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Die Män­ner rühm­ten die Schön­heit Fran­ces­cas und die Frau­en ihr Glück, einen sol­chen Gat­ten ge­fun­den zu ha­ben und so jung und se­lig an sei­ner Sei­te hin­zu­rei­ten.

      Auf der Grenz­schei­de zwi­schen ih­rer al­ten und ih­rer neu­en Hei­mat kam ihr ein Zug weiß­ge­klei­de­ter Mäd­chen ent­ge­gen, die der künf­ti­gen Her­rin Blu­men und Früch­te des Lan­des dar­brach­ten, in den Ort­schaf­ten, die sie durch­rit­ten, wur­den die Glo­cken ge­läu­tet, die Hufe ih­res Zel­ters gin­gen über lau­ter frisch­ge­schnit­te­ne Zwei­ge hin. Als der Mit­tag hoch­stieg, er­reich­ten sie eine von Sil­ber­pap­peln be­schat­te­te grü­ne Wie­se, die ein Bäch­lein durch­ström­te, um sich ins nahe Meer zu er­gie­ßen. Dort war von Die­nern des Hau­ses Mala­tes­ta ein Prunk­zelt auf­ge­schla­gen mit vie­len lus­ti­gen Wim­peln, die im See­wind flat­ter­ten, und mit Ti­schen, die sich von der Last ei­nes aus­ge­such­ten Mah­les bo­gen. Dort lenk­te der Hoch­zeits­zug ein, Herr Pao­lo hob die Braut vom Pfer­de und führ­te sie, wie es der Brauch ver­lang­te, an den Fin­ger­spit­zen zum Ehren­sitz, aber statt, wie sie er­war­te­te, den Platz an ih­rer Sei­te ein­zu­neh­men, er­bat er sich Ur­laub, weil er sie hier ver­las­sen müs­se, warf sich aufs Pferd und jag­te ohne Um­se­hen wie ein ver­folg­tes Wild auf Ri­mi­ni zu.

      Was ist mei­nem Herrn, dass er mich hier ver­lässt? frag­te Fran­ces­ca be­klom­men den Se­ne­schall, den ihr der Schwie­ger­va­ter zu ih­rem Dienst ent­ge­gen­ge­sandt hat­te.

      Ver­gebt, Ma­don­na, es treibt ihn den El­tern per­sön­lich an­zu­sa­gen, welch edle Toch­ter er ih­nen zu­führt, war die ver­le­ge­ne Ant­wort.

      Sind sie denn nicht vor­be­rei­tet, dass ich kom­me? frag­te Fran­ces­ca er­staunt.

      Frei­lich sind sie’s, aber die Be­stä­ti­gung, dass Ihr nahe seid, wärmt ihre Her­zen, bis sie Euch sel­ber se­hen. Denn wenn der höchs­te Wunsch der Er­fül­lung naht, dann zit­tert das leid­ge­wohn­te Al­ter, ob es nicht zu viel des Glückes sei, um zur Wahr­heit zu wer­den. Sie seh­nen sich nach Eu­rem An­blick wie der Kran­ke nach dem heil­brin­gen­den Gna­den­bild. An Euch hängt die Zu­kunft ih­res Lan­des und das Wohl ih­res Hau­ses. Da­rum ist Herr Pao­lo vor­an­ge­sprengt, um sie zu be­ru­hi­gen, dass Ihr ihm wil­lig ge­folgt seid und dass we­der die Son­nenglut noch die Müh­sal der Rei­se den Schmelz Eu­rer Wan­gen und den Glanz Eu­rer Au­gen be­ein­träch­tigt ha­ben.

      Er ist der Herr, er tue was ihm gut­dünkt, war Fran­ces­cas Ant­wort. Wenn ich nur si­cher bin, ihm in nichts miss­fal­len zu ha­ben. Er schi­en heu­te nicht so froh wie je­nes­mal, wo er zu­erst als Wer­ber in Ra­ven­na ein­ritt. Sei­ne Au­gen wi­chen mir öf­ters aus, und et­was schi­en ihn zu be­drücken.

      Ver­gebt ihm, Her­rin, es ist das Neue, die Freu­de, die sich nicht zu äu­ßern weiß. Die Mala­tes­ta sind ein här­te­res Ge­schlecht; so fei­ne Sit­te wie an dem mu­sen­lie­ben­den Hofe von Ra­ven­na wer­det Ihr bei uns nicht fin­den, aber tap­fe­re und treue Her­zen, die Euch ganz ge­hö­ren, denn Tap­fer­keit und Treue, das ist der Ruhm de­rer, die Mala­tes­ta hei­ßen.

      Fran­ces­ca wun­der­te sich über die­se Rede, denn sie hat­te nie­mals an ei­nem Jüng­ling ad­li­ge­re Sit­te ge­se­hen als an Pao­lo Mala­tes­ta. Aber sie sag­te nur: Seit heu­te bin ich auch eine Mala­tes­ta und neh­me teil am Ruh­me die­ses Hau­ses.

      Sie ahn­te nicht, dass die Schweiß­per­len, die der un­glück­li­che Höf­ling sich von der Stir­ne trock­ne­te, nicht von der Hit­ze ka­men, son­dern ihm von der Angst aus­ge­presst wa­ren, er könn­te sich im Netz der Rede ver­fan­gen und sie zu ei­ner ge­fähr­li­chen Fra­ge ver­an­las­sen. Noch we­ni­ger frei­lich konn­te sie ah­nen, dass der­je­ni­ge, den sie ih­ren an­ge­trau­ten Gat­ten wähn­te, aus schlech­tem Ge­wis­sen vor ih­ren strah­len­den Au­gen floh, die das bräut­li­che Glück nicht scham­haft zu ver­heh­len such­ten, son­dern of­fen die er­laub­te Lie­be be­kann­ten.

      In je­nen Ta­gen er­bar­mungs­lo­ser Män­ner­herr­schaft wur­de ja nicht ge­fragt, wie ei­ner Braut zu­mu­te sei, sie hat­te den zu lie­ben mit ih­rem gan­zen Selbst, den die Sip­pe ihr zu­führ­te. So hat­te auch der wei­cher­ge­ar­te­te Pao­lo nie dar­an ge­dacht, was Fran­ces­ca bei der Ent­de­ckung des Be­trugs emp­fin­den wer­de. Wäh­rend er sei­nen Auf­trag durch­führ­te, sah er nur den Se­gen, den er zwei ge­quäl­ten Völ­kern zu brin­gen hat­te: dass fort­an kei­ne Ge­trei­de­fel­der mehr von rei­si­gen Scha­ren zer­stampft, kei­ne Ort­schaf­ten mehr ver­wüs­tet wer­den, die Flüs­se kei­ne Lei­chen mehr ins Meer tra­gen soll­ten. Aber seit ihn zum ers­ten Mal Fran­ces­cas Blick so groß und frei ge­trof­fen hat­te, wuss­te er plötz­lich, dass er kei­ne see­len­lo­se Sa­che vor sich hat­te, die man nach Be­lie­ben vom einen dem an­dern zu­schie­ben konn­te, und er be­gann zu be­grei­fen, dass er sich an ei­ner See­le ver­sün­digt hat­te, die grö­ßer war als die sei­ni­ge, wenn ihm auch der gan­ze Ab­grund der von ihm ge­dan­ken­los be­gan­ge­nen Bübe­rei noch nicht of­fen­lag. Er hielt sei­ne Au­gen stumm ge­senkt, als ob er die scham­haf­te Braut wäre. Ver­geb­lich such­te er nach Wor­ten, um ein Ge­spräch zu be­gin­nen, er fand nur die stam­meln­de Fra­ge, ob Fran­ces­ca nicht müde sei.

      Müde? ant­wor­te­te sie mit dem Ton ei­ner gol­de­nen Glo­cke, der sa­gen zu wol­len schi­en: Ist man müde, wenn man liebt?

      Der Ton, der Blick sag­ten es ohne Wor­te, dass ihre See­le ganz von ihm er­füllt war und für kein an­de­res Bild mehr Raum hat­te. Was soll­te sie nun erst beim An­blick des Krüp­pels emp­fin­den, dem sie durch ein ver­ruch­tes Ko­mö­dien­spiel recht­mä­ßig an­ge­hör­te? Sein Herz er­krank­te jäh­lings, er fühl­te sich wie ge­rich­tet.

      Ach und da war noch et­was an­de­res: mit der Er­kennt­nis ih­res See­len­zu­stan­des war ihm auch sein ei­ge­ner auf­ge­gan­gen, denn wenn bis­her sei­ne ent­zück­ten Au­gen nur die Er­ko­re­ne sei­nes Bru­ders be­wun­der­ten, so fühl­te er jetzt, wie die Flam­me, die er mit sei­ner trüg­li­chen Wer­bung ge­weckt hat­te, auf ihn sel­ber über­sprang. Schreck und Scham und Reue jag­ten ihn vor dem Braut­zug her durch die mit­täg­li­che Schwü­le, als ob die Flam­men der Höl­le hin­ter ihm wä­ren.

      Un­ter­des­sen wur­de der Neu­ver­mähl­ten ne­ben dem küh­len Bäch­lein, über dem sie das Prunk­zelt er­rich­tet hat­ten, ein köst­li­ches La­ger mit sei­de­nen Kis­sen auf­ge­schla­gen zur Rast wäh­rend der hei­ßes­ten Stun­den. Ihre Ehren­fräu­lein, für die ein Tep­pich auf den Ra­sen ge­brei­tet wur­de, bil­de­ten einen schim­mern­den Kranz um sie und schlum­mer­ten gleich­falls, bis die fri­sche­ren Lüf­te des Nach­mit­tags das Wei­ter­rei­ten ge­stat­te­ten. Im Kas­tell ei­nes Ge­folgs­man­nes der Mala­tes­ta war das ers­te Nacht­la­ger be­rei­tet, das ihr gleich einen Vor­ge­schmack von der Macht und Pracht der neu­en Ver­sipp­ten ge­ben soll­te. Die Fes­te prang­te im Schmuck aus­ge­häng­ter Tep­pi­che und Fah­nen, Trom­pe­ten­stö­ße be­grüß­ten sie vom Turm, und über die nie­der­ge­las­se­ne Brücke kam ihr an der Spit­ze sei­ner Leu­te der Herr des Schlos­ses ent­ge­gen, um auf weißem Samt­kis­sen, das ein Page trug, der künf­ti­gen Lehns­her­rin die Schlüs­sel der Fes­tung dar­zu­bie­ten. Fran­ces­ca, der hö­fi­schen Sit­te wohl kun­dig, bat, sie in den ver­dien­tes­ten Hän­den, die sie bis­her ge­führt, auch fer­ner­hin zu be­wah­ren, und er­reg­te durch ihre wahr­haft fürst­li­che Hal­tung bei so großer Ju­gend die Be­wun­de­rung des al­ten Se­ne­schalls, dem nun aber an­ge­sichts ei­ner sol­chen Be­stimmt­heit erst recht

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