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die Brücke auf­ge­zo­gen, so läge er jetzt im un­ters­ten Ver­lies, und der Hei­li­ge Va­ter möch­te zu­se­hen, wie er sei­nen Ab­gott frei­bringt.

      Aber sie hat gut re­den. In der Frü­he beim ers­ten Mess­gang hat Ione einen Pfeil mit auf­ge­spieß­tem Zet­tel zu ih­ren Fü­ßen ge­fun­den, wor­auf die Wor­te: »Ione hat einen Be­schüt­zer im La­ger, einen mäch­ti­gen. Sie soll sich beim Sturm­an­griff ganz oben im Turm ver­ber­gen; so­bald sie un­ter den Ein­drin­gen­den den wei­ßen Fe­der­busch er­kennt, über­ge­be sie sich un­be­denk­lich sei­nen Leu­ten. Sie wird ge­ret­tet sein.«

      Halb irr­sin­nig vor Angst hat Ione die­se Zei­len ge­le­sen. Sich ihm über­ge­ben? Was will er von ihr, der Ent­setz­li­che? Sei­ne Ge­dan­ken, auf sie ge­rich­tet, sen­gen aus der Fer­ne, als schmöl­ze das Fleisch von ih­ren Kno­chen. O Her­rin, schüt­ze mich vor ihm! Wenn es so weit kommt, lass mich in dei­ner Nähe blei­ben. Wo du bist, kann mir kein Leids ge­sche­hen.

      Was in Ca­te­ri­na vor­geht, ver­birgt sich hin­ter ei­ner eher­nen Stirn. Hart­nä­ckig hat sie bis jetzt ge­glaubt, sich hal­ten zu kön­nen, weil sie noch nie­mals un­ter­le­gen ist. Seit dem ver­fehl­ten An­schlag sieht sie ihr Kriegs­glück wan­ken. Für sich sel­ber fürch­tet sie nicht, sie kann noch im­mer einen Aus­fall ins Werk set­zen, sie kann hof­fen, sich durch­zu­schla­gen, denn sie führt die Waf­fen wie ein Mann. Aber wo­hin soll sie das Kind ret­ten? Wie soll sie Ione schüt­zen? Sie ist wahr­lich nicht fein­füh­lig im Punk­te des Ge­schlechts, die­se Frau, die ein­mal von eben die­ser Roc­ca her­ab, als die Auf­rüh­rer sie be­rann­ten, jene un­ver­ge­ss­lich zy­ni­sche Ant­wort gab, vor der die Mau­ern er­rö­tet sind. – Aber Ione in den Hän­den des Bor­gia! Das ist mehr als sie er­tra­gen kann, das brennt wie höl­li­sches Feu­er. Es dar­f nicht sein! Und es wird nicht sein.

      Sei ru­hig, ru­hig, mei­ne Tau­be, ich las­se dich nicht in den Hän­den des Aas­gei­ers, ich schwö­re dir’s. Und wenn ihm der Böse stür­men hilft, – ich weiß eine Zuf­lucht. In­des­sen geh du in die Turm­ka­pel­le und bete zu der hei­li­gen Bar­ba­ra, dass sie die Roc­ca schirmt, ihr ist es ein Leich­tes.

      Sie stockt, ihr Ge­sicht wird wäch­sern – – ein Schrei, ein gräss­li­cher, herz­zer­rei­ßen­der, ein Kin­der­schrei, viel­stim­mig – ein lang hin­ge­zo­ge­nes, nicht en­den­des Schrei­en. Wo­her kommt es? Es kommt von nir­gends­her, es schwillt nicht an und ab wie ein ir­di­scher Laut, es ist da wie seit Ur­an­fang, und nichts ist au­ßer ihm auf der Welt, so­lan­ge es dau­ert. Es durch­schrillt auch mit jä­hem Riss die eben frisch ein­set­zen­de Ka­no­na­de und ist doch au­ßer dem Be­reich der Wirk­lich­keit. Denn nur eine ver­nimmt es. So er­klang es an ei­nem Tag, an den sie von al­len Ta­gen ih­res Le­bens am we­nigs­ten zu­rück­den­ken mag. So hat es in den letz­ten Ta­gen schon zwei­mal wie­der ge­klun­gen. Nun weiß sie, dass das Ge­richt über ihr ist. Sie möch­te da­v­on­stür­zen, sich die Ohren zu­hal­ten, sich un­ter den Erd­bo­den ver­krie­chen, aber sie be­zwingt sich und streift nur mit ei­nem Sei­ten­blick ihre Da­men, die auf das Ge­schütz­feu­er hor­chen, wäh­rend Ione er­schro­cken über die ver­wan­del­te Mie­ne der Ge­bie­te­rin zur Ka­pel­le eilt, für sie und sich den Schutz der Himm­li­schen an­zu­ru­fen.

      Da tritt Ber­nar­di­no von Cre­mo­na, der Un­ter­be­fehls­ha­ber der Roc­ca, her­ein und be­gehrt die Her­rin al­lein zu spre­chen.

      Ma­da­ma, hal­tet Euch oben im Turm. Der Va­len­ti­no hat so­eben der Be­sat­zung durch einen Trom­pe­ter an­ge­sagt, dass er einen Preis auf Eu­ren Kopf setzt, den je­der ge­win­nen kann, der Euch aus­lie­fert. Gebt Eure Be­feh­le vom Fens­ter aus, der Mann­schaft ist nicht mehr zu trau­en.

      Die Grä­fin zuckt die Ach­seln. Das über­na­tür­li­che Grau­en ist ver­flo­gen, und mensch­li­che Dro­hung hat Ca­te­ri­na Sfor­za noch nie­mals ein­ge­schüch­tert.

      Wie hoch schätzt er mich ein?

      Zehn­tau­send Du­ka­ten le­bend, tot die Hälf­te.

      Ich lass ihm sa­gen, dass er ein Kni­cker sei. Ich set­ze auf den sei­nen das Dop­pel­te.

      Aber zum Tausch von Her­aus­for­de­run­gen ist kei­ne Zeit mehr. Die Fein­de ha­ben alle Ge­schüt­ze zu­mal auf eine ein­zi­ge Stel­le ge­rich­tet, die Au­ßen­mau­er wankt, und – Herr­gott, er­bar­me dich – da pras­selt die hal­be Cur­ti­ne her­un­ter! Die Trüm­mer fül­len den äu­ße­ren Was­ser­gra­ben auf und bil­den schwan­ken­de Brücken für die An­grei­fer. In brei­ten Wel­len über­flu­ten Schwei­zer und Fran­zo­sen die Bre­sche, von der sich die Ver­tei­di­ger, der Ca­sa­le vor­an, hin­ter die in­ne­ren Grä­ben zu­rück­zie­hen.

      Hal­tet! Steht, ihr Feig­lin­ge! schmet­tert die Stim­me der Grä­fin durch das of­fe­ne Fens­ter, aber ihre Wor­te ver­hal­len un­ge­hört in dem Ge­schrei und Ge­tüm­mel. Mit eins ver­stum­men ihre Ge­schüt­ze, die Ka­no­nie­re ha­ben sie im Stich ge­las­sen; nur ein klei­nes Häuf­lein Tap­fe­rer, dar­un­ter der Ma­rullo, wehrt noch mit blan­ker Waf­fe den Zu­gang zum Turm. Der Groß­teil der Be­sat­zung zer­streut sich kopf­los, von ei­ner Schan­ze zur an­de­ren ge­trie­ben, um ohne Ge­gen­stoß ge­wor­fen und ge­würgt zu wer­den.

      Ca­te­ri­na kann, was sie vor Au­gen sieht, nicht fas­sen. Galt nicht die Fes­te von For­li bei al­len Sach­ver­stän­di­gen für un­ein­nehm­bar? Sie wäre es, wenn die Ver­tei­di­ger die wil­de Tap­fer­keit, den ei­ser­nen Sie­ges­wil­len der Kom­man­dan­tin be­sä­ßen.

      Waf­fen­los wie sie ist, will sie in ih­rer Wut hin­un­ter­stür­zen, aber der Cre­mo­na hält sie be­schwö­rend auf. Da be­sinnt sie sich. Der Ge­dan­ke, der ihr vor­hin auf­ge­däm­mert, kommt schnell zur Rei­fe. Sie ruft den Cre­mo­na, der auf sei­nen Pos­ten will, zu­rück: Ein Wort für dich. Ent­geg­ne nichts. Wenn der Feind die letz­te Schan­ze nimmt und sich mit dem Pack von Feig­lin­gen zu ei­ner Mas­se ballt, so be­gib dich in den Pul­ver­turm und lege die Lun­te an. So­bald ich dir Ione schi­cke mit der Bot­schaft: Es ist Zeit, so ent­zün­de die Lun­te und mach dich von hin­nen.

      Und die Grie­chin? fragt der Kom­man­dant.

      Zwei star­re Au­gen ge­ben eine töd­li­che Ant­wort, die er nicht zu ver­ste­hen wagt.

      Und die Grie­chin? forscht er noch­mals.

      Sie öff­net zwei­mal den Mund, be­vor sie her­aus­bringt: Ione stirbt!

      Dann fasst sie die plötz­li­che Wild­heit, vor der ihre Un­ter­ge­be­nen zit­tern, und schreck­lich ist das lei­se Rau­nen ih­rer zu Zorn ge­wor­de­nen Verzweif­lung: Was starrst du, Mensch? Geht es dich an, was mit Ione ge­schieht? Ich habe sie ge­liebt wie nichts auf der Welt. Ich bin’s, die sie ver­liert. Was ich be­feh­len kann, wirst du voll­stre­cken kön­nen. Rein wie Gott sie mir an­ver­traut hat, soll er sie aus mei­ner Hand zu­rück­emp­fan­gen. Spu­te dich, Knecht. Geh auf dei­nen Pos­ten. Wenn die Fes­tung fällt, muss Ione ster­ben.

      Im Hof sind die Gas­co­gner und Schwei­zer am Werk, sie tö­ten, ver­nich­ten, was ih­nen in den Wurf kommt. Da, ein Don­nern, – das Ju­bel­ge­schrei der päpst­li­chen Söld­ner, die als Letz­te ein­zie­hen. Die Grä­fin starrt, sie traut ih­ren Au­gen nicht: auf der Zi­ta­del­le ist die wei­ße Fah­ne hoch­ge­gan­gen. Der Ca­sa­le hat sie ohne ihr Wis­sen auf­ge­zo­gen, der Ver­rä­ter, der hun­dert­mal ge­schwo­ren hat, mit der Roc­ca zu ste­hen und zu fal­len. Trotz dem Si­gnal der Über­ga­be geht das Ge­met­zel wei­ter. Die An­grei­fer, mit den Flie­hen­den ver­knäu­elt, wäl­zen sich

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