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schließlich. »Ich werde mir den Burschen am Mittwoch anschauen, aber ich will ehrlich sein – ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache. Und wenn ich merke, daß dieser Scheibler Unfrieden zu stiften versucht, dann fliegt er.«

      *

      Die Nachmittagssprechstunde war gerade zu Ende, als Dr. Daniel unverhofften Besuch von Oliver Gerhardt bekam.

      »Herr Doktor, was haben Sie mit meiner Frau gemacht?« stieß er hervor, kaum daß er die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Sie ist seit gestern wie umgewandelt.«

      Dr. Daniel lächelte. »Hat sie Ihnen denn nichts erzählt?«

      »Doch, daß Sie sie behandeln, aber… was ist das eigentlich für ein Medikament? Ein Beruhigungsmittel?«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Keine Angst, Herr Gerhardt, es ist nichts, was Ihrer Frau schaden könnte. Bitte, setzen Sie sich, dann werde ich Ihnen alles erklären.«

      Doch Oliver war zu aufgeregt, um stillsitzen zu können, und so nahm er nur auf der Vorderkante des Sessels Platz – bereit, jederzeit wieder aufzuspringen.

      »Ihr Urlaub scheint nicht sehr zufriedenstellend verlaufen zu sein«, begann Dr. Daniel.

      Oliver senkte den Kopf. »Anfangs lief es ganz gut, obwohl ich bemerkte, daß Patricia nur für ihren Wunsch nach einem Baby lebte. Dann, auf Teneriffa, hatten wir tatsächlich ein paar Tage, in denen ich Patricias Liebe spürte… eine Liebe, die einmal nur mir galt. Doch das dauerte nicht lange… genau bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihre Tage wieder bekam. Plötzlich war es schlimmer als je zuvor. Sie steigerte sich in den Gedanken, unfruchtbar zu sein, dermaßen hinein, daß ich es einfach nicht mehr aushielt.« Er zuckte hilflos die Schultern. »Ich habe ihr gesagt, sie solle sich künstlich befruchten lassen, damit das Theater endlich aufhören würde.«

      Dr. Daniel nickte. »So ähnlich habe ich es mir vorgestellt. Als Ihre Frau gestern zu mir in die Sprechstunde kam, befand sie sich in einem Stadium, wo nur noch ein Psychiater hätte helfen können, aber eine solche Belastung wollte ich weder ihr noch Ihnen zumuten. Psychiatrie hat nichts mit Verrücktsein zu tun, aber es wird leider immer noch so gesehen. Und dann kam mir die Idee mit dem Placebo-Effekt.«

      Verständnislos sah Oliver ihn an. »Was für ein Effekt?«

      »Es ist mehrfach passiert, daß kranke Menschen gesund wurden, obwohl die Medikamente, die sie bekamen, keinen Wirkstoff enthielten, der die Krankheit wirklich zu heilen vermochte«, erklärte Dr. Daniel. »Verstehen Sie, was ich meine?«

      Oliver nickte. »Ja, davon habe ich schon gehört. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie das bei meiner Frau funktionieren soll. Sie ist ja nicht krank.«

      »Nein, aber sie ist besessen von dem Gedanken, daß sie keinen Eisprung mehr hat und deshalb kein Kind bekommen kann. Sie bekommt jetzt zweimal wöchentlich von mir ein harmloses Vitaminpräparat gespritzt. Sie meint aber, daß es sich dabei um ein Medikament handelt, das den Eisprung fördert. Darüber hinaus habe ich behauptet, daß die Wirksamkeit des Medikaments noch gesteigert werden könnte, wenn Ihre Frau sich entspannt und sich ganz ihren Gefühlen hingibt.« Er lächelte. »Ich muß recht überzeugend gewesen sein, denn sie hat mir tatsächlich jedes Wort geglaubt.«

      »Und sie verhält sich genauso, wie Sie es ihr gesagt haben«, fügte Oliver hinzu. »Meine Güte, ich hätte sie seit gestern fast nicht wiedererkannt. Anscheinend ist jetzt alle Last von ihr genommen, weil sie glaubt, die Spritzen würden das mit ihrem Eisprung regeln.«

      Dr. Daniel nickte. »Genauso ist es.«

      Oliver wurde wieder ernst. »Aber sie wird doch bald merken, daß sich nichts ändert… daß sie nach wie vor keinen Eisprung hat.«

      »Wer sagt das?« fragte Dr. Daniel zurück. »Ich bin sicher, daß sich der Zyklus bei Ihrer Frau von ganz allein wieder einspielen wird, wenn sie erst aufhört, sich einen psychischen Zwang aufzuerlegen.«

      Oliver senkte den Kopf. »Hoffentlich haben Sie recht, denn wenn Patricia merkt, daß sie trotz der Spritzen nicht schwanger wird, dann… dann wird alles noch viel schlimmer werden.«

      *

      Mit sehr gemischten Gefühlen sah Dr. Scheibler seinem Gespräch mit Dr. Daniel und dem künftigen Chefarzt der Steinhausener Klinik entgegen.

      »Herr Scheibler, ich freue mich, daß Sie gekommen sind«, meinte Dr. Daniel, als er dem jungen Arzt die Tür geöffnet hatte. »Gehen wir nach oben. Dr. Metzler wird auch bald eintreffen.«

      »Ich habe ein bißchen Angst«, gestand Dr. Scheibler. »Immerhin hat Ihr Freund auch abgelehnt, mich einzustellen, und ich glaube nicht, daß dieser Dr. Metzler anders reagiereen wird, wenn er erst erfährt, wer ich bin.«

      »Das weiß er schon«, entgegnete Dr. Daniel. »Und was Dr. Sommer betrifft: Er sagte schon vorher, daß sein Team komplett wäre. Die Ablehnung hatte also im Grunde nichts mit Ihrer Person zu tun.«

      Dr. Scheibler senkte den Kopf. »Danke, daß Sie mir Mut machen wollen.« Dann fiel ihm ein, daß er bei seinem letzten Besuch etwas vergessen hatte. »Ich sollte Sie am Freitag übrigens noch von einer Frau Gröber grüßen. Sie hat gesagt, Sie möchten sich mal wieder oben auf dem Hof sehen lassen.«

      Dr. Daniel lächelte. Er erinnerte sich noch gut an die verzweifelte junge Frau, die schwanger nach Steinhausen gekommen war und damals beim hiesigen Pfarrer Wenninger Unterschlupf gefunden hatte. Dann hatte Claudia auf dem Gröber-Hof als Wirtschafterin ausgeholfen, und dort war die Liebe zwischen ihr und dem ältesten Sohn Martin gewachsen. Und nun erwarteten die beiden Nachwuchs.

      »Claudia war ein richtiges Stadtkind«, erklärte er. »Unvorstellbar, nicht wahr?«

      Dr. Scheibler nickte. »Es war eigenartig. Ich habe dort oben… nein, eigentlich schon auf dem Weg dorthin eine seltsame Zufriedenheit gefühlt.«

      Da mußte Dr. Daniel lächeln. »Ich glaube, Sie würden gut nach Steinhausen passen, und ich bin auch sicher, daß Sie sich hier wohl fühlen würden.«

      Dr. Scheibler zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Sicher, es ist ein sehr idyllisches Fleckchen Erde, aber auf Dauer…«

      Er kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden, denn in diesem Moment klingelte es.

      »Ach, das wird Wolfgang sein«, meinte Dr. Daniel und lief nach unten, um zu öffnen.

      Wieder fühlte Dr. Scheibler Nervosität aufsteigen, und die verstärkte sich noch, als Dr. Metzler zur Tür hereinkam.

      »Guten Tag, Herr Kollege«, grüßte er, während er Dr. Scheibler mit kräftigem Händedruck begrüßte. Und ein Blick in sein markantes Gesicht genügte dem jungen Arzt, um zu erkennen, daß Dr. Metzler eine gewisse Ähnlichkeit mit Professor Thiersch hatte. Der Ton, in dem er sprach, war bestimmt und seine Ausstrahlung respekteinflößend.

      »Setzen wir uns doch«, schlug Dr. Daniel vor, um die noch etwas gespannte Atmosphäre ein wenig aufzulockern.

      Die drei Männer nahmen Platz, und dann ergriff Dr. Scheibler auch gleich das Wort.

      »Sie wissen, weshalb ich die

      Thiersch-Klinik verlassen mußte«, begann er. »Ich habe versucht, dem Oberarzt einen Fehler zu unterstellen.«

      Dr. Metzler nickte. »Ja, das ist mir bekannt. Allerdings weiß ich inzwischen auch, welch ein erstklassiger Arzt Sie sind.«

      Mit offenem Erstaunen sah Dr. Daniel ihn an. Dr. Metzler bemerkte den Blick und lächelte.

      »Ich habe mich informiert«, gab er zu. »Schließlich wollte ich wissen, mit wem ich künftig zusammenarbeiten werde.«

      Dr. Scheibler brauchte ein paar Sekunden, um diese Worte aufzunehmen.

      »Heißt das… ich darf in der Waldsee-Klinik bei Ihnen arbeiten?« vergewisserte er sich.

      Dr. Metzler nickte, dann streckte er die rechte Hand aus. »Auf eine gute Zusammenarbeit, Herr Kollege.«

      Dr. Scheibler atmete auf. »Danke.

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