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sollte Dr. Scheibler erfahren, wo er künftig tätig sein würde. Die herrliche Lage der Klinik begeisterte ihn zwar, dennoch meldete sich jetzt, da er wieder eine Stellung hatte, doch eine leise Wehmut in ihm, denn obwohl es ihm hier in Steinhausen gut gefiel, sehnte er sich schon nach der Stadt zurück – und vor allem nach einer großen Klinik, in der er Aufstiegsmöglichkeiten haben würde.

      »Ich glaube, für immer werde ich nicht hierbleiben.« Er sprach die Worte aus, ohne es wirklich gewollt zu haben.

      Dr. Metzler sah ihn scharf an. »Was soll das heißen?« fragte er irritiert.

      Offen erwiderte Dr. Scheibler seinen Blick. »Das heißt, daß ich irgendwann wieder an eine große Klinik wechseln möchte.«

      »Das ist doch wirklich nicht zu fassen!« brauste Dr. Metzler auf. »Da wird Ihnen trotz Ihres unmöglichen Verhaltens wieder eine Stellung angeboten, und Sie danken es auf diese Weise. Mein lieber Freund, Sie haben nur Glück, daß ich auf dem Land großgeworden bin. Deshalb zählt für mich ein Handschlag nämlich mehr als jeder schriftliche Vertrag. Wäre das nicht so, dann würde ich mein Angebot von vorhin auf der Stelle zurückziehen und Sie zum Teufel schicken.«

      »So war das nicht gemeint«, beteuerte Dr. Scheibler. »Es ist nur… ich habe meine Ziele, und die möchte ich nicht völlig aus den Augen verlieren – auch wenn es im Moment nicht gut um mich steht.«

      Es war ein vernichtender Blick, mit dem Dr. Metzler ihn jetzt musterte.

      »Dann weiß ich ja wenigstens Bescheid«, erklärte er, und dabei schwang in seiner Stimme ein eigenartiger Unterton mit. »Sie werden die Waldsee-Klinik also nur so lange mit Ihrer Anwesenheit beehren, bis Gras über die Sache gewachsen ist.«

      Dr. Scheibler senkte den Kopf.

      »So ungefähr«, gab er ehrlich zu, dann sah er Dr. Metzler bittend an. »Seien Sie mir nicht böse. Es ist nicht so, daß ich undankbar bin. Ich weiß es sehr zu schätzen, daß Sie mir helfen, aber an der Waldsee-Klinik sehe ich nun mal keine Aufstiegsmöglichkeiten. Sie werden Chefarzt sein, und Sie sind nur wenig älter als ich. Bitte, versuchen Sie, mich zu verstehen. Ich will nicht mein Leben lang…«

      »Sparen Sie sich jedes weitere Wort«, unterbrach Dr. Metzler ihn. »Es ist gut, daß ich Ihre Einstellung jetzt kenne.« Er sah Dr. Scheibler mit durchdringendem Blick an. »Für Sie zählt nur die Karriere, aber nicht der Kranke.«

      Heiße Verlegenheit stieg in Dr. Scheibler hoch. Nahezu dieselben Worte hatte auch Rabea einmal gebraucht – und das war noch gar nicht so lange her. Und als er jetzt dem eisigen Blick seines neuen Chefarztes begegnete, da konnte er sich ausmalen, daß die Zusammenarbeit mit Dr. Metzler alles andere als erfreulich für ihn sein würde.

      *

      »Mein lieber Robert, da hast du mir ja was eingebrockt«, erklärte Dr. Metzler ärgerlich.

      Unmittelbar nachdem Dr. Scheibler seine Fahrt nach München angetreten hatte, hatte Wolfgang die Villa seines Freundes Dr. Daniel wieder betreten.

      »Der Kerl will hier nur abwarten, bis Gras über die Sache gewachsen ist, dann wird er der Waldsee-Klinik den Rücken kehren, um weiter an seiner Karriere zu arbeiten«, fuhr Dr. Metzler fort.

      Doch damit konnte er Dr. Daniel nicht aus der Ruhe bringen.

      »Abwarten, Wolfgang«, meinte der. »Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Mag sein, daß Dr. Scheibler jetzt wirklich so denkt, aber ich bin sicher, daß er es sich bald anders überlegen wird. Ich habe gespürt, daß er sich hier wohlfühlt. Stell dir vor, er war am Freitag beim Gröber-Hof oben, und heute hat er mir gegenüber offen zugegeben, daß er noch nie eine so tiefe Zufriedenheit gefühlt hat wie da droben.«

      »Ich hasse es, wenn man bei einem Menschen nicht weiß, woran man ist«, knurrte Metzler. »Und ich fürchte, zwischen diesem Scheibler und mir werden noch einige Male ganz gehörig die Fetzen fliegen.«

      Dr. Daniel grinste. »Du bist ja doch ein Hitzkopf, Wolfgang – genauso wie früher.«

      »Nein, ich kann mich sogar sehr gut beherrschen, sonst hätte ich den Burschen heute schon umgewuchtet, nachdem er mir kaltlächelnd erklärte, daß er nicht auf Dauer hierbleiben will.«

      »Übertreibst du da nicht ein bißchen?« fragte Dr. Daniel ruhig. »Schau mal, Wolfgang, der Junge ist siebenunddreißig und sieht sich momentan am Ende seiner Karriere. Das kann er nicht einfach so hinnehmen. Er will Oberarzt werden und irgendwann auch Chefarzt. Dazu wird er aber niemals Gelegenheit haben, wenn du ihm als Chefarzt vor der Nase sitzt.«

      »Wer sagt denn überhaupt, daß ich Chefarzt der Waldsee-Klinik sein werde?« fragte Dr. Metzler.

      Dr. Daniel zuckte die Schultern. »Das wolltest du doch immer.«

      »Ja, schon, aber…«

      »Was ist los, Wolfgang? Bekommst du plötzlich Angst vor deiner eigenen Courage?« Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Dazu ist es jetzt zu spät. In ein paar Monaten wird die Klinik stehen, und dann mußt du beweisen, was du kannst.«

      Dr. Metzler seufzte. »Ich habe keine Angst, Robert, aber… na ja, lassen wir das Ganze erst mal auf uns zukommen.«

      *

      Dr. Metzler war noch keine fünf Minuten weg, als bei Dr. Daniel das Telefon klingelte.

      »Meine Güte, hier geht es ja wirklich zu wie in einem Taubenschlag«, schimpfte Irene. »Die Besucher geben sich die Türklinke in die Hand, und dann rasselt auch noch ständig dieser blöde Kasten.«

      »Beruhige dich, Irenchen, irgendwann wird auch bei uns wieder Ruhe einkehren«, meinte Dr. Daniel besänftigend, dann hob er den Hörer ab und meldete sich.

      »Thiersch!« antwortete eine herrische Stimme.

      »Herr Professor, das ist aber eine Überraschung«, erklärte Dr. Daniel. »Was kann ich für Sie tun?«

      »Das wollte ich Sie eigentlich fragen«, entgegnete Professor Thiersch. »Meine Sekretärin sagte mir, daß Sie am Samstag hier angerufen haben.«

      »Stimmt, aber das hat sich bereits erledigt«, antwortete Dr. Daniel. Er zögerte, entschloß sich dann aber doch zur Wahrheit. »Es ging um Dr. Scheibler.«

      »Was ist mit ihm?« wollte Professor Thiersch wissen, und Dr. Daniel hörte zu seiner Überraschung den sehr besorgten Unterton heraus.

      »Er war ziemlich am Ende«, erzählte er. »Der Vorfall mit Dr. Heller scheint sich in ganz München herumgesprochen zu haben. Dr. Scheibler fand einfach keine Stellung – nicht einmal in den umliegenden Krankenhäusern. Er kam zu mir, um mich zu bitten, daß ich noch einmal mit Ihnen spreche.«

      »Warum haben Sie es nicht getan?«

      Diese Frage erstaunte Dr. Daniel noch mehr.

      »Dr. Heller und ich kamen zu dem Schluß, daß es nicht viel Sinn gehabt hätte«, gestand er offen ein.

      »Kann sein«, grummelte der Professor. »Und was ist jetzt mit Scheibler?«

      »Herr Professor, ich muß gestehen, daß ich Sie kaum wiedererkenne«, erklärte Dr. Daniel. »Ich habe noch nie erlebt, daß Sie um einen Arzt, den Sie mehr oder weniger aus der Klinik geworfen haben, so besorgt waren.«

      »Ich bin nicht besorgt!« wehrte Professor Thiersch barsch ab. »Und jetzt beantworten Sie gefälligst meine Frage, Daniel!«

      Der Arzt schmunzelte. Dieses Gespräch mit Professor Thiersch bewies wieder einmal, welch ein weiches Herz der Chefarzt im Grunde besaß, und eigentlich war es schade, daß er das nur so selten zeigte.

      »Dr. Scheibler wird demnächst in der Waldsee-Klinik arbeiten«, erklärte er.

      »Waldsee-Klinik?« wiederholte Professor Thiersch fragend. »Davon habe ich ja noch nie gehört.«

      »Das glaube ich Ihnen gern. Die Waldsee-Klinik wird gerade erst gebaut – hier in Steinhausen.« Er holte ein wenig weiter aus. »In der CHEMCO kam es vor einigen Monaten zu einem tödlichen

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