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nicht das We­sent­li­che. Du kannst kei­ne Ge­stalt er­den­ken, die nicht Gott zu­vor ge­dacht hat, er­wi­der­te die Stim­me.

      Wer bist du, hol­der Mor­gen­traum, der zu mir spricht?

      Zer­rei­ße den Schlei­er vollends ganz und öff­ne die Au­gen, so wirst du mich er­bli­cken.

      Er rich­te­te sich auf und schüt­tel­te den Rest des Schla­fes von sich. Es war nicht das ers­te­mal, dass Stim­men beim Er­wa­chen zu ihm spra­chen, die aus sei­nem ei­ge­nen In­ne­ren tön­ten.

      Ich bin hier, du hast mich zu­vor schon ge­se­hen, aber nicht in dein Be­wusst­sein auf­ge­nom­men, schi­en es noch zu sa­gen.

      Er sah sich um, im Zim­mer war es hel­le, die ers­ten Strah­len der noch nicht sicht­ba­ren Son­ne sta­chen wie gol­de­ne Spie­ße hin­ter den Hö­hen her­vor. Die Tep­pi­che an den Wän­den emp­fin­gen durch sie kein Le­ben mehr. Sie wa­ren in der Tat recht schä­big und ver­staubt und recht­fer­tig­ten die Kla­ge des al­ten Gärt­ners über ihre Ver­kom­men­heit. Die un­glei­chen Grö­ßen­ma­ße ver­rie­ten, dass die Samm­lung ein­mal von den frü­he­ren Be­sit­zern zu ir­gend­ei­ner fest­li­chen Ge­le­gen­heit vor­über­ge­hend hier auf­ge­hängt wor­den war; dann hat­te man ver­säumt, sie wie­der zu­sam­men­zu­rol­len und mit­zu­neh­men, und hat­te da­mit einen wert­vol­len Be­sitz zu­grun­de ge­hen las­sen.

      Die an der Nord­wand, die be­son­ders ver­blasst wa­ren, hat­ten in ih­rer Un­be­hilf­lich­keit et­was Rüh­ren­des, wenn sie auch die nächt­li­che Fan­tas­ma­go­rie nicht mehr her­auf­zu­be­schwö­ren ver­moch­ten, mit Aus­nah­me des Fran­ces­ca­zy­klus, der eine meis­ter­li­che Hand ver­riet. Da­ge­gen lie­ßen ihn die bes­ser er­hal­te­nen an der Süd­wand völ­lig kalt, er be­griff die Er­re­gung nicht mehr, in die sie ihn ver­setzt hat­ten. Ihre Fi­gu­ren er­schie­nen ihm jetzt auf­dring­lich und ver­zeich­net, die Far­ben hart, ihre gan­ze Dä­mo­nie hat­te im Son­nen­auf­gang die Kraft ver­lo­ren. Sei­ne Ione, wo war sie? Nicht mehr her­aus­zu­fin­den. In dem ver­lo­re­nen Pro­fil ei­nes jun­gen Ehren­fräu­leins mein­te er eine schwa­che Spur von ihr zu er­ken­nen. Aber wie fer­ne von der er­leb­ten Ge­stalt. Nein, Ione war aus ihm selbst ge­bo­ren, sie hat­te nur in sei­nem Her­zen ge­lebt.

      Ganz an die Ecke der Fens­ter­wand her­an­ge­rückt und teil­wei­se durch einen dar­un­ter auf­ge­stell­ten nie­de­ren Zier­schrank ver­deckt, kam jetzt noch ein Tep­pich­bild zum Vor­schein: ein jun­ges Weib mit nack­ten Schul­tern und Ar­men von der sinn­li­chen Schön­heit ve­ne­zia­ni­scher Re­naissance­frau­en, einen Kranz von Lor­beer im dunklen Haar. Sie neigt sich über einen be­kränz­ten Al­tar, wor­auf in ei­ner Scha­le ein mensch­li­ches Herz, das ihre, brennt, und gießt aus ei­nem Fläsch­chen Öl zu. Auf dem Al­tar stan­den die la­tei­ni­schen Wor­te: Et quid volo nisi ut ar­de­at. Links da­von an ei­nem blitz­ge­spal­te­nen Lor­beer­baum lehn­te eine Lau­te mit gold­far­be­nem Band. Im Hin­ter­grund wur­den die gold­schim­mern­den Kup­peln von San Mar­co sicht­bar mit ei­nem Strei­fen Was­sers da­hin­ter und in noch fer­ne­rer Fer­ne zur Rech­ten auf ei­ner sanft ge­schwun­ge­nen An­hö­he thron­ten die Zin­nen ei­nes Feu­dal-Schlos­ses.

      Pe­re­gri­nus staun­te., er fuhr sich über die Au­gen: Bist du es, Gas­pa­ra Stam­pa, hol­de Nach­ti­gall, die sich zu Tode sang? Un­glück­lichs­te al­ler Dich­te­rin­nen und Lie­ben­den! Kann es sein, dass ich, frisch von der La­gu­nen­stadt kom­mend, wo ich dei­ner ge­dach­te und um­sonst nach ei­ner Spur dei­nes kur­z­en, me­te­or­glei­chen Da­seins frag­te, dir hier oben in der welt­ab­ge­le­ge­nen Ein­sam­keit be­geg­ne. – Bist du es wirk­lich, Schlecht­be­lohn­te, die ih­rem un­dank­ba­ren Ge­lieb­ten für alle Krän­kung, die ihr wi­der­fuhr, die Un­ver­gäng­lich­keit gab? Denn was wüss­te die Nach­welt von ei­nem Gra­fen Col­lal­ti­no von Col­lal­to, der ein­mal un­ter der vor­neh­men Ju­gend Ve­ne­digs als Löwe ge­glänzt hat, ohne den frisch ge­blie­be­nen Kranz dei­ner So­net­te, wo­mit du das Haupt des Lie­be­lo­sen schmück­test! Wahr­lich, kö­nig­li­cher als ein Pha­rao in sei­ner Py­ra­mi­de liegt die­ser her­zens­ar­me Graf im Buch dei­ner Lie­der ein­ge­bet­tet und her­über­ge­ret­tet in einen Nachruhm, an den er ohne dich kei­nen An­spruch hät­te.

      Ja, du bist es, Gas­pa­ra. Die Wahr­zei­chen Ve­ne­digs im Hin­ter­grund nen­nen den Ort dei­nes Glücks und dei­ner Qual – und hier das Ziel dei­ner we­hen Sehn­sucht, das Stamm­schloss dei­nes all­zu­hoch­ge­bo­re­nen Ge­lieb­ten, in dem du nie­mals hof­fen durf­test als Her­rin zu woh­nen. Denn nie­mals wird ei­ner großen Lie­ben­den zu­teil, was nur den küh­len Her­zen vor­be­hal­ten ist: durch die Lie­be zu welt­li­cher Grö­ße auf­zu­stei­gen. Und sie­he, da­mit kein Zwei­fel blei­be, steht hier nicht der Name Anas­sil­la, ein­ge­wirkt in das Gold­band dei­ner Lei­er, dein Schä­fer­na­me, den du nach dem la­tei­ni­schen Na­men des Flus­ses wähl­test, der das Schloss der Col­lal­to um­spült, da­mit der Name dir Zei­chen sei dei­ner ge­woll­ten Hö­rig­keit.

      Ja, du bist es, wil­li­ges Op­fer der Lei­den­schaft. Du schenk­test mit dei­ner Dich­tung ei­nem über­rei­chen, aber in öder Ich­sucht frie­ren­den Jahr­hun­dert die Schmer­zen der Lie­be als ih­ren schö­ne­ren Teil zu­rück. Mit­ten durch den grel­len Cho­rus der ich­be­fan­ge­nen, icht­run­ke­nen Mit­welt stieg aus dei­ner Keh­le wie Nach­ti­gal­len­schluch­zen das ewi­ge Du des lie­ben­den Wei­bes.

      Anas­sil­la, wie kam es, dass du mir im­mer im Sin­ne lagst, wenn ich die Tau­ben von San Mar­co füt­ter­te? Wenn so ein schlan­kes sanft­gur­ren­des Tier­chen von sei­nem ge­walt­tä­ti­gen Ty­ran­nen, ei­nem mäch­tig großen bös­ar­ti­gen Täu­be­rich, be­glei­tet oder ver­folgt war, der ihm den Gang vor­schrieb, es von den fet­ten Kör­nern wegdräng­te und es ei­fer­süch­tig in der Run­de trieb, da dach­te ich, ob wohl die See­le der lie­ben­den und al­les dul­den­den Gas­pa­ri­na in ei­nem die­ser füg­sa­men Ge­schöp­fe ver­kör­pert sei und noch im­mer den Lau­nen ih­res un­gü­ti­gen Ge­bie­ters die­ne.

      Du dach­test rich­tig, frem­der Wan­de­rer, dass ich ihm wei­ter die­ne, wenn auch nicht im Fe­der­kleid ei­nes Täub­chens, ant­wor­te­te es aus dem Bil­de. Mein Herr, der Col­lal­ti­no –.

      Du nennst ihn noch im­mer dei­nen Herrn?

      Mei­ne Dich­tung, die mei­ne Lie­be war, hat ihn mir zum Herrn ge­setzt für alle Ewig­keit. Denn was wäre die Ewig­keit ohne die Lie­be.

      Gas­pa­ra, darf ein spä­ter Be­wun­de­rer dei­ner Dicht­kunst dich fra­gen, wie die­se Lie­be be­gann, de­ren All­ge­walt und All­duld­sam­keit über je­des für uns Heu­ti­ge fass­ba­re Maß hin­aus­geht?

      Mei­ne Lie­be, du frem­der Mann, hat nie­mals be­gon­nen. Sie war, be­vor ich wur­de, denn als ich die Stel­le be­trat, wo ich dem Col­lal­ti­no be­geg­nen muss­te, da flamm­te sie auf wie ein zu­vor ge­leg­ter Brand. Vi­el­leicht wirst du zu die­sem Wor­te den Kopf schüt­teln. Aber fra­ge die Größ­ten, die von Lie­be san­gen, sie wer­den dir viel­leicht eine Jah­res­zahl, einen Tag, eine Stun­de nen­nen, aber von dem Ur­sprung ih­rer Lie­be ha­ben sie da­mit nichts ge­sagt. Denn die Lie­be ist frü­her als ihr ir­di­scher Ge­gen­stand, den sie schon von drü­ben her kennt. Sie war­tet dar­auf, dass er in ih­ren Licht­kreis tre­te, um ihn zu fas­sen und für im­mer zu hal­ten. So habe ich den Gra­fen ge­liebt, be­vor ich ihn kann­te. Als ich ihn zum ers­ten Mal nen­nen hör­te, beb­te mein Herz beim Klang sei­nes Na­mens, als ob er mir et­was ganz Be­son­de­res zu sa­gen hät­te. Und es beb­te, als ich die Aus­zeich­nung,

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