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Frau­en­eh­re nicht zu Scha­den ge­kom­men sei. Aber von Be­gna­di­gung kön­ne kei­ne Rede sein, weil der Ver­ur­teil­te sich des sol­da­ti­schen Un­ge­hor­sams schul­dig ge­macht und den Ruf der flo­ren­ti­ni­schen Manns­zucht er­schüt­tert habe. Ver­geb­lich be­rief sich der an­de­re auf die Ju­gend des Schul­di­gen und auf die Un­wi­der­steh­lich­keit der Lie­be. Der ei­ser­ne Feld­haupt­mann er­klär­te, das Pal­la­di­um des La­gers sei die un­beug­sa­me Stren­ge des Feld­herrn und der un­be­ding­te Ge­hor­sam der Mann­schaft. Er­lit­te die­ser auch nur an ei­ner Stel­le den ge­rings­ten Bruch, so wür­de sich die Ge­walt­tat wie eine Flut­wel­le über das Land er­gie­ßen, und er wäre nicht mehr im­stan­de, ihr Ein­halt zu tun.

      Tief be­stürzt zog sich der Für­bit­ter zu­rück, doch gab er sei­ne Be­mü­hung, den Za­no­bi zu ret­ten, nicht auf. Er be­riet sich mit den Äl­tes­ten der Stadt­ge­mein­de, die in Ab­we­sen­heit der jün­ge­ren Män­ner die Re­gie­rung in der Hand hat­ten, und nun er­schi­en eine Ab­ord­nung pi­sa­ni­scher Grei­se im La­ger der Flo­ren­ti­ner, um dem Ge­stren­gen zu be­deu­ten, dass das Feld, wor­auf er la­ge­re, pi­sa­ni­sches Ge­biet sei, und dass sie nun und nim­mer ge­stat­ten wür­den, pi­sa­ni­sche Erde durch eine Hin­rich­tung zu schän­den. Auf die­ser Er­klä­rung be­harr­ten sie un­er­schüt­ter­lich, bis zu­letzt das Ab­kom­men ge­trof­fen wur­de, dass zwar dem Kriegs­ge­setz kein Ab­bruch ge­sche­hen dür­fe, dass aber mit der Voll­stre­ckung des Ur­teils ge­war­tet wer­den müs­se, bis die Flo­ren­ti­ner auf ei­ge­nem Grund und Bo­den stün­den. Die Ab­ge­sand­ten hoff­ten, wenn erst die pi­sa­ni­sche Macht sieg­reich heim­ge­kehrt sei, so wür­de in dem all­ge­mei­nen Dank- und Frie­dens­fest durch die Für­bit­te der Sie­ger, un­ter de­nen sich vie­le an­ge­se­he­ne Bluts­freun­de des Platz­haupt­manns be­fan­den, der har­te Sinn des flo­ren­ti­ni­schen Be­fehls­ha­bers am Ende doch noch schmel­zen. Und so wäre es wohl auch ge­sche­hen ohne den Ver­rä­ter Sil­ve­stro, der dem Feld­haupt­mann sei­nen Acker zum Kau­fe an­bot, da­mit das Blut­ge­richt auf flo­ren­ti­ni­schem Bo­den sei­nen Lauf ha­ben kön­ne. Sie wur­den han­dels­ei­nig, der Bau­er er­hielt einen ho­hen Preis, und als­bald er­ging der Be­fehl, auf dem Grund­stück, das jetzt Ei­gen­tum der Flo­ren­ti­ner war, den Gal­gen auf­zu­rich­ten. Weil aber der Ver­ur­teil­te bei al­len Ka­me­ra­den und bei dem grim­mi­gen Feld­haupt­mann selbst in so gu­tem An­se­hen stand, er­hielt er die Er­laub­nis, vor dem Tode noch von sei­ner ge­lieb­ten Or­so­la Ab­schied zu neh­men. Ein länd­li­ches Kirch­lein nahe der Stadt wur­de für die­se Be­geg­nung ge­wählt. Dor­thin brach­te man un­ter bei­der­sei­ti­ger Be­wa­chung die Lie­ben­den, ein Pries­ter leg­te ihre Hän­de zu­sam­men und gab der Ver­bin­dung, die bis­her nur von der Ulme ge­weiht war, noch zu­letzt den kirch­li­chen Se­gen. In der Sa­kris­tei um­schlan­gen sie sich noch ein­mal un­ter vier Au­gen, und Or­so­la, die kei­ne Trä­ne ver­goss, bat den Ge­lieb­ten, wenn er oben auf der Lei­ter ste­he, sei­nen Blick auf die Zin­ne zu rich­ten, wo sie ihn mit ih­ren Ar­men hin­auf­ge­zo­gen und von wo sie ihm den letz­ten Gruß zu­sen­den wol­le.

      Die gan­ze Nacht lag sie be­tend auf den Kni­en, aber die Stun­den gin­gen ih­ren Gang, und un­barm­her­zig däm­mer­te der Mor­gen her­auf. Als Or­so­la die Zin­nen er­stieg, sah sie das La­ger schon in vol­ler Be­we­gung, aus al­len Zelt­gas­sen ström­ten die Be­waff­ne­ten dem Hoch­ge­rich­te zu. Mit ge­bun­de­nen Hän­den und ei­ner tief über die Au­gen ge­zo­ge­nen Müt­ze wur­de beim Schall der Trom­pe­ten der Ver­ur­teil­te her­an­ge­führt, der sei­nen letz­ten Gang auf­rech­ten Haup­tes und fes­ten Schrit­tes ging. Un­ter der Lei­ter nah­men die Ka­me­ra­den ihm die Müt­ze ab, denn ei­nem Bra­ven, der er stets ge­we­sen, durf­te man die letz­te Ehre, mit of­fe­nen Au­gen zu ster­ben, nicht wei­gern. Ohne Hil­fe er­klomm er schnell die Lei­ter, und oben auf der letz­ten Spros­se wand­te er sich nach der Zin­ne um, wäh­rend ihm die Sch­lin­ge um den Hals ge­streift wur­de. Drü­ben stand Or­so­la in dem Fest­kleid, das sie bei ih­rer ers­ten Be­geg­nung ge­tra­gen, sein gol­de­nes Herz­chen blink­te im ers­ten Son­nen­strahl an ih­rem Hals. Er sah, wie sie die Arme weit vor­an­warf, als ob sie ihm zu­flie­gen wol­le, und sich in die lee­re Luft hin­aus­schwang, um ihm im Tode vor­aus­zu­ei­len. Aber er ließ ihr den Vor­tritt nicht, mit ge­walt­sa­mem Sprung schnell­te er sich frei­wil­lig von der Lei­ter, dass die See­le auf ein­mal ent­floh und eine Se­kun­de bei­der Le­ben en­de­te.

      Gro­ßes Trau­ern herrsch­te im La­ger und in der Stadt, und der Ver­rä­ter Sil­ve­stro soll­te sei­nes Blut­gelds nicht froh wer­den. Au­ßen durf­te er sich nicht mehr bli­cken las­sen, weil die Ka­me­ra­den des Ge­rich­te­ten ihm den Tod ge­schwo­ren hat­ten, und in der Stadt, wo er sich an­zu­kau­fen hoff­te, wies man ihn mit Ver­ach­tung zu­rück. Da fand man ihn denn ei­nes Mor­gens an dem stärks­ten Ast der Ulme von ei­ge­nen Hän­den auf­ge­knüpft, und die Leu­te sag­ten, der zür­nen­de Baum habe sei­ne Schütz­lin­ge ge­rächt. Von da an aber trau­er­te die schö­ne Ulme, als ob sie sich der häss­li­chen Frucht, die sie ge­tra­gen, schäm­te. Ihre Zwei­ge star­ben ab, und es kam kein Paar mehr in ih­rem Schut­ze zu­sam­men.

      Um die Os­ter­zeit kehr­te die pi­sa­ni­sche Flot­te sieg­reich zu­rück mit großer Beu­te an Schät­zen und Ge­fan­ge­nen, nach­dem sie die rei­che Stadt Mal­lor­ca in Asche ge­legt. Alle Glo­cken wur­den ge­läu­tet, und bei dem glän­zen­den Sie­ges­fest war viel Rüh­mens und Dan­kens we­gen der von den Flo­ren­ti­nern be­wie­se­nen Bun­de­streue und der stren­gen Manns­zucht, mit der sie Pisa be­hü­tet hat­ten. Das Schutz­heer zog reich be­schenkt nach Hau­se, und der Stadt Flo­renz, die so red­lich an ih­nen ge­han­delt, lie­ßen die Sie­ger als Beu­tean­teil die Wahl zwi­schen den kost­ba­ren Me­tall­tü­ren ei­ner zer­stör­ten Mo­schee und den zwei Por­phyr­säu­len, de­ren ge­bors­te­ne Stümp­fe noch heu­te vor dem Ein­gang von San Gio­van­ni ste­hen. Die Flo­ren­ti­ner wähl­ten die letz­te­ren, weil die Rede ging, dass ein ge­heim­nis­vol­ler Zau­ber in den Säu­len ver­bor­gen sei: wer sich da­hin­ter­stel­le, dem wer­de je­der Trug, Dieb­stahl oder feind­li­che An­schlag of­fen­bar. Die Säu­len ka­men an, von präch­ti­gen Schar­lach­tü­chern um­wun­den und ge­schwärzt vom Rauch des ein­ge­äscher­ten Mal­lor­ca. Sie wur­den auf­ge­stellt, wo sie noch heu­te ste­hen, al­lein ob­wohl an Rän­ken und Ar­g­list in der Stadt kein Man­gel war, so kam doch nie eine Übel­tat durch sie ans Licht. Da wur­den die Flo­ren­ti­ner den Pi­sa­nern gram, weil sie ver­mein­ten, jene hät­ten aus Neid die Säu­len ge­schwärzt, um ih­nen die ma­gi­sche Tu­gend zu neh­men. Von die­ser Be­ge­ben­heit soll es her­rüh­ren, dass den Flo­ren­ti­nern im Mit­tel­al­ter der Spott­na­me »die Blin­den« an­ge­hängt wur­de, weil sie den an­geb­li­chen Trug der Pi­sa­ner nicht be­merkt hät­ten.

      Aus dem Groll er­wuchs all­mäh­lich eine Tod­feind­schaft, die zu nicht en­den­den er­bit­ter­ten Krie­gen zwi­schen Flo­renz und Pisa führ­te und die frü­he­re Gut­tat in ihr blu­ti­ges Ge­gen­teil ver­wan­del­te, denn der Aus­gang war die völ­li­ge Knech­tung und Ent­rech­tung der einst so stol­zen See­stadt. Die weg­ge­schlepp­ten Ha­fen­ket­ten von Pisa, an der Tauf­kir­che zu Flo­renz auf­ge­han­gen, ver­höhn­ten noch jahr­hun­der­te­lang die ge­stürz­te Grö­ße. Erst nach Grün­dung des ge­ei­nig­ten Kö­nig­reichs Ita­li­en ga­ben die Flo­ren­ti­ner die bru­der­mör­de­ri­sche Tro­phäe an Pisa zu­rück, das sie als his­to­ri­sche Re­li­quie fei­er­lich im Cam­po­san­to auf­be­wahrt.

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