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Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Год выпуска 0
isbn 9788075835246
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Seine Niederschrift enthüllte die grauenvolle Tragik eines Menschenlebens, das hier in dieser Burg geendet hatte. Von ihm stammte auch die Inschrift über dem Tore:
Ihr, die ihr hier eintretet,
lasset alle Hoffnung hinter euch.
11. Kapitel
Old Dobber
Arthur Benson, von den Schwarzen gesund gepflegt, machte die entsetzliche Entdeckung, daß er sich irgendwo die Lepra, den Aussatz, geholt hatte, vielleicht in einem Hafenort der Küste, vielleicht erst während der Expedition. Seine Nase war verfärbt, zeigte Borkenbildung, – und Benson war ein Todgeweihter. Er wußte dies, – er hoffte auch nicht auf Rückkehr in bewohnte Gegenden, er befand sich mit den Schwarzen in unerforschten Einöden der von Marbuton aufgefundenen Emily-Springs am Westrande der Turnbull-Wüste. Er hoffte auf nichts mehr, und doch suchte er die Sammlungen zu retten. Leider hatten die Neger inzwischen schon Edgar Wells’ Tagebücher verbrannt. So zog er denn mit den vierzig Schwarzen, Männern, Weibern, Kindern nach dem Sommerquartier der Schar: Den Bergen im Turnbull-Feld. – Er erblickte als erster Weißer die Salzschneehäupter der Bergkette, er ein für die Welt Verlorener, ein Leprakranker, ließ von den Negern die Burg erbauen. Seine technischen Kenntnisse, seine Herzensgüte machten ihn für die Naturkinder zum Gott. Drei Jahre dauerte es, bis der Bau vollendet, drei Jahre ließ Arthur Benson keinen seiner Retter allzu dicht an sich heran, um sie nicht anzustecken. Alle Vorsicht half nichts: Auch seine Getreuen erkrankten. Er selbst schrieb seine letzte Seite in seinem Tagebuch im Jahre 1920, – Monat und Tag wußte er nicht genau:
„Wir sind sämtlich krank. Sechs bereits tot. Auch ich fühle den Tod nahen. Unsere Leiber sind verseucht, verstümmelt, verfault, wir leben uns selbst zum Grauen. Ich habe nicht mehr die Kraft, diese letzten Monate zu schildern. Sollte je ein Europäer hierher gelangen, so mache ich es ihm zur heiligen Pflicht, die Sammlungen nach London zu bringen. Die Kosten möge er durch das Gold decken, das wir in all diesen Jahren gesammelt haben. Es sind drei Holzkisten voll Nuggets (Goldklumpen), das Körnergold haben wir an der Fundstelle gelassen. Ich schätze den Wert der drei Kisten auf eine halbe Million. Sie liegen in dem westlichen K…“
Hier brachen die immer undeutlicheren Schriftzüge plötzlich ab.
Arthur Benson war gestorben, – und wo hatten die Holzkisten gelagert?! Lebte noch einer der Unglücklichen?! Und – lebte auch nur noch ein einziger, so war ich selbst in Gefahr, mich hier anzustecken …
Gefahr – – für mich?! Was war mir schließlich das Leben – für mich?!
Ich legte Bensons Heft auf den Tisch zurück.
Ich durchschritt die Zimmer des Erdgeschosses, acht Räume, ausgestattet mit ähnlichen Möbeln.
Keine Menschenseele.
Zuletzt kam ich in die im Westturm gelegene große Küche. Hier fand ich die ersten Anzeichen für die Anwesenheit eines Menschen: Auf dem Tisch stand ein Blechnapf, noch halb gefüllt mit einem Tee aus australischer Pfefferminze, daneben Messer und Gabel, ein Paar, abgenutzt, – daneben ein Teller aus gebranntem Lehm mit Resten einer Kaninchenlende.
Es lebte noch einer der Unglücklichen. – Einer nur?! Ein Neger?!
Eine Treppe lief vom Hauptflur in den Oberstock. Als ich hier das dritte Zimmer betrat, fand ich … einen schlafenden Greis auf einem Fellbett, einen weißhaarigen, sonngebräunten Europäer.
Und – er schlief. Selbst der Lichtschein meiner Laterne weckte ihn nicht. Ich betrachtete ihn, seinen zerschlissenen Leinenanzug, seine gramvollen, hageren Züge.
Der Mann war jedoch gesund. Nirgends an Händen, Hals, Gesicht bemerkte ich Aussatzgeschwüre. Seine Hände waren sauber, der Vollbart und das Haupthaar mit einer Schere unsachgemäß gestutzt.
Dieses Zimmer war seine Wohnung, – Kleinigkeiten verrieten es: Da waren Kämme, Bürsten, – da war allerlei, das einem Einsamen genügt.
Er schlief.
Leise entfernte ich mich, durchsuchte noch die anderen Räume und fand niemand mehr vor. Ich erstieg den Ostturm, – die Dämmerung zog gerade herauf. Der Horizont lichtete sich, die seltsam klare Beleuchtung, die dem Aufgang der Sonne vorauszugehen pflegt, zeigte mir das Tal in all seiner eigenartigen Schönheit. Die Salzkrusten der Berge schimmerten weiß wie Gletscher, die Streifen der Salzablagerungen machten die Täuschung von Sturzbächen vollkommen. Das dunkle Gestein, zerrissen, zerklüftet, – die schroffen Wände, die schmalen Terrassen mit dürftiger Vegetation, – und dann hinten im Talwinkel freundliches helles Grün frischer Gräser und Sträucher und Bäume: Ein Paradies für diese Einöden! Aber:
Lasset alle Hoffnung hinter euch!
Unglückliche hatten hier Jahrzehnte auf den Tod gewartet, hatten ihre Glieder verfaulen sehen, hatten trotzdem fast Unwirkliches geschaffen: Neger, geleitet durch die Intelligenz eines Mannes, der aus der Wildnis ein Schloß hervorzauberte …!! Eine Burg mit bescheidener Inneneinrichtung, – ein Bauwerk aus Salzblöcken, die der Witterung trotzten …: Ein Wunder!!
Arthur Benson mußte ein gewaltiger Geist gewesen sein, einer jener Pioniere, wie sie selten sind, ein Genie, das aus dem Nichts Großes schuf, das die natürlichen Hilfsmittel des Landes weise ausnutzte. Ein Architekt, ein Dekorateur mit „Stilempfinden“, wie man wohl zu sagen pflegt, hätten freilich Bensons Werk arrogant belächelt. Für die Leute „vom Fach“ ist Kunst ja nur das, was sie dafür halten, sie oder eine Rotte sogenannter Kritiker mit „Fachbildung“. Daß Kunst etwas ganz anderes ist, daß es nur auf die Wirkung eines Werkes auf die breitesten Schichten ankommt, werden diese Herrschaften nie begreifen und auch nicht begreifen wollen, denn sie müssen ja dem „Volke“ die wahren Richtlinien künstlerischen Verständnisses – natürlich gegen entsprechende Bezahlung – klarlegen … was sie so Richtlinien nennen. Arthur Benson hätte vor diesen Göttern nie bestanden, – Götter lieben das Urwüchsige-Natürliche nicht, in ihrem Tempel bauen sie sich selbst Götzen, behängen sie mit dem billigen Flitter saftloser Phrasen und wüten gegen die, die eben abseits vom Wege für das simple Verständnis der Massen arbeiten und sich den Teufel was um die Herren vom „Fach“ scheren … –
Dieses berauschende Morgenbild, diese wundervolle Köstlichkeit der Morgenstunde allein zu genießen – allein, das erst öffnete Herz und Seele, das erst versöhnte mit vielem, mit allem, was so tot und zerbrochen hinter mir lag.
Hinter mir …
Hinter mir da eine matte brüchige Stimme, in der lediglich ein tiefes Staunen vibrierte:
„Wer sind Sie?“
Englisch …
Und nochmals, dringender: „Sind Sie’s, Carrell?!“
Der Greis stand hinter mir, in der halb erhobenen Hand eine Pistole. Seine Augen waren zu engen Schlitzen zusammengekniffen, – diese Augen hatten eine seltsame Beweglichkeit, irrten umher …
„Ich bin nicht Carrell,“ sagte ich höflich. „Ein Zufall hat mich hierher geführt. Mein Name ist … Elsen …“
Der Greis erschrak sichtlich …
„Ein Fremder – hier?! War denn das Tor offen …?“
Sein Blick starrte mich an … Die Lider öffneten sich …
Weißbläuliche Augäpfel!!
Der Mann war blind.
Nun fragte ich: „Und Sie, – wer sind Sie?! Sind Sie Arthur Benson?“
Ein bitteres, ein unsäglich bitteres Lächeln umspielte den bärtigen Mund.
„Ich wünschte, ich wär’s, Mr. Elsen … Aber der Tod ist nicht