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mir ans Le­ben woll­te, mit ei­ge­ner Hand ent­waff­net hät­te, er soll­te den­noch frei und straf­los aus­ge­hen, wenn nur sie mich gü­tig an­schaut. Sag ihr das: sie ist ja gut und barm­her­zig, so heißt es. Muss sie nicht glück­lich sein, das Gute zu wir­ken?

      Ach, Bru­der, ant­wor­te­te Pao­lo.

      Was »ach, Bru­der«, was willst du sa­gen? Kann man noch mehr bie­ten, als ich bie­te, so soll sie den Preis nen­nen, kei­ner ist zu hoch.

      Pao­lo wein­te, sein wei­ches Herz litt auch für den Bru­der, des­sen Qual er sah und dem er nicht hel­fen konn­te.

      Bru­der, wir ha­ben sie im Hei­ligs­ten be­tro­gen – ich – Ihr – der Va­ter – ihre ei­ge­ne Sip­pe. Wem soll Fran­ces­ca glau­ben? Denkt an die War­nung un­se­rer Mut­ter, die al­lein das Rech­te sah. Sag­te sie nicht: Ein Mäd­chen, stark und stolz wie die­se, wird eher ei­nem Man­ne ver­zei­hen, der sie raubt und mit Ge­walt be­zwingt, als ei­nem, der sie hin­ter­rücks be­ses­sen hat.

      Gian­ciot­to war er­schüt­tert, die War­nung sei­ner Mut­ter, die er zu­vor in den Wind ge­schla­gen hat­te, traf ihn jetzt nach­träg­lich bis ins Mark. Er be­griff, dass er der Ge­kränk­ten eine Ge­nug­tu­ung schul­de­te, die so groß war wie die zu­ge­füg­te Krän­kung. Er sag­te:

      Sie soll völ­lig frei und Her­rin ih­res Wil­lens sein, sag ihr das. Ich schwö­re, dass ich nie­mals einen Fin­ger zur Ge­walt ge­gen sie er­he­ben will. Sie soll mich nur in ih­rer Nähe dul­den. Sie soll mir nicht alle Hoff­nung neh­men, dass sie mir spä­ter ein­mal ver­gibt.

      Auf die­ses Ver­spre­chen hin be­glei­te­te Pao­lo sei­nen Bru­der. Sie tra­ten bei Fran­ces­ca ein, de­ren ver­blass­te Wan­gen bei sei­nem An­blick flamm­ten.

      Sprich du, der mich hier­her ge­führt hat, sag­te sie: Wer ist der Gat­te, dem ich an­ge­traut bin?

      Pao­lo mit ge­senk­tem Kopf und den Au­gen am Bo­den deu­te­te stumm auf Gian­ciot­to. Sie tat einen Schrei wie ein Tier, das die Axt des Schläch­ters trifft. Die bei­den Män­ner stan­den vor ihr wie Ge­rich­te­te. Gian­ciot­to schlich lei­se hin­aus. Als Pao­lo ihm fol­gen woll­te, sprang sie zwi­schen ihn und die Tür:

      Nicht, ehe ich al­les weiß! Wie habt ihr die­sen Schur­ken­streich ins Werk ge­setzt?

      Ich emp­fing dei­ne Hand als sein Stell­ver­tre­ter, ant­wor­te­te Pao­lo. Du ver­stan­dest den Na­men in der Trau­for­mel nicht – es war so ein­ge­rich­tet, füg­te er lei­ser hin­zu.

      Als sich nun aus Pao­los Wor­ten Zug für Zug das gan­ze Netz von Trug und Ar­g­list ent­hüll­te, in das sie ret­tungs­los ein­ge­spon­nen wor­den war, und dass mit ein­zi­ger Aus­nah­me ih­rer mit­be­tro­ge­nen Mut­ter ihre ei­ge­ne Sip­pe dar­an so viel An­teil hat­te wie die, der sie jetzt an­ge­hör­te, brach eine Verzweif­lungs­wut an ihr aus, worin sie die Stun­de ih­rer Ge­burt ver­fluch­te und alle Ver­wün­schun­gen des Him­mels auf die Häu­ser Da Po­len­ta und Mala­tes­ta her­abrief, die schwers­ten auf den Teu­fel in Che­rubs­ge­stalt, wie sie ih­ren Schwa­ger Pao­lo nann­te. Ihre Da­men um­ga­ben sie schluch­zend und be­bend, ohne einen Zu­spruch zu wa­gen, sie kann­ten ihre Ge­bie­te­rin hin­läng­lich, um zu wis­sen, dass nichts auf der Welt sie je­mals trös­ten und ver­söh­nen konn­te. Aber nur die Ge­spie­lin­nen ih­rer Ju­gend, die ihr mit­ge­täuscht nach Ri­mi­ni ge­folgt wa­ren, durf­ten um sie sein, die ein­ge­weih­ten Edel­fräu­lein des Hau­ses Mala­tes­ta, die teils schau­dernd, teils in tö­rich­ter Neu­gier ki­chernd die Wir­kung der furcht­ba­ren Ent­hül­lung ab­ge­war­tet hat­ten, ver­bann­te sie für im­mer aus ih­rer Nähe. Als der Verzweif­lungs­kampf wich, ver­lang­te sie nach ei­nem an­de­ren Zim­mer, weil sie den Schau­platz des feigs­ten Meu­chel­mor­des, der je ver­übt wor­den, nicht wie­der­se­hen wol­le. Man be­rei­te­te ihr auf dem an­de­ren Flü­gel des Schlos­ses eine schön aus­ge­stat­te­te Ke­me­na­te, die ein Fens­ter auf den Hof und ein Ru­he­bett hat­te, wor­auf sie sich als­bald nie­der­streck­te mit dem Ent­schluss, sich nicht mehr zu er­he­ben. Da lag sie mit ganz er­starr­ter Mie­ne, un­be­weg­lich und trä­nen­los, ant­wor­te­te auf kei­ne Fra­ge noch Bit­te mehr und wies jede Nah­rung von sich, nicht ein­mal einen Trop­fen Was­ser ließ sie durch die fest­ge­schlos­se­nen Lip­pen, um ra­scher ster­ben zu kön­nen. Kei­ner der bei­den Brü­der wag­te sich über ihre Schwel­le. Ein Ver­such des al­ten Mala­tes­ta, sie durch einen schwie­ger­vä­ter­li­chen Macht­spruch zum Auf­ste­hen zu zwin­gen, schlug völ­lig fehl; ihre Ohren wa­ren für sei­ne Rede ver­schlos­sen, ihr Blick ging durch ihn hin­durch wie durch Luft.

      Das dau­er­te bis zum vier­ten Mor­gen, da er­hob sich die Mut­ter Mala­tes­ta vom Ster­be­la­ger; schwach und wan­kend, von zwei Die­ne­rin­nen un­ter­stützt, be­trat sie das Zim­mer Fran­ces­cas, sank wort­los bei ihr nie­der, und die Alte netz­te die schon er­kal­ten­den Hän­de der Jun­gen mit stum­men Trä­nen. Fran­ces­ca wuss­te durch Pao­lo, dass die hin­fäl­li­ge Frau al­lein sich mit ih­ren schwa­chen Kräf­ten ge­gen die Ver­rä­te­rei ge­stemmt hat­te, und dass es das Mit­ge­fühl mit dem Op­fer war, was sie am Hoch­zeits­ta­ge nie­der­warf. Sie leg­te ih­ren Kopf in den müt­ter­li­chen Schoß und plötz­lich ström­ten auch ihr die Trä­nen. Die Starr­heit wich, und nun ge­lang es ih­ren Frau­en, ihr et­was Kraft­brü­he bei­zu­brin­gen und all­mäh­lich in dem jun­gen Kör­per den Trieb zum Da­sein wie­der zu er­we­cken.

      In die­sen Ta­gen be­gab sich’s, dass die Stadt Faen­za den äl­tes­ten Sohn des Herrn Mala­tes­ta sei­ner weit­be­kann­ten Tüch­tig­keit we­gen als Po­destà oder Stadt­rich­ter be­rief, denn die­ses Amt, das einen ei­ser­nen und un­be­stech­li­chen Cha­rak­ter er­for­der­te, wur­de nur an Aus­wär­ti­ge ver­ge­ben, da­mit kein Ver­wandt­schafts- oder Freund­schafts­band dem stren­gen Recht im Wege sei. Es war, als hät­te der Him­mel sel­ber ein­ge­grif­fen, um ei­nem un­er­träg­li­chen Zu­stand ein Ende zu ma­chen. Denn Gian­ciot­to hielt zwar sein Ver­spre­chen, sich ihr nicht ge­gen ih­ren Wil­len zu nä­hern, und be­trat ihre Ge­mä­cher nie, aber das im­mer noch wach­sen­de Ver­lan­gen nach ihr trieb ihn schlaf­los um­her, und der Zwang, den es ihn kos­te­te, ein Haus mit ihr zu be­woh­nen und sie doch nicht zu be­sit­zen, mach­te ihm das Da­sein zur Höl­le. Auch bei sei­nem Auf­bruch woll­te sie von kei­ner Ver­söh­nung wis­sen und gönn­te dem Schei­den­den ihr Ant­litz nicht. Dass Pao­lo am Hofe zu­rück­b­lieb, weil der Va­ter nicht bei­de Söh­ne zu­gleich ent­beh­ren konn­te, er­reg­te in dem sonst so Miss­traui­schen kei­nen Arg­wohn, denn Fran­ces­ca schi­en seit der Ent­hül­lung sei­nen Bru­der noch töd­li­cher zu has­sen als ihn sel­ber. Und Gian­ciot­to war ein zu schlech­ter Ken­ner des weib­li­chen Her­zens, um zu wis­sen, dass ein aus ge­kränk­ter Lie­be ge­bo­re­ner Hass mit Leich­tig­keit in das ers­te Ge­fühl zu­rück­schla­gen kann, wenn der Sta­chel aus der Wun­de ge­nom­men wird. Pao­lo hat­te bei sei­nem Ge­ständ­nis einen grö­ße­ren An­teil an der Schuld auf sich ge­la­den, als ihm in Wahr­heit zu­kam, um sei­nen Bru­der auf ei­ge­ne Kos­ten rein­zu­wa­schen, und die­ser, der von der Grö­ße des ihm ge­brach­ten Op­fers kei­ne Ah­nung hat­te, be­fahl ihm an, wo im­mer sich eine Ge­le­gen­heit böte, sei­ne Sa­che bei dem schwer ver­letz­ten jun­gen Wei­be zu füh­ren. Weil aber sei­ne Ty­ran­nen­see­le doch kei­nes wah­ren Ver­trau­ens fä­hig war, be­auf­trag­te er zu­gleich bei der Abrei­se den­je­ni­gen un­ter den Hof­her­ren, den er für den er­ge­bens­ten hielt, weil er die Schul­ter am höchs­ten wat­tiert trug, Ma­don­na Fran­ces­cas Ver­kehr mit sei­nem Bru­der zu über­wa­chen und als­bald Nach­richt

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