag sei­ner Ar­beit in um­ge­kehr­tem Ver­hält­nis zu ih­rer in­ne­ren Grö­ße. Die Mut­ter hat­te uns ge­lehrt, dass es eine Ehre für uns war, we­ni­ger zu ha­ben als die Kin­der der be­freun­de­ten Häu­ser, die kei­nen deut­schen Dich­ter zum Va­ter hat­ten, aber die­ses Los war nichts­de­sto­we­ni­ger eine der frü­hen Be­las­tun­gen, mit de­nen ich ins Le­ben trat. Noch in die Frem­de folg­te mir die Pein, dass ich de­nen, die mich nach mei­nem Va­ter frag­ten, nicht sa­gen konn­te, wer die­ser Dich­ter ge­we­sen, des­sen Na­men nie­mand nann­te: der Toch­ter al­lein hät­te man ja nicht ge­glaubt. Aber lie­ber woll­te ich ihn ganz im Dun­kel wis­sen als nur halb ge­wür­digt und bei den Geis­tern zwei­ten Ran­ges un­ter sei­nen Zeit­ge­nos­sen ein­ge­reiht. Mei­ne Brü­der ha­ben ge­wiss die Sach­la­ge nicht min­der herb emp­fun­den als ich, al­lein sie konn­ten nichts dazu, dar­um schwie­gen sie: ih­nen lag nur ob, auf ih­ren ei­ge­nen vor­ge­zeich­ne­ten We­gen ih­rer Her­kunft Ehre zu ma­chen, und das

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