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Vergessen Sie dieses Haus, diese Berge, verwischen Sie Ihre Spuren hinter sich und tilgen Sie jede Erinnerung auch an mich … Sie sind in Gefahr … Sie würden dieses Haus lebend nie mehr verlassen, wenn …“ – er brach ab, – tiefe Verzweiflung prägte sich in seinen Zügen aus … „Oh, Sie werden natürlich alles Mögliche fragen, Sie werden mich bestürmen, Ihnen Aufschluß zu geben über mich und … und diese Burg, die Ihnen als ein Märchenschloß erscheinen mag …! Nichts könnte ich Ihnen beantworten, – nichts, Mr. Elsen …! Mein Mund ist tot wie meine Sehnerven … muß tot sein, – ich wollte, ich wäre auch taub und stumm, obwohl Ihnen das wie eine Versündigung erscheinen mag …“

      Er hatte sich an eine der Zinnen gelehnt. Er schob die Waffe in die Jackentasche und schüttelte sanft den ehrwürdigen Kopf. „Wie sind Sie nur hierher gelangt?! Das Turnbull-Feld ist ohne Wasser, und ich möchte die Abenteurer nicht zählen, die hier schon verschmachtet sind.“

      „Auch ich bin ein Abenteurer,“ erklärte ich sanft. „Trotzdem lebe ich immer noch. Mir ist das Abenteuer Ersatz für Verlorenes … Der Tod hat keine Schrecken für mich. Die, die ihn fliehen, verfallen ihm, die anderen belächeln ihn als Sieger und warten auf ihre letzte Stunde mit dem Fatalismus jener mohammedanischen Eroberer, die einst sogar das christliche Spanien bedrohten … Es ist lange her, die Helden sind tot, aber der Fatalismus wird nie aussterben, er ist der Kraftquell der Gleichgültigen.“

      Der Alte nickte unmerklich. „Sie werden also … bleiben?“ fragte er zögernd. „Vielleicht haben Sie Durst und Hunger gelitten, – ich will Sie tränken und speisen, und Sie sollen ein paar Tage hier eine Stätte der Zuflucht haben … ein paar Tage … Aber versprechen Sie mir: Am vierten Tage von heute werden Sie fliehen, – versprechen Sie es mir!“

      Seine Hand reckte sich vor, und er trat auf mich zu mit der Sicherheit eines Sehenden – und doch blind, nur daß er hier jeden Schritt kannte, jeden Meter Boden, jede Entfernung, jede Tür, jede Stufe …

      Wie lange mochte er hier Burgwart spielen, – und wer war Carrell, wer?!

      Ich legte meine Hand in die seine. Er senkte etwas den Kopf, als ob er lauschte.

      Dann sagte er traurig, und seine Finger schmiegten sich fester: „Ich höre Ihre Gedanken, Mr. Elsen … Sie wollen nicht fort von hier.“ Und nach einer kurzen Pause mit gänzlich veränderter Stimme: „Ich fühle aber auch, daß Sie ein Mann sind, der jenseits der scharfen Grenze von Halbheit steht. Sie wissen wohl, was ich damit sagen will … Ich schmeichele niemandem, Mr. Elsen … Dazu habe ich zuviel Trauriges erlebt. Lug und Trug hat mich in …. – aber lassen wir das. – Sie werden bleiben … Und wenn Sie Ihr Leben wagen wollen, dann … dann könnte … vielleicht … die Stunde der Vergeltung nahen …“

      Sein Gesicht neigte sich dem meinen zu. Er flüsterte nur noch, aber seine Worte zischten über die Lippen wie überhitzter Dampf: „Es kann eine Stunde der Vergeltung geben – es kann!! Mr. Elsen, aber – – es sind ihrer zwölf, und hinter ihnen stehen noch weitere Dutzende, und all diese würden Sie niemals schonen, wenn …“

      Ich lachte frei heraus. „Wenn die ersten zwölf hier jedoch endgültig abgetan würden, dann … dann?!“

      Seine Miene wurde unsicher.

      „Wissen Sie etwas über diese zwölf?“ fragte er in ungläubiger Hast.

      Ihn belügen?! – Er hoffte ja …! Er wollte Vergeltung durch mich, – ich war seine Hoffnung. Die zwölf waren seine Feinde … Mehr brauchte ich nicht zu wissen.

      „Ich weiß von Ihnen noch zu wenig,“ erklärte ich. „Aber am 3. September werden sie hier sein, und ihr Oberhaupt ist ein infamer Schurke namens …“

      Seine Linke hatte meinen Oberarm umspannt. Er hatte Kraft, der Greis, er konnte selbst ein Muskelbündel wie das meine zusammenpressen. Sein Gesicht hatte die Farbe verloren, es wirkte gespenstisch …

      „… Armand Dobber!“ schrie er … „Ja, Armand Dobber, das wollten Sie sagen.“

      „Das wollte ich sagen,“ – ich mußte ihn auffangen, die Erregung hatte ihn schwindlig gemacht, aber er riß sich wieder hoch.

      „Ah, – ich habe jeden Tag zu Gott gebetet: Schicke mir einen Mann, der mich rächt – – rächt!! Und eine Rache muß es sein, die den Untaten entspricht, die dieser Unmensch beging! – Mr. Elsen, – – Armand Dobber … hat mir das Augenlicht geraubt!!“

      Ich wich unwillkürlich zurück … Aber seine Finger hielten mich fest …

      „… Seit zwei Jahren hause ich hier, – zwei Jahre taste ich mich durch ewige Nacht und sehe nie mehr die Sonne, fühle sie nur, wenn ich hier oben meinen Gedanken nachhänge, – und es sind keine zahmen Gedanken … Ich war nie zahm, Mr. Elsen, ich stand überall meinen Mann, ich brauchte meine Ellbogen, Fäuste und Füße, um emporzukommen … Ich – – kam empor, ich wurde reich, angesehen, – meine Stimme hatte Geltung in ganz Nordaustralien …“

      Ein furchtbarer Verdacht kam mir da. Was wollte es besagen, daß ein gewisser Mann, um dessen Millionen der Stiefbruder ehrlos geworden, bei einer Segelfahrt tödlich verunglückt sein sollte, daß man nur das gekenterte Boot geborgen hatte?! Die Leiche war ja nie gefunden worden, hatte Achi betont, und Nr. 112 hatte es bestätigt.

      „Gott im Himmel, – sind Sie etwa Old Dobber?!“ – und jetzt lagen meine Hände auf seinen Schultern.

      Seine bläulichen toten Augen starrten dorthin, wo soeben die ersten Sonnenstrahlen sich zeigten …

      Er fühlte sie nur, der Ärmste, aber er … lächelte …

      „Die Sonne!“ sagte er glückselig. „Sie kennen auch meinen Namen …! Ja, ich bin Old Dobber aus Palmerston …! Ich bin es noch immer … Ich habe noch immer die Zähigkeit des wilden Ehrgeizes, mit der ich mich durchsetzte … – Kommen Sie, kommen Sie … – Sie sollen das Beste haben, was meine Küche bietet … Sie sollen, – – nein, kommen Sie …! Nicht hier wollen wir stehen, wo die Sonne und das grelle Licht uns verraten könnten …“

      Er schritt mir voran, er ging wie ein Sehender, er führte mich den Sehenden in die Küche hinab, wo ich die ersten Anzeichen der Anwesenheit eines Menschen gespürt hatte.

      Durch die kleinen Fenster drang die Tageshelle. Dort, wo die Wände der Küche nicht mit Kasuarinenstauden verkleidet waren, wo die Salzblöcke frei lagen, schimmerten diese wie Eismauern, die von einer Seite beleuchtet werden. Sie schimmerten in mattem Glanz wie blasse Opale, und ihre Farbe erinnert an die Augen Old Dobbers, der mit der Kaffeemühle zwischen den Schenkeln auf einem Schemel hockt und die Mühle dreht und erzählt … Es wird Bohnenkaffee geben. Ich wollte die Bohnen mahlen, aber der Millionär lehnte energisch ab. „Die Mühle hat ihre Tücken, wie die Menschen, Mr. Elsen,“ sagte er bissig und doch energisch-lebensbejahend. „Wenn Sie mahlen würden, rutschen ganze Bohnen mit durch. Es ist ein Trick dabei.“

      Ich gab auf das Wasser und den Spirituskocher acht. – Ich sage Wasser, und es war sogar Wasser ohne jeden Natrongeschmack. Unten in den Naturkellern der Burg ist eine Zisterne, hat mich Old Dobber stolz belehrt.

      Er erzählt. Zwei Jahre, – mehr noch – liegen die Dinge zurück. Ihm bleiben sie Gegenwart, denn er fand damals seine Schicksalsstunde.

      12. Kapitel

       Bensons Sarg

       Inhaltsverzeichnis

      „Ich war es gewohnt, mit meiner kleinen halbgedeckten Segeljacht stets allein von Palmerston nach der Darwin-Insel hinüberzusegeln. Die Insel gehört mir, ich habe dort eine Versuchszuchtanstalt für Widder eingerichtet. Am dritten August wollte ich wieder hinüber. Auf der Jacht befanden sich ausnahmsweise zwei meiner Angestellten, zwei Australneger, jüngere, intelligente Leute. Das Wetter war ruhig, der Wind günstig. Die Insel erreicht man bequem in vier Stunden. Als wir außer Sicht des Landes waren, kam uns ein Motorkutter entgegen. Plötzlich krachten Schüsse,

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