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mit de­nen sie in Feh­de la­gen, die Ge­le­gen­heit wahr­neh­men möch­ten, über ihre von streit­ba­ren Män­nern ent­blö­ßte Stadt her­zu­fal­len, ver­trau­ten sie den ver­bün­de­ten Flo­ren­ti­nern die Über­wa­chung ih­rer Mau­ern an. Die Flo­ren­ti­ner wa­ren, wie uns ihre Chro­nis­ten mel­den, da­mals die Red­lich­keit und Bun­de­streue selbst, und als sie dem Wunsch der Pi­sa­ner statt­ga­ben, be­schlos­sen sie, ein strah­len­des Bei­spiel die­ser Tu­gen­den auf­zu­stel­len. Sie zo­gen also mit großem Auf­ge­bot an Man­nen und Ros­sen her­an, lehn­ten es je­doch ab, Quar­tie­re in der Stadt zu be­zie­hen, son­dern schlu­gen in der wei­ten Ebe­ne ein La­ger auf mit vie­len Zel­ten und strah­len­för­mi­gen Gas­sen da­zwi­schen, in der Mit­te das Zelt des An­füh­rers, auf dem das Ban­ner mit der Li­lie weh­te. Da­nach um­stell­ten sie die Mau­ern der Stadt von der Land­sei­te, denn Pisa lag da­mals noch am Mee­re, mit star­ker Be­wa­chung, die sie vor den To­ren noch ver­stärk­ten, und der Feld­haupt­mann, ein in Waf­fen er­grau­ter ei­sen­har­ter Krie­ger, hielt eine An­spra­che, worin er sei­nen Leu­ten auf das strengs­te ver­bot, die Stadt Pisa auch nur mit ei­nem Fuße zu be­tre­ten. Wenn ei­ner den­noch in­ner­halb der Mau­ern oder auch nur beim Ver­such sich ein­zu­schwär­zen er­grif­fen wür­de, so soll­te er am Hal­se ge­henkt zwi­schen Him­mel und Erde sei­nen Fre­vel bü­ßen. Da­rum dass die heim­keh­ren­den Pi­sa­ner ge­wahr wür­den, wie hei­lig den Flo­ren­ti­nern ihre Habe und die Ehre der Pi­sa­ne­rin­nen ge­we­sen, und dass sie es ver­stan­den hat­ten, die an­ver­trau­te Stadt nicht nur ge­gen Fein­des­ge­walt, son­dern eben­so ge­gen den Mut­wil­len der Be­schüt­zer zu schüt­zen. Die­se War­nung ver­brei­te­te bei der be­kann­ten un­er­bitt­li­chen Här­te des Feld­haupt­manns einen heil­sa­men Schre­cken un­ter der jun­gen Mann­schaft, denn vie­le wa­ren nur aus Aben­teu­er­lust und Be­gier nach dem Neu­en zu den Fah­nen ge­lau­fen. Als aber die Ab­we­sen­heit der pi­sa­ni­schen Streit­macht sich in die Län­ge zog und kei­ne Luc­che­sen sich zeig­ten, wur­de die Lan­ge­wei­le ei­nes Feld­la­gers ohne Geg­ner die­ser leb­haf­ten und für­wit­zi­gen Ju­gend all­zu drückend, und manch einen be­gann die Neu­gier nach den Merk­wür­dig­kei­ten der rei­chen und be­rühm­ten See­stadt zu kit­zeln, de­ren Kup­peln und Tür­me so ein­la­dend über die Mau­ern blick­ten. Be­son­ders fes­sel­te ihre Ein­bil­dungs­kraft der schie­fe Turm, der da­mals noch neu, aber schon ge­ra­de so schief war wie heu­te und zu den sie­ben Welt­wun­dern ge­zählt wur­de. Man stritt dar­über, ob er gleich so schief ge­wach­sen sei oder sich nach­träg­lich auf die Sei­te ge­neigt habe, und konn­te die Fra­ge so we­nig er­grün­den wie in un­se­ren Ta­gen; vie­le gin­gen auch Wet­ten ein, wie lan­ge es dau­ern wür­de, bis er um­fie­le.

      Nicht min­de­re Lan­ge­wei­le als drau­ßen im Feld­la­ger herrsch­te drin­nen in der Stadt, weil mit der männ­li­chen Ju­gend von Pisa al­les fehl­te, was Be­we­gung in die Stra­ßen und in die Ge­mü­ter der Be­woh­ner brach­te. Am meis­ten lang­weil­ten sich die schö­nen Pi­sa­ne­rin­nen, die we­nig Reiz da­bei fan­den, ihre Wohl­ge­stalt und Klei­der­pracht vor den in der Stadt zu­rück­ge­blie­be­nen Grau­bär­ten zur Schau zu stel­len. Sie er­stie­gen alle Tür­me, von de­nen sie einen Aus­blick auf das Ge­wim­mel des La­gers er­ha­schen konn­ten, und er­mit­tel­ten bald den Weg, sich ih­ren Be­schüt­zern zu zei­gen. Der Kom­man­dant oder Platz­haupt­mann von Pisa hat­te zwar mit dem vor den To­ren ver­ein­bart, dass kei­ner­lei Ver­kehr zwi­schen Stadt und La­ger sich ent­spin­nen dür­fe, um nicht den Wolf in die Hür­de der Scha­fe zu lo­cken. Aber er war kein Ei­sen­kopf wie der an­de­re, son­dern ein wohl­wol­len­der al­ter Mann, der ger­ne der Ju­gend ein biss­chen Freu­de gönn­te und sich auch da­mit ab­fand, wenn sie ein­mal über die Strän­ge schlug. Nur durf­te er nicht ge­trun­ken ha­ben, denn als­dann kam ein krie­ge­ri­scher Geist über ihn, dass er den im La­ger drau­ßen an dra­ko­ni­scher Stren­ge noch über­bot, we­nigs­tens in Wor­ten. Sie sag­ten ihm nach, wenn er im über­eil­ten Zorn einen hen­ken las­se, so schnei­de er ihn, be­vor er aus­ge­zap­pelt habe, wie­der ab.

      Die­ser Wa­cke­re ver­stat­te­te den Pi­sa­ne­rin­nen nicht nur, dann und wann von den Wehr­gän­gen einen Blick auf das La­ger der Flo­ren­ti­ner zu wer­fen, son­dern auch, wenn sie über die sti­cki­ge Luft in den da­mals noch en­gen Stra­ßen klag­ten, sich in der Abend­küh­le auf dem Zwin­ger zwi­schen Mau­er und Stadt­gra­ben zu er­ho­len, wo­bei kei­ne Ge­fahr für die gu­ten Sit­ten zu be­fürch­ten war, denn die Fall­brücken wur­den nur ge­senkt, um die Land­leu­te, die ihre Vor­rä­te auf den Markt brach­ten, ein- und aus­zu­las­sen.

      Un­ter der Be­wa­chungs­mann­schaft be­fand sich ein jun­ger Mensch von heißem und ver­we­ge­nem Ge­blüt mit Na­men Za­no­bi, den es mehr als alle lüs­te­te, das Ver­bot sei­nes Feld­haupt­manns zu bre­chen, soll­te es auch das Le­ben kos­ten. Ihn zog aber kein schie­fer Bau, son­dern ein wun­der­ge­ra­der, näm­lich die Toch­ter des Kom­man­dan­ten selbst, die rei­zen­de Or­so­la, die er mit ih­ren Freun­din­nen auf dem Zwin­ger hat­te wan­deln se­hen. Als er bei ih­rem An­blick, wie von ei­nem Pfeil ge­trof­fen, die Hand aufs Herz press­te und einen bis über den Gra­ben hör­ba­ren Seuf­zer aus­schick­te, bra­chen zwar die Freun­din­nen in mäd­chen­haf­tes Ge­ki­cher aus, aber Or­so­la er­rö­te­te und ant­wor­te­te durch einen ra­schen Blick aus halb­ge­senk­ten Li­dern, der al­les eher als Miss­fal­len aus­drück­te, denn der Za­no­bi war ein schö­ner und wohl­ge­stal­te­ter Jüng­ling; und über den Gra­ben hin­weg, der eine An­nä­he­rung un­mög­lich mach­te, glaub­te sie ja ih­rer Ehre nichts zu ver­ge­ben. Doch aus die­ser Zu­falls­be­geg­nung schlug eine Flam­me auf, die schnell alle Hemm­nis­se über­sprang und die Er­grif­fe­nen für die Ge­fahr blind mach­te. Um sich den Spä­her­au­gen der Freun­din­nen zu ent­zie­hen, ver­mied Or­so­la fort­an den Spa­zier­gang au­ßer­halb der Mau­ern, er­stieg aber, weil ihr vä­ter­li­ches Haus in die Be­fes­ti­gung ein­ge­baut war, so oft wie nur mög­lich den Wehr­gang, um von dort nach dem Za­no­bi aus­zu­schau­en und sei­ne Au­gen­spra­che zu er­wi­dern. Von Tag zu Tag wur­de das Ver­lan­gen sich zu se­hen un­wi­der­steh­li­cher in den bei­den, und wenn sie sich sa­hen, so ver­wünsch­ten sie Mau­er und Gra­ben, die sie hin­der­ten zu­sam­men­zu­kom­men und sich Leib an Leib zu um­schlin­gen und an­ein­an­der­zu­pres­sen.

      Da die Pi­sa­ner vor Mal­lor­ca noch im­mer kein Glück hat­ten und ihre Ab­we­sen­heit sich noch Mon­de und Jah­re hin­zö­gern konn­te, sah es der Feld­haupt­mann nicht un­gern, dass sei­ne jun­gen Kriegs­leu­te, wenn sie nicht ge­ra­de durch Wa­che­ste­hen und Waf­fen­übun­gen in An­spruch ge­nom­men wa­ren, sich, so­weit dies im La­ger mög­lich, mit Küns­ten des Frie­dens ab­ga­ben, wie sie sie da­heim be­trie­ben. So hat­te er eine bes­se­re Ge­währ, dass sie nicht durch un­tä­ti­ges Le­ben auf mut­wil­li­ge Strei­che ge­rie­ten. Die Schus­ter ver­fer­tig­ten Schu­he, die Schnei­der bes­ser­ten Rö­cke aus, die Schlos­ser häm­mer­ten, die Holz­schnit­zer bas­tel­ten, dass die Gas­sen des La­gers de­nen ei­ner Stadt im Frie­den gli­chen, wo ja auch die Ge­schäf­te in frei­er Luft vor sich gin­gen. Der Za­no­bi, der ein kunst­rei­cher Gold­schmied war, ließ sich von Hau­se sei­nen Hand­werks­be­darf brin­gen, um dar­aus zum Schein al­ler­lei blin­ken­des Zier­werk her­zu­stel­len, das ihm die Ka­me­ra­den für ihre da­heim­ge­blie­be­nen Mäd­chen ab­kauf­ten, und dar­un­ter ein klei­nes Herz aus Gold mit ei­nem blut­ro­ten Ru­bin in der Mit­te, der leuch­te­te wie eine of­fe­ne Wun­de. Dies Schmuck­stück übergab er ei­nem Land­mann mit Na­men Sil­ve­stro, den er öf­ter durch das Stadt­tor ge­hen sah und den er sich durch

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