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DER HÖLLENEXPRESS. Christopher Fowler
Читать онлайн.Название DER HÖLLENEXPRESS
Год выпуска 0
isbn 9783958350274
Автор произведения Christopher Fowler
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»In unserer komplexen und durchgeplanten Gesellschaft gibt es nur wenige Möglichkeiten für einen Menschen, die Fantasie spielen zu lassen.«
Peter Cushing
»Eine Zeit lang waren wir wirklich eine Familie.«
Christopher Lee
Für Kim Newman,
der unbeabsichtigt den Zug in Bewegung setzte.
Das Drehbuch
Das Haus sah aus wie aus einem Horrorfilm, und das völlig zurecht.
Während der rote MG die schmale Landstraße entlang holperte, wischte Shane Carter die angelaufene Windschutzscheibe frei, und der Landsitz Down Place erschien vor ihm wie ein leicht heruntergekommenes Märchenschloss.
In dem feuchten Straßenatlas aus dem Handschuhfach hatte die Seite gefehlt, die er am meisten benötigte. Die abgelegene Straße, die von Windsor und der A4 wegführte, war nicht ausgeschildert und überaus schwierig zu finden gewesen, aber an ihrem Ende erschien nun ein außergewöhnliches Herrenhaus aus dem siebzehnten Jahrhundert mit bogenförmiger Frontseite. Das an den Ufern der Themse gelegene Haus war von Ulmen und Weiden umgeben und wurde von Brachvögeln, Krähen und Gänsen umkreist. Die mit Zinnen versehenen Mauern hatten vor einiger Zeit einen neuen weißen Anstrich bekommen und man hatte das Gebäude zu Bray Studios umbenannt – offenbar hatte Hammer Films wieder einmal eine Möglichkeit zu sparen gesucht und es zu einem Filmstudio umgestaltet.
In der letzten Zeit hatte das herrschaftliche Haus so oft vor der Kamera gestanden, dass es fast an ein Wunder grenzte, dass es im Kino nicht wie ein alter Bekannter von den Besuchern begrüßt wurde, wenn sie zusahen, wie wieder einmal ahnungslose Opfer die Zufahrt entlangfuhren und nervös auf die dunklen Fenster blickten, während der mit Gewitterwolken überzogenen Himmel nichts Gutes ankündigte. Er hatte gehört, dass sich Hammer darauf verstand, Gebäude so umzugestalten, dass sie immer wieder aufs Neue verwendet werden konnten.
Er fuhr langsam näher und genoss den Anblick des Gebäudes durch die Windschutzscheibe. Bernard Robinson, der Ausstatter des Studios, war ein Meister darin, die Räume des Herrenhauses für alle seine Filme zu verwenden, indem er sie mit neuen Vorhängen und Möbeln leicht veränderte. Treppen wurden verdeckt und Gänge halbiert, der Garten wurde mit Grabsteinen gefüllt und zu einem Friedhof gemacht, Schlafzimmer dienten als Leichenhallen und Bibliotheken, Keller und Grabhäuser wurden zu Laboratorien und Operationssälen. In ein paar Stunden ließ sich ein gewöhnliches Wohnzimmer so umgestalten, dass es als schauerliches Irrenhaus vor die Kamera treten konnte. Die Männer und Frauen, die für Hammer Films arbeiteten, vollbrachten kleine Wunder.
Aber Hammer, auch das hatte er von seinen Freunden bei Universal in Los Angeles gehört, war nicht mehr das Studio, das es einst gewesen war. Seine Stunde hatte geschlagen. Der Horrorboom neigte sich dem Ende zu; die Zuschauer durchschauten die alten Tricks. Sie lachten, anstatt sich zu fürchten. Sogar die Kritiker hatten damit aufgehört, entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen, und fertigten die Filme mit ein paar gelangweilten Zeilen ab.
Shane fuhr seinen gemieteten MG in den mit Kies bedeckten Innenhof, war ehrfürchtig darauf bedacht, einen Steinhagel zu vermeiden, und zog die Handbremse an. Er nahm seine Ledermappe vom Beifahrersitz und machte sich auf den Weg zum Haupteingang des Gebäudes.
So was gibt's nur in England, dachte er und legte den Kopf in den Nacken. In Hollywood protzte MGM mit einer aufdringlichen Fassade, aber eines der führenden Filmstudios Großbritanniens – zumindest jetzt, wo es so schien, als ob Rank die Produktion zurückfuhr – hatte seine Heimat in einem alten Haus auf dem Land gefunden. Und nicht – das gefiel ihm besonders –, weil man sich auf irgendeine Art von Tradition berufen oder die eigene überzogene Aufgeblasenheit zur Schau stellen wollte, sondern einfach, weil es billiger war, hier zu sein, und die Bosse in weniger als einer Stunde von ihren Heimen in Knightsbridge herüberfahren konnten. Hier draußen fühlt man sich wie im Jahr 1935, dachte er, nicht wie im Herbst 1966. Die Welt verändert sich überall, nur nicht im guten alten England.
Für ein arbeitendes Studio schien es seltsam ruhig zu sein. Es gab keine anderen Geräusche als den fallenden Regen und den Lärm der Krähen. Es gab niemanden, der ihn in der kühlen, holzgetäfelten Empfangshalle begrüßte, weshalb er sich in den ersten Stock begab. Er sah keinen Sicherheitsdienst. Oben wurde er von einer hochgewachsenen jungen Frau begrüßt, die sich von ihrem Schreibtisch erhob, um seine Hand mit überschwänglicher Begeisterung zu schütteln.
»Sie müssen Mr. Carter sein. Es freut mich so sehr, Sie kennenzulernen. Wir bewundern Ihre Filme über alle Maßen. Bitte, kommen Sie herein. Ich bin Emma Winters, die Assistentin von Mr. Carreras. Sie sind etwas früher angekommen, als wir erwartet hatten. Können wir Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«
Er hatte gehört, dass es unhöflich war, in England Tee abzulehnen. »Ja, gerne«, sagte er und setzte sich. Es war seltsam, wie sie den Plural gebrauchte, wenn sie von der Firma sprach, als ob es sich um eine gewöhnliche englische Familie handeln würde, bei der er für einen Nachmittagsbesuch vorbeigekommen war. Eine erfrischende Abwechslung zu den Spaziergängen über das Studiogelände in die klimatisierten Kühlschränke der Hollywoodstudios, bei denen er mit Männern, die ihn am liebsten tot sähen, falsche Höflichkeiten austauschen musste.
Er ging in dem von Eichenbalken durchzogenen Raum umher und blieb vor einer Reihe gerahmter Schwarz-Weiß-Fotografien stehen, die bekannte Gesichter zeigten. Peter Cushing als Dr. Frankenstein, Christopher Lee als Dracula und neben diesen Königen des Horrors eine fürstliche Galerie von Charakterdarstellern und Filmsternchen: Nigel Hawthorne, Andre Morell, Ingrid Pitt, Veronica Carlson, Barbara Shelley und der allgegenwärtige, liebenswerte Michael Ripper, der jeden Diener und jeden Gastwirt in der Hammer-Welt zu spielen schien und hier in einem grotesken Piratenkostüm in Die Teufelspiraten zu sehen war. Shane stellte