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zu der schö­nen Kö­ni­gin.

      Wa­rum nennst du ihn den furcht­sa­men Rit­ter?

      Ist das nicht furcht­sam, dass er hun­dert Rit­ter vom Pfer­de sticht, und so­bald er der Frau, die er liebt, an­sich­tig wird, sich zit­ternd und wei­nend vor ihr ver­birgt?

      Was kann der Mann, der hoff­nungs­los liebt, vor dem An­ge­sicht der Ge­lieb­ten an­de­res tun als zit­tern und wei­nen?

      Wie das, Pao­lo? Kann ein Tap­fe­rer so zag­haft sein?

      Ver­stehst du es nicht, Fran­ces­ca? Lan­ze­lot trotzt tau­send To­den um ih­ret­wil­len, aber vor der Frau, die er liebt, ist er schwä­cher als ein Kind.

      Ges­tern wuss­test du noch nichts von Lie­be, Pao­lo. Und heu­te bist du so er­fah­ren? Hat eine mei­ner Da­men dich in die Leh­re ge­nom­men?

      Er glaub­te, dass sie im Ernst spre­che, und schluchz­te auf, sich so ver­kannt zu se­hen, aber noch such­te er sein Ge­fühl zu heh­len.

      Her­rin, ich spre­che nicht von mir aus. Es ist Ga­leot­to, der Herr der »Fer­nen In­seln«, der so für sei­nen Freund Lan­ze­lot bei der Kö­ni­gin spricht.

      Was sagt ihr? Lass es uns zu­sam­men le­sen.

      Sie ließ ihn an ih­rer Sei­te nie­der­sit­zen, und bei­de neig­ten ihre Häup­ter über das Buch. Pao­lo las, sei­ne Stim­me zit­ter­te. Die Leicht­fer­tig­keit des hö­fi­schen Lie­bes­ro­mans wuchs ih­nen zu der düs­te­ren Grö­ße ih­res ei­ge­nen Schick­sals em­por, und was die un­rei­fe Kunst und die dürf­ti­ge Be­see­lung des al­ten Dich­ters un­voll­kom­men ließ, das er­gänz­ten sie über­reich aus ih­rem In­nern. Als sie an die Gar­ten­sze­ne ka­men, wo Ga­leot­to die Ver­lieb­ten in die Lau­be führt und sie al­lein lässt, und wo nun die Lip­pen der Kö­ni­gin den ver­durs­te­ten Lip­pen ih­res Rit­ters be­geg­nen, da ver­wirr­ten sich ihre Sin­ne und ihre Ge­dan­ken, sie wuss­ten nicht mehr, la­sen sie eine frem­de Ge­schich­te oder die ei­ge­ne. Und ehe sie sich’s ver­sa­hen, war es ge­sche­hen. Er war ne­ben ihr her­ab­ge­glit­ten und um­schlang mit ver­zwei­fel­ter In­brunst ihre Knie. Sein em­por­ge­wand­ter Mund zog den ih­ren an, dass sie sich in ei­nem wü­ten­den ver­zwei­fel­ten Kus­se fan­den.

      Sie um­strick­te sei­nen Hals und press­te sein Haupt ge­gen ih­ren Bu­sen. Da sprang Pao­lo in jä­hem Schre­cken auf:

      Das Sa­kra­ment! rief er. Zwi­schen uns steht ein Sa­kra­ment!

      Aber Fran­ces­ca hielt ihn um­fasst.

      Ja­wohl, ein Sa­kra­ment, sag­te sie, aber un­se­re Hän­de hat der Pries­ter im An­ge­sich­te Got­tes zu­sam­men­ge­legt. Hat er da­bei ein Gau­kel­spiel auf­ge­führt, so tref­fe ihn die Ver­gel­tung. Mich kann die Lüge nicht bin­den, ich habe dir ge­schwo­ren, ich bin dein und weiß mich frei von Schuld, wenn ich dir ge­hö­ren will.

      Pao­los Geist war nicht zu so küh­nem Flu­ge ge­schaf­fen, doch die Lei­den­schaft über­wand auch ihn, dass er die Ge­lieb­te in die Arme riss und ganz mit Küs­sen be­deck­te. Dann drück­te er ihre Arme her­ab und woll­te flie­hen.

      Fran­ces­ca um­schlang ihn aufs neue.

      O mein Ge­lieb­ter, geh nicht von mir, fleh­te sie. Ich bin ja ganz be­schmutzt und un­rein ge­wor­den. Ich bin mir selbst ein Grau­en seit je­ner Nacht. Nur die Lie­be kann mich rein bren­nen, dei­ne Lie­be. Flie­he nicht. Wir sind doch ver­lo­ren. Wie soll der Schreck­li­che je ver­zei­hen, dass ich dich in ihm um­armt habe? Ich bin in sei­ner Ge­walt, du bist es auch. Sein fins­te­rer Geist herrscht in die­sem Schloss, auch wenn er fer­ne ist. Stirbt dein Va­ter, so wi­der­strebt ihm nichts mehr, dann fal­len wir bei­de. Aber nimm zu­vor was dein ist und lass uns glück­lich sein, ehe wir ster­ben. O mein Pao­lo, du ein­zi­ger Stern in die­ser Höh­le der Fins­ter­nis.

      Kann der in Glu­ten Bren­nen­de dem An­ruf wi­der­ste­hen? Er kann es nicht, und wenn er noch könn­te, wür­de er nicht mehr wol­len. Die Flam­me saugt ihn an und zieht ihn in sich. Und die Dä­mo­nen des Hau­ses Mala­tes­ta se­hen zu und rei­ben sich die Hän­de. Von die­ser Stun­de sind die Häup­ter der bei­den ih­nen si­cher. Aber ver­schie­den stel­len sich das Weib und der Mann zu die­sem Schick­sal. Fran­ces­ca ist ganz und ei­nig mit sich selbst. Sie hat Pao­lo vor dem Al­tar ge­schwo­ren, ihr Schwur ist eins mit ih­rem Le­ben, sie ist ohne Sün­de. An­ders Pao­lo. Er hat ihr nicht ge­schwo­ren, er hat Fran­ces­ca vor dem Al­tar an den Bru­der ver­ra­ten und jetzt ver­rät er den Bru­der mit ihr. Ver­bre­chen hier, Ver­bre­chen dort. Und dar­über das Un­wi­der­steh­li­che, Berau­schen­de, das al­les Ver­gü­ten­de, die Lie­be. Er stürz­te sich in das Feu­er­meer mit­ten hin­ein, auf sein zeit­li­ches und ewi­ges Heil ver­zich­tend.

      In der Ver­zückung be­merk­ten sie nicht, dass der Tür­be­häng sich lei­se be­weg­te und auf den Bruch­teil ei­ner Se­kun­de et­was Dunkles, Glän­zen­des, wie das Auge ei­nes Luch­ses, ins Zim­mer sah.

      Wie es wei­ter­ging, weiß die Welt. Es war der üb­li­che Ablauf sol­cher Ver­wick­lun­gen.

      Zwei Tage spä­ter, als die bei­den wie­der mit dem Buch, das ih­nen jetzt zum be­que­men Vor­wand diente, bei­sam­men wa­ren, hob sich aufs neue der Vor­hang, Gian­ciot­to stand vor ih­nen, den blan­ken De­gen in der Faust, das Ge­sicht zur Un­kennt­lich­keit ver­zerrt vor Zorn und Schmerz.

      Schlan­ge! schrie er und woll­te zu­erst Pao­lo tref­fen. Aber Fran­ces­ca sprang blitz­schnell vor und emp­fing den Stahl in der ei­ge­nen Brust, zum Ent­set­zen ih­res Ge­lieb­ten. Auch gut, du Hei­li­ge! Du wä­rest doch dar­an ge­kom­men, rief der Wü­te­rich, in­dem er ihn wie­der her­aus­riss, um sich da­mit auf den Bru­der zu stür­zen. Die töd­lich Ge­trof­fe­ne, von Pao­los Ar­men auf­ge­fan­gen, ant­wor­te­te noch schwer at­mend:

      Ja, wahr­lich gut – dass du mich von dir be­freist und dem Rech­ten ver­mählst.

      Pao­lo hät­te nicht dar­an ge­dacht, sich zu weh­ren, auch wenn er nicht waf­fen­los ge­we­sen wäre. Er küss­te das An­ge­sicht der Ster­ben­den, wäh­rend Gian­ciot­tos De­gen zum zwei­ten Mal schwirr­te und ihn mit sol­cher Wucht durch­rann­te, dass der Stoß die Kör­per der Lie­ben­den zu­sam­men­hef­te­te.

      Lan­ge stand der Fins­te­re und starr­te auf die Ar­beit her­ab, die er ge­macht hat­te. Neid und Bit­ter­keit stie­gen ihm bis zum Hal­se:

      Ich woll­te auch ein­mal ein Mensch sein und wis­sen, wie Glück und Lie­be tun. Aber so schö­ne Din­ge sind, scheint es, nicht für Un­serei­nen. Jetzt mag sich die Mensch­heit vor mir in acht neh­men.

      Er jag­te zu­rück und schick­te sich an, für den Ab­stieg in die Cai­na vollends reif zu wer­den.

      Man trug die To­ten in die Fa­mi­li­en­gruft der Mala­tes­ta und be­stat­te­te sie Sei­te an Sei­te. Als man das Zim­mer vom Blut rei­nig­te, fand sich ein auf­ge­schla­ge­nes Buch am Bo­den. Es war das Buch, das der große Ver­bann­te nach­mals einen Ga­leot­to nann­te, denn sei­ne Gast­freun­de zu Ra­ven­na mö­gen sich ge­hü­tet ha­ben, ihm die an ih­rer Bluts­ver­wand­ten ver­üb­te Nie­der­tracht zu er­zäh­len. Nein, zwi­schen Fran­ces­ca und Pao­lo be­durf­te es kei­nes Ga­leot­to, die Her­zen und Sin­ne, die sich an Lan­ze­lot und Gi­nevra ent­zün­de­ten, ha­ben zu­vor schon lich­ter­loh ge­brannt.

      Und jetzt zum letz­ten Tep­pich­feld, das zu­gleich das letz­te der Nord­wand ist und das schöns­te von al­len. Es folgt der Spur des Dich­ters und so steht es im Rech­te.

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