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dann setzte er rasch hinzu: »In Ihrem Fall besteht auch noch die Möglichkeit einer Knochenmarktransplantation. Diese Therapie birgt gewisse Gefahren, aber Professor Thiersch meint, daß gerade bei Ihnen die Chancen auf eine vollständige Heilung sehr gut stünden.«

      Leandra runzelte die Stirn. »Knochenmarktransplantation.« Sie schüttelte den Kopf. »Davon verstehe ich nichts.«

      Dr. Scheibler zwang sich zu einem Lächeln. »Es würde auch zu weit führen, Ihnen das genau erklären zu wollen. Wichtig ist nur eines: Das Knochenmark muß von einem nahen Verwandten stammen – am besten von der Mutter oder von den Geschwistern – da sonst die Gefahr der Abstoßung besteht.«

      Leandras Gesicht versteinerte. »Dann können Sie das Ganze gleich vergessen. Ich wurde als Baby adoptiert und weiß nicht, wer meine leiblichen Eltern sind.«

      Dr. Scheibler war sichtlich geschockt, versuchte diese Tatsache aber zu überspielen. Er konnte der jungen Patientin unmöglich sagen, daß eine Knochenmarktransplantation tatsächlich die einzige Möglichkeit war, sie zu heilen. Mit Medikamenten konnte man in Leandras Fall nur versuchen, den rasch fortschreitenden Zellverfall aufzuhalten.

      »Das ist ein Todesurteil, nicht wahr?« flüsterte Leandra.

      Rasch schüttelte Dr. Scheibler den Kopf. »Ganz und gar nicht, Frau Krenn. Es ist nur…«

      Leandra wandte den Kopf ab und blickte ins Leere.

      »Wissen Sie, was ich mir immer gewünscht habe?« fiel sie dem Arzt ins Wort. »Ich wollte heiraten. Eine ganz große, festliche Hochzeit sollte es sein.« Jetzt wandte sie sich Dr. Scheibler wieder zu. »Ich bin verlobt. Vor zwei Monaten haben Christian und ich Verlobung gefeiert. Kennen Sie Christian?«

      Dr. Scheibler erinnerte sich an einen sympathischen jungen Mann mit blonden Locken und sanften grauen Augen.

      »Ja, Frau Krenn, ich habe ihn einige Male gesehen, wenn er Sie besucht hat. Er scheint mir ein sehr netter Mann zu sein.«

      Leandra nickte. »Er ist das Wichtigste in meinem Leben. Wir lieben uns sehr, und nächstes Jahr wollten wir heiraten.« Sie sah den Arzt scharf an. »Werde ich nächstes Jahr noch leben?«

      Die Frage kam so überraschend, daß Dr. Scheibler unwillkürlich zusammenzuckte.

      »Ja…«, brachte er mühsam hervor. »Ja, natürlich.«

      Leandra schien seine Worte gar nicht gehört zu haben. »Und dann wollten wir Kinder haben – viele Kinder. Wir lieben Kinder.« Sie schwieg einen Moment. »Wissen Sie, wie sehr ich mich danach sehne, ein Baby im Arm zu halten? Mein Baby! Das Baby, das ich geboren habe!« Tränen liefen über ihr zartes Gesicht. »Und nun werde ich das alles nie erleben dürfen.« Sie schluchzte auf, dann vergrub sie das Gesicht im Kissen und begann haltlos zu weinen. Und dabei krallten sich ihre Finger in das Kissen, als wollte sie damit ihr Leben festhalten.

      Dr. Scheibler konnte diese Qual nicht länger mit ansehen. Nahezu fluchtartig verließ er das Zimmer, wies die Nachtschwester an, Frau Krenn ein Beruhigungsmittel zu spritzen und schloß sich dann im Ärztezimmer ein. Doch Leandras Worte verfolgten ihn.

      Heiraten…, ein Kind…

      Sie hatte recht. Sie würde niemals ein Kind haben können.

      *

      Helga und Manfred Krenn waren zutiefst erschüttert, als sie vom Stationsarzt erfuhren, wie es um ihre Adoptivtochter stand.

      »Mit Zytostatika können wir den Zellverfall zwar aufhalten, aber heilen können wir Ihre Tochter damit nicht«, erklärte Dr. Scheibler, und man spürte, daß ihm jedes Wort schwerfiel. Wie konnte ein achtzehnjähriges Mädchen nur mit einer solchen Krankheit geschlagen sein? »Eine wirkliche Heilungschance hat Frau Krenn nur dann, wenn wir eine Knochenmarktransplantation durchführen können.«

      Verzweifelt schüttelte Helga Krenn den Kopf. »Das hat uns Leandra schon gesagt, aber… wir haben sie als Baby adoptiert. Irgendein entfernter Verwandter der Mutter hat die Formalitäten erledigt, weil die Mutter unter allen Umständen unbekannt bleiben wollte. Wir konnten nur in Erfahrung bringen, daß es sich offenbar um eine adlige junge Dame gehandelt hat, deren Ruf nicht in Mißkredit gebracht werden sollte.« Sie senkte den Kopf. »Leandra hat davon keine Ahnung. Wir wollten sie nicht damit belasten.«

      Dr. Scheibler strich sich mit einer Hand über die Stirn. Es war eine Geste, die seine ganze Niedergeschlagenheit ausdrückte. Er hatte so sehr gehofft, daß wenigstens die Adoptiveltern des Mädchens seine leibliche Mutter kennen würden.

      »Wir können natürlich versuchen, einen Spender mit sehr ähnlichem Gewebetyp zu finden, aber… ich will ehrlich sein, die Chancen sind dann sehr gering.«

      Das Ehepaar Krenn erstarrte förmlich. Erst jetzt begriffen sie, was der Arzt die ganze Zeit mitzuteilen versuchte.

      »Heißt das, unsere Tochter wird… sterben?« brachte Manfred Krenn mühsam hervor.

      »Wir werden natürlich alles tun, damit dieser Fall nicht eintritt«, wich Dr. Scheibler aus. »Aber…«

      »Es ist sinnlos.«

      Die unerwartete Stimme ließ alle drei herumfahren. Hochaufgerichtet stand Leandra in der geöffneten Tür. Niemand hatte sie hereinkommen hören.

      »Ich werde die Klinik verlassen – auf eigenen Wunsch«, erklärte sie jetzt mit Bestimmtheit.

      »Aber… das ist Wahnsinn!« begehrte Dr. Scheibler auf. »Außerhalb der Klinik haben Sie nicht die geringste Chance zu überleben!«

      »Hier habe ich auch keine«, entgegnete Leandra bitter. »Ich habe mir Bücher besorgen lassen – über Zytostatika.« Sie schüttelte den Kopf. »Damit lasse ich mich nicht behandeln. Ich werde die Klinik noch heute verlassen.«

      »Damit sprechen Sie Ihr eigenes Todesurteil«, erklärte der Chefarzt, der ebenfalls hinzugekommen war. »Bleiben Sie hier, und lassen Sie sich behandeln. Andernfalls sind Sie in spätestens einem Jahr tot.«

      Der harte, ruppige Ton des Professors traf Leandra bis ins Innerste. Sie hatte sich ja von Anfang an ein wenig vor diesem Mann gefürchtet. Jetzt erschien er ihr wie das personifizierte Unheil. Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück.

      »Was ist? Habe ich Sie erschreckt?« fuhr Professor Thiersch fort. Dann nickte er. »Das ist gut so. Sie machen sich von Ihrer Krankheit vermutlich eine falsche Vorstellung. Es ist nicht so, daß Sie nach einem Jahr ruhig und friedlich sterben werden. Sie werden Schmerzen haben. Sie werden die Hölle durchleiden. Wollen Sie das wirklich riskieren?«

      Leandra schluckte. So hatte sie es sich tatsächlich nicht vorgestellt. Tränen traten in ihre Augen.

      »Aber ich werde doch sowieso sterben«, schluchzte sie auf. »Nur eine Knochenmarktransplantation könnte mich retten, und die ist nicht möglich.«

      »Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht«, versprach der Professor, und dabei klang seine Stimme schon merkwürdig ruhiger.

      Leandra zögerte, doch dann hob sie entschlossen den Kopf. »Darauf lasse ich es nicht ankommen. Ich lasse mich nicht mit Medikamenten zugrunde richten. Ich kenne die Nebenwirkungen von Zytostatika. Nein, Herr Professor, da sterbe ich lieber in einem Jahr. Und wenn die Schmerzen kommen, die Sie mir angekündigt haben, dann werde ich Mittel und Wege finden, um mich davon zu erlösen.«

      Abrupt wandte sich Professor ­Thiersch um. »Ihnen ist wirklich nicht zu helfen.«

      Helga Krenn sah dem Chefarzt nach, dann wandte sie sich ihrer Tochter zu.

      »Leandra, bitte, laß dir doch helfen«, flehte sie. »Bleib hier in dieser Klinik und…«

      Doch das junge Mädchen schüttelte den Kopf. »Christian und ich haben gestern über alles gesprochen. Wir werden heiraten, und dann wollen wir ein Kind haben. Ein Jahr hat mir der Professor gegeben – das reicht. Und wenn ich gehen muß, dann wird Chris wenigstens nicht ganz allein sein.«

      »Das wollen Sie tun?«

      Leandra erschrak,

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