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Schö­ne, des­sen An­blick mich be­zau­ber­te, eben die­ser Col­lal­ti­no di Col­lal­to war, von dem sie so viel Rühm­li­ches er­zähl­ten. Da knie­te ich im Über­schwang des Ent­zückens nie­der und dank­te dem Herrn des Him­mels für sei­ne Güte, dass er die Erde mit ei­nem sol­chen Wun­der­bild ge­schmückt habe.

      Bei ei­ner der vie­len ge­sel­li­gen Zu­sam­men­künf­te, wo Adel der Ge­burt und Adel des Geis­tes sich eben­bür­tig be­grüß­ten, fand un­se­re ers­te Be­geg­nung statt. Ich war ei­ner Ohn­macht nahe, als er her­ein­trat und ich so­gleich fühl­te, dass sei­ne Au­gen mich such­ten, und ich fand kein Wort, sei­ne An­re­de zu er­wi­dern. Ich müh­te mich nicht, mei­ne Be­we­gung zu ver­ber­gen, ich hät­te es gar nicht ge­konnt, sie sprach über­mäch­tig aus der wech­seln­den Far­be mei­ner Wan­gen. An je­nem Abend ging der Graf nicht von mei­ner Sei­te. Al­len fiel es auf, wie er mich aus­zeich­ne­te. Man nö­tig­te mich zu sin­gen, er sel­ber war’s, der zu­erst die­sen Wunsch äu­ßer­te. Ich setz­te be­bend an, ich fürch­te­te, dass mir die Stim­me ver­sa­ge. Aber der Ge­ni­us der Lie­be stand mir bei und ließ mich Töne fin­den, wie noch kei­ne aus mei­ner Brust ge­kom­men wa­ren; das Klop­fen mei­nes Her­zens mach­te sie nur aus­drucks­vol­ler. Ach, der To­des­schlaf konn­te kein Ver­ges­sen zwi­schen mich und jene Stun­de schie­ben! Ein ju­beln­der Bei­fall brach aus, als ich ge­en­digt hat­te; man steck­te mir Lor­beer­rei­ser in die Haa­re. Ich war be­rauscht von Won­ne, denn mir schi­en, als müss­ten die­se Hul­di­gun­gen mich in sei­nen Au­gen schö­ner ma­chen. Über al­len Frau­en der Erde Ma­don­na Gas­pa­ra! sag­te der Graf, und sei­ne Au­gen sag­ten noch mehr. Sie sag­ten, dass er mich lie­be. Mein gu­ter frem­der Mann, der mir die­se Beich­te ab­nimmt, viel­leicht bist du von de­nen, die mich schel­ten, dass ich so schnell, so ganz be­din­gungs­los die Sei­ne ward. Aber soll­te ich mich selbst be­steh­len, in­dem ich sei­nem Wer­ben Nein sag­te? Und wel­che Be­din­gun­gen hat­te ich zu stel­len, ich Arme, ihm, dem Ein­zi­gen? – Die Lie­be stellt kei­ne, sie for­dert nicht, sie sucht nicht das ihre. Ich hat­te nur zu ge­ben, mich selbst und mein Ge­dicht und al­les was mein war. Und zu dan­ken hat­te ich, end­los zu dan­ken, dass er das Ge­schenk an­nahm. Denn was wäre ich ohne ihn ge­we­sen und ohne das Leid, das er mir brach­te? Nur eine klin­gen­de Schel­le ohne Her­zen­ston, ohne Na­t­ur­laut wie die an­de­ren Lie­bes­dich­ter und Dich­te­rin­nen mei­ner Zeit.

      Es war ja nicht sein welt­li­cher Rang, was mich mit ei­ner Lie­bes­de­mut zu ihm auf­schau­en ließ, die euch Kin­dern ei­ner an­de­ren Welt als skla­visch er­scheint, es war sei­ne männ­li­che Voll­kom­men­heit. Denn das Sel­tens­te, was der Na­tur ge­lingt, ist ein Mann nach dem Her­zen Got­tes. Hier war ei­ner, in dem alle Vor­zü­ge des Geis­tes und des Lei­bes bei­sam­men la­gen. Wie fühl­te ich mich arm und leer und in mei­ner ge­prie­se­nen Schön­heit klein und schwarz und häss­lich mit ihm ver­gli­chen. Denn mein Liebs­ter trat hoch ein­her, über sei­ner ad­li­gen Stirn kraus­te sich das blon­de Haar, sein Auge war voll Kühn­heit und zu­gleich mil­de. In ihm paar­te sich die stol­ze Kraft des Nor­dens, aus dem sein Ge­schlecht stamm­te, mit der be­rücken­den An­mut des Sü­dens. Glau­be nicht, du frem­der Mann, dass ich noch wie ein ver­lieb­tes Mäd­chen schwär­me. Alle, Män­ner und Frau­en, sa­hen ihn so, wie ich ihn sah. Ihn fei­er­ten die Gro­ßen der Fe­der und die des De­gens, alle such­ten sie sei­ne Nähe, denn um ihn war Le­ben und Be­we­gung. Mit sei­nen Ga­ben, sei­nen Mit­teln schaff­te er sich al­lent­hal­ben Freun­de, Ver­eh­rer, Ruhm. Und die Frau­en! Da­von lass mich schwei­gen, ge­nug hab ich da­von ge­lit­ten!

      Wa­rum den Ho­hen schel­ten, dass er mehr war als ich und mich zer­bre­chen durf­te, als er mei­ner Er­ge­ben­heit müde war? Gott hat­te es ihm ge­ge­ben, dass er oben stand und ich un­ten.

      Du schüt­telst den Kopf und sagst, das Rang­ver­hält­nis sei ein ganz an­de­res ge­we­sen. Las­sen wir das gut sein, ich emp­fand es so. Darf Lie­be nicht ih­ren Ge­gen­stand er­he­ben bis über die Ster­ne hin­auf? Ihr Ge­gen­stand ist nicht der ir­di­sche Mensch, es ist sein ewi­ges Ur­bild, das sie in je­nem er­blickt. So lieb­te, so er­hob ich den Col­lal­ti­no.

      Wenn es hin­ter mir flüs­ter­te: Das ist die Ge­lieb­te des Col­lal­tin, so sprang mein Herz hoch auf vor Stolz, denn welch hö­he­ren Ehren­ti­tel konn­te es für mich ge­ben, moch­ten sie es auch an­ders mei­nen. Eine Ge­mah­lin wird oft aus welt­li­chen Rück­sich­ten ge­wählt, die Ge­lieb­te trägt die Kro­ne, sie wird ge­liebt.

      Lass mich noch in den be­sonn­ten Erin­ne­run­gen wei­ter su­chen. Bald nach je­ner ers­ten Be­geg­nung lud er mich samt dem nä­he­ren Freun­des­kreis, in dem er mich ken­nen­ge­lernt hat­te, auf sein Schloss an der Pia­ve. Ich wuss­te, die Ein­la­dung galt nur mir, die an­dern wuss­ten es auch. Sie wa­ren ge­fäl­lig und zer­streu­ten sich oft in dem wei­ten Park, wir bei­de blie­ben al­lein un­ter den Bäu­men auf der Wie­se. Da­mals sprach er mir zum ers­ten Mal von Lie­be. In ein Lor­beer­stämm­chen schnitt er mei­nen Na­men Anas­sil­la ein. Wur­de die süße Zwie­spra­che von Mund zu Mund ge­stört, so setz­te sie sich in So­net­ten fort, sie ström­ten uns bei­den, denn auch er war Dich­ter und war be­strebt, mich zu fei­ern und zu er­he­ben. Für die gan­ze Dau­er mei­ner Er­den­fahrt stand das Schloss am rau­schen­den Bergstrom, das den ge­lieb­tes­ten al­ler Men­schen be­her­berg­te, als nie wie­der er­reich­tes Wunsch­ziel vor den Au­gen mei­nes Geis­tes.

      Und du hast nie ge­hofft, als Her­rin dort zu woh­nen?

      Wenn mir in ei­ner schwa­chen Stun­de viel­leicht ein­mal sol­che Lo­ckun­gen vor­schweb­ten, so war es kein Rech­nen mit der Wirk­lich­keit, son­dern ein lie­bes Spiel der Ein­bil­dungs­kraft. Mein hö­he­res, mein un­be­wuss­tes Ich, das durch den Mund mei­ner Dich­tung sprach, hat es ja im­mer an­ders ge­kannt und an­ders ge­wollt. Das weiß ich jetzt erst mit vol­ler Klar­heit. Es woll­te den Col­lal­ti­no nicht für die kur­ze Le­bens­span­ne, es woll­te ihn für alle Zei­ten. Es woll­te ihn her­ein­zie­hen, ihn ein­spin­nen in das un­zer­reiß­li­che Ge­spinst mei­ner Lie­bes­lie­der. Und wie sich auch mein Leib­li­ches auf­bäum­te mit den glücks­durs­ti­gen Sin­nen, jene un­fass­ba­re Macht, die doch ich sel­ber war, woll­te es an­ders. Sie ließ mich alle die Miss­grif­fe be­ge­hen, die mit dem Über­maß des Ge­fühls – Angst, Arg­wohn, Ei­fer­sucht – das im­mer­wäh­ren­de Feu­er mei­ner Dich­tung nähr­ten, aber sei­ne Lie­be vor­zei­tig ab­kühl­ten. Col­lal­ti­no war ein Kind der Welt. Er leb­te auf der Erde mit ih­rem Ge­setz der An­zie­hung und Ab­sto­ßung. Ich leb­te im Him­mel und in der Höl­le der Poe­sie. Ich lern­te nicht das be­rech­ne­te Lie­bes­s­piel des ab­wech­selnd ge­lo­cker­ten und an­ge­spann­ten Fa­dens. Ich woll­te nur im­mer lie­ben, im­mer ge­liebt sein. Ich fühl­te ja wohl den Feh­ler, den ich be­ging, und dass er mit die­sem Sturm­lauf der Lei­den­schaft nicht Schritt hal­ten konn­te. Ach, es wa­ren die Feh­ler der ech­ten Lie­be, die sich nicht künst­lich be­tra­gen kann. Ich muss­te sein, wie ich war, ich konn­te nicht an­ders.

      Ja, Gas­pa­ri­na, der Dich­ter – denn auch ich bin ei­ner – ver­steht, dass sich das Dicht­er­herz die Schmer­zen der Lie­be zu­zie­hen muss, die noch schö­ner sind als ihre Freu­den, mag auch der ir­di­sche Leib dar­an zu­grun­de ge­hen. Dein Ge­ni­us, der auch dein Dä­mon war, hat es so ge­fügt. Er ließ dich die Feh­ler be­ge­hen, die dei­nem Glück ver­häng­nis­voll wa­ren, weil er dir ein hö­he­res auf­be­wahr­te. Hät­te Col­lal­ti­no dich zur Edelda­me und zur Schloss­her­rin von Col­lal­to ge­macht, so wäre dein Ruhm ver­blasst und dein Lor­beer wäre ver­welkt. Ein dau­ern­de­rer Schmuck war dir zu­ge­dacht und er ist dir ge­wor­den.

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