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Furcht vor ihm und sei­nem Schwur sie ängst­lich in­ner­halb der Stadt­mau­ern hü­te­te, die sie nie ver­las­sen durf­te. Er wuss­te aber auch, dass Vi­ter­bo zu ei­nem Dank­fest we­gen glück­li­cher Ab­wen­dung der Seu­che rüs­te­te, das mit dem Bet­gang zu ei­nem vor der Stadt im Grü­nen ge­le­ge­nen Ka­pell­chen des hei­li­gen Se­bas­ti­an be­gin­nen und mit ei­ner großen Volks­be­lus­ti­gung auf der Fest­wie­se schlie­ßen soll­te. Er sand­te des­halb einen sei­ner Knech­te mit Trau­er­ab­zei­chen nach Vi­ter­bo und ließ durch die­sen un­ter dem Schein ei­nes Ge­schäf­tes für die Er­ben die Kun­de ver­brei­ten, dass der Herr von Vico an der Pest ge­stor­ben sei. Mit die­ser List hoff­te er die Ga­lia­na aus dem Stadt­tor zu lo­cken, was ihm auch in der Tat ge­lang.

      Als die Pro­zes­si­on beim Ge­läu­te al­ler Stadt­glo­cken mit Kreu­zen und Fah­nen sich auf das Hei­lig­tum zu­be­weg­te, be­geg­ne­ten dem Zug zwei Mön­che, die mit ei­nem Brie­fe ih­res Abts ein wei­tent­le­ge­nes Klos­ter auf­zu­su­chen hat­ten und zu die­sem Zweck be­rit­ten wa­ren. Die from­men Brü­der stie­gen als­bald ab, führ­ten ihre Pfer­de de­mü­tig am Zü­gel nach und schlos­sen sich den Wall­fah­rern an. Da ver­nahm man vor der Pfor­te der Ka­pel­le plötz­lich einen Schrei des Schre­ckens, ei­ner der Klos­ter­brü­der schwang die schö­ne Ga­lia­na hoch auf den Ar­men, sprang mit ihr wie ein Blitz in den Sat­tel und jag­te ins Wei­te, wäh­rend der an­de­re un­ter der Kut­te ein blo­ßes Schwert zum Vor­schein brach­te, mit dem er die jun­gen Män­ner, die sich zur Ver­fol­gung des Räu­bers an­schick­ten, zu­rück­trieb. Da die Wall­fah­rer we­der Waf­fen noch Pfer­de hat­ten, herrsch­te einen Au­gen­blick rat­lo­ses Ent­set­zen. Aber der Gat­te, die Brü­der und Ge­freun­de der Ent­führ­ten er­in­ner­ten sich zum Glück ei­nes Wun­der­pfer­des, das auch zu den fünf »No­bi­li­tä­ten« der Stadt ge­hör­te. Es stand au­ßen auf der Wie­se zwi­schen den Bu­den der Ver­käu­fer und dem auf­ge­rich­te­ten Glücks­baum an­ge­bun­den, denn es soll­te zu­samt ei­nem Gauk­ler, der konn­te, was nie­mand kann und des­halb gleich­falls eine No­bi­li­tät von Vi­ter­bo war, nach Been­di­gung des Got­tes­diens­tes das Volk durch sei­ne Küns­te er­göt­zen. Wenn die­ses Pferd wirk­lich, wie die Sage ging, von dem ed­len Roß Ba­yard des Rit­ters Rainald von Mon­tal­ban stamm­te, so hat es sei­nen Vor­fahr, der die vier Hai­mons­kin­der trug, noch weitaus an Grö­ße, Kraft und Schnel­lig­keit über­trof­fen. Denn es spran­gen – du magst mir das glau­ben oder nicht – sie­ben Be­waff­ne­te von den zwei ver­schwä­ger­ten Fa­mi­li­en auf sei­nen un­ge­sat­tel­ten Rücken und jag­ten den räu­be­ri­schen Mön­chen nach. Den einen, Zu­rück­ge­blie­be­nen, über­rit­ten sie, be­vor sie den Ent­füh­rer er­reich­ten, der, wie du dir wohl den­ken kannst, kein an­de­rer als der Graf von Vico war! Die­ser wäre ih­nen trotz ih­rer Win­des­schnel­le ent­kom­men, hät­te er der Be­gier­de wi­der­ste­hen kön­nen, sich un­ter­wegs einen Vor­schmack der er­hoff­ten Won­nen zu ver­stat­ten, in­dem er von Zeit zu Zeit sei­nen Lauf mä­ßig­te und das An­ge­sicht der Ga­lia­na, das an sei­ner Schul­ter lag, mit gie­ri­gen Küs­sen be­deck­te. Sie wehr­te ihm nicht, sei es, dass sie Wi­der­stand für nutz­los hielt, sei es, dass sie die Be­sin­nung ver­lo­ren hat­te. So bra­chen die Sie­ben über ihn her­ein, be­vor es ihm ge­lun­gen war, sei­nen Raub auf der Fes­te von Vico zu ber­gen. Er hieb ver­zwei­felt um sich, ob­gleich er nur einen Arm frei hat­te, weil er im an­dern die Ga­lia­na hielt. Schließ­lich be­ka­men die An­grei­fer doch die Ober­hand, sie ris­sen ihn aus dem Sat­tel, aber sei­ne Beu­te ließ er erst fah­ren, als er un­ter ih­ren Schwert­hie­ben be­wusst­los zu­sam­men­stürz­te. Und sie hät­ten ihn völ­lig kalt­ge­macht, wä­ren nicht die Knech­te her­bei­ge­eilt, die der Graf zu sei­ner Si­che­rung auf hal­b­em Weg auf­ge­stellt hat­te und die nun den Halb­to­ten mit ih­ren Lei­bern schirm­ten und nach Hau­se tru­gen.

      Nicht um­sonst sagt das Sprich­wort, dass üble Kräut­lein nicht ver­der­ben. Auch von sei­nen schwe­ren Wun­den kam der schlim­me Graf da­von. Aber von sei­ner ver­bohr­ten höl­li­schen Be­ses­sen­heit ließ er auch nach die­ser Leh­re nicht ab. Seit­dem er die Ga­lia­na vor sich auf dem Sat­tel ge­habt und die Wär­me ih­res Kör­pers ge­gen den sei­ni­gen ge­spürt hat­te, brann­te die Be­gier nach ih­rem Be­sit­ze noch viel stär­ker in sei­nem Blut, und was viel­leicht bis­her noch teil­wei­se hof­fär­ti­ger Ei­gen­sinn ge­we­sen war, das wur­de jetzt zum ru­he­lo­sen Sta­chel ei­ner un­ge­still­ten quä­len­den Lei­den­schaft. Doch hielt er sich zu­nächst ru­hig, ließ sei­ne Kör­per­wun­den aus­hei­len und ei­ni­ges Gras über die miss­glück­te Un­ter­neh­mung wach­sen.

      Aber der Frie­de war nur ein schein­ba­rer. Weil der Ver­we­ge­ne den Kai­ser, den er scheu­te, fern und in die deut­schen Hän­del ver­wi­ckelt wuss­te, sam­mel­te er in al­ler Stil­le auf ei­ge­ne Hand eine an­sehn­li­che Streit­macht und sand­te der Stadt Vi­ter­bo den Feh­de­brief, worin er sie auf­for­der­te, ihm ent­we­der zur Ein­lö­sung des kai­ser­li­chen Wor­tes wie auch zur Süh­ne der ihm bei­ge­brach­ten Ver­wun­dun­gen die schö­ne Ga­lia­na her­aus­zu­ge­ben oder auf einen Sturm ge­fasst zu sein, wie die Stadt noch kei­nen er­lebt habe.

      Die Uns­ri­gen ant­wor­te­ten, sie sei­en nicht ge­wohnt, mit ih­ren Töch­tern Kriegs­steu­er zu zah­len, und im üb­ri­gen sei die Ga­lia­na, wie er wohl wis­sen wer­de, längst ih­rem vor­be­stimm­ten Gat­ten an­ge­traut. Wenn der Herr von Vico gleich­wohl sei­nen Hei­rats­an­trag er­neu­ern wol­le, so möge er kom­men und sich aus den Mäu­lern ih­rer Ge­schüt­ze die Ant­wort ho­len.

      So be­gann die Be­la­ge­rung.

      Der Herr von Vico hat­te bei dem Rot­bart die Kriegs­kunst ge­lernt und war, wie alle wuss­ten, kein trä­ger Schü­ler ge­we­sen. Er schloss die Stadt von al­len Sei­ten ein und führ­te selt­sa­me, noch nie ge­se­he­ne Kriegs­ma­schi­nen ge­gen sie her­an. Aus Wurf­ge­schüt­zen schleu­der­te er so ge­wal­ti­ge Stei­ne, dass sie beim Nie­der­fal­len zer­bars­ten und gleich drei oder vier Mann von den Ver­tei­di­gern auf ein­mal nie­der­streck­ten. Die Uns­ren schütz­ten ihre Mau­ern durch Sä­cke von Stroh und Flecht­werk al­ler Art, aber die Be­la­ge­rer schos­sen Brand­pfei­le dar­ein und setz­ten die brenn­ba­re Schutz­wehr in Flam­men. Den größ­ten Schre­cken er­reg­te ein ho­her fahr­ba­rer Turm, den der von Vico an­roll­te, wo es ihm be­lieb­te, und von dem aus er grie­chi­sches Feu­er über die Mau­ern warf, das einen schnö­den Ge­ruch ver­brei­te­te und mit Was­ser gar nicht zu lö­schen war. Und im­mer von neu­em for­der­te er Vi­ter­bo auf, ihm sei­ne Braut zu sen­den, wenn nur ein Stein der Stadt auf dem an­dern blei­ben sol­le. Die Be­la­ger­ten wa­ren auch nicht auf den Kopf ge­fal­len: sie lösch­ten das un­lösch­ba­re Feu­er durch Sand und Es­sig, aber als nun doch, bald da, bald dort, ein Haus zu bren­nen be­gann und auch die Le­bens­mit­tel in der ein­ge­schlos­se­nen Stadt knap­per wur­den, da er­ho­ben sich Stim­men un­ter den Bür­gern, die es ta­del­ten, dass man die Frei­wer­bung des Kai­sers ab­ge­wie­sen und sich die Ra­che ei­nes Über­mäch­ti­gen zu­ge­zo­gen habe. Die Ga­lia­ni und ihre Schwä­ger, die sich mehr vor der Schwach­mü­tig­keit ih­rer Mit­bür­ger als vor dem Fein­de fürch­te­ten, er­zwan­gen nun im Kriegs­ra­te den Ent­schluss, die Not durch einen küh­nen Aus­fall zu en­di­gen.

      Man rück­te aus, die Ga­lia­ni mit Ver­sipp­ten und An­hang als die Nächst­be­trof­fe­nen in der vor­ders­ten Rei­he. Den gan­zen Tag wur­de mit Er­bit­te­rung ge­run­gen. Al­lein die Städ­ter, so tap­fer sie foch­ten, konn­ten ge­gen die er­prob­ten ehe­ma­li­gen Sol­da­ten des Rot­bart un­ter ih­rem kriegs­ge­wal­ti­gen

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