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alle Hadschi waren, obgleich – – –«

      »Sihdi,« unterbrach mich Halef mit einer ganz unbeschreiblichen Pantomime des Schreckens, »sprich nicht von den Verdiensten Deines Dieners! Du weißt, daß ich Dir stets gern gehorchen werde.«

      »Ich hoffe es, Halef. Du sollst nicht von Dir und mir sprechen; frage lieber Deinen Freund Sadek, wo sich sein Sohn befindet, von dem Du mir gesagt hast!«

      »Hat er wirklich von ihm gesprochen, Effendi?« frug der Araber. »Allah segne Dich, Halef, daß Du derer gedenkst, die Dich lieben! Omar Ibn Sadek, mein Sohn, ist über den Schott nach Seftimi gegangen und wird noch heute wiederkehren.«

      »Auch wir wollen über den Schott, und Du sollst uns führen,« meinte Halef.

      »Ihr? Wann?«

      »Noch heute.«

      »Wohin, Sihdi?«

      »Nach Fetnassa. Wie ist der Weg hinüber?«

      »Gefährlich, sehr gefährlich. Es gibt nur zwei wirklich sichere Wege hinüber an das jenseitige Ufer, nämlich El Toserija zwischen Toser und Fetnassa und Es Suida zwischen Nefta und Sarsin. Der Weg von hier nach Fetnassa aber ist der allerschlimmste, und nur zwei gibt es, die ihn genau kennen; das bin ich und Arfan Rakedihm hier in Kris.«

      »Kennt Dein Sohn den Weg nicht auch?«

      »Ja, aber allein ist er ihn noch nicht gegangen. Desto besser aber kennt er die Strecke nach Seftimi.«

      »Diese fällt wohl einige Zeit lang zusammen mit der nach Fetnassa.«

      »Über zwei Drittheile, Sihdi.«

      »Wenn wir am Mittag aufbrechen, bis wann sind wir in Fetnassa?«

      »Vor Anbruch des Morgens, wenn Deine Thiere gut sind.«

      »Du gehst auch während der Nacht über den Schott?«

      »Wenn der Mond leuchtet, ja. Ist es aber dunkel, so übernachtet man auf dem Schott, und zwar da, wo das Salz so dick ist, daß es das Lager tragen kann.«

      »Willst Du uns führen?«

      »Ja, Effendi.«

      »So laß uns zunächst den Schott besehen!«

      »Du hast noch keinen Schott überschritten?«

      »Nein.«

      »So komm! Du sollst den Sumpf des Todes sehen, den Ort des Verderbens, das Meer des Schweigens, über welches ich Dich hinwegführen werde mit sicherem Schritte.«

      Wir verließen die Hütte und wandten uns nach Osten. Nachdem wir einen breiten, sumpfigen Rand überschritten hatten, gelangten wir an das eigentliche Ufer des Schott, dessen Wasser vor der Salzkruste, die es deckte, nicht zu sehen war. Ich stach mit meinem Messer hindurch und fand das Salz vierzehn Centimeter dick. Dabei war es so hart, daß es einen mittelstarken Mann zu tragen vermochte. Es wurde verhüllt von einer dünnen Lage von Flugsand, welcher an vielen Stellen weggeweht war, die dann in bläulich weißem Schimmer erglänzten.

      Noch während ich mit dieser Untersuchung beschäftigt war, ertönte hinter uns eine Stimme:

      »Sallam aaleïkum, Friede sei mit Euch!«

      Ich wandte mich um. Vor uns stand ein schlanker, krummbeiniger Beduine, dem irgend eine Krankheit oder wohl auch ein Schuß die Nase weggenommen hatte.

      »Aaleïkum!« antwortete Sadek. »Was tut mein Bruder Arfan Rakedihm hier am Schott? Er trägt die Reisekleider. Will er fremde Wanderer über die Sobha führen?«

      »So ist es,« antwortete der Gefragte. »Zwei Männer sind es, die gleich kommen werden.«

      »Wohin wollen sie?«

      »Nach Fetnassa.«

      Nun deutete er auf mich und Halef und fragte:

      »Wollen diese zwei Fremdlinge auch über den See?«

      »Ja.«

      »Wohin?«

      »Auch nach Fetnassa.«

      »Und Du sollst sie führen?«

      »Du erräthst es.«

      »Sie können gleich mit mir gehen; dann ersparst Du Dir die Mühe.«

      »Es sind Freunde, die mir keine Mühe machen werden.«

      »Ich weiß es: Du bist geizig und gönnst mir nichts. Hast Du mir nicht stets die reichsten Reisenden weggefangen?«

      »Ich fange Keinen weg; ich führe nur die Leute, welche freiwillig zu mir kommen.«

      »Warum ist Omar, Dein Sohn, Führer nach Seftimi geworden? Ihr nehmt mir mit Gewalt das Brod hinweg, damit ich verhungern soll; Allah aber wird Euch strafen und Eure Schritte so lenken, daß Euch der Schott verschlingen wird.«

      Es mochte sein, daß die Concurrenz hier eine Feindschaft entwickelt hatte, aber dieser Mann besaß überhaupt keine guten Augen, und so viel war sicher, daß ich mich ihm nicht gern anvertraut hätte. Er wandte sich von uns und schritt am Ufer hin, wo in einiger Entfernung zwei Reiter erschienen, welche er führen sollte.

      »Sihdi,« rief Halef. »Kennst Du sie?«

      »Ich kenne sie.«

      »Wollen wir sie ruhig ziehen lassen?«

      Er hob bereits das Gewehr zum Schusse empor. Ich hinderte ihn daran.

      »Laß! Sie werden uns nicht entgehen.«

      »Wer sind die Männer?« frug unser Führer.

      »Mörder,« antwortete Halef.

      »Haben sie Jemand aus Deiner Familie oder aus Deinem Stamme getödtet?«

      »Nein.«

      »Hast Du über Blut mit ihnen zu richten?«

      »Nein.«

      »So laß sie ruhig ziehen! Es taugt nicht, sich in fremde Händel zu mischen.«

      Der Mann sprach wie ein ächter Beduine. Er hielt es nicht einmal für nöthig, die Männer, welche ihm als Mörder geschildert worden waren, mit einem Blick zu betrachten. Auch sie hatten uns bemerkt und erkannt. Ich sah, wie sie sich beeilten, auf die Salzdecke zu kommen. Als dies geschehen war, hörten wir ein verächtliches Lachen, mit welchem sie uns den Rücken kehrten.

      Wir gingen in die Hütte zurück, ruhten noch bis Mittag aus, versahen uns dann mit dem nöthigen Proviante und traten die gefährliche Wanderung an.

      Ich habe auf fremden, unbekannten Strömen zur Winterszeit mit Schneeschuhen meilenweite Strecken zurückgelegt und mußte jeden Augenblick gewärtig sein, einzubrechen, habe aber dabei niemals die Empfindung wahrgenommen, welche mich beschlich, als ich jetzt den heimtückischen Schott betrat. Es war nicht etwa Furcht oder Angst, sondern es mochte ungefähr das Gefühl eines Seiltänzers sein, der nicht genau weiß, ob das Tau, welches ihn trägt, auch gehörig befestigt worden ist. Statt des Eises eine Salzdecke – das war mir mehr als neu. Der eigenthümliche Klang, die Farbe, die Krystallisation dieser Kruste – das Alles erschien mir zu fremd, als daß ich mich hätte sicher fühlen können. Ich prüfte bei jedem Schritte und suchte nach sicheren Merkmalen für die Festigkeit unseres Fußbodens. Stellenweise war derselbe so hart und glatt, daß man hätte Schlittschuhe benutzen können, dann aber hatte er wieder das schmutzige, lockere Gefüge von niedergethautem Schnee und vermochte nicht, die geringste Last zu tragen.

      Erst nachdem ich mich über das so Ungewohnte einigermaßen orientirt hatte, stieg ich zu Pferde, um mich nächst dem Führer auch zugleich auf den Instinkt meines Thieres zu verlassen. Der kleine Hengst schien gar nicht zum ersten Male einen solchen Weg zu machen. Er trabte, wo Sicherheit vorhanden war, höchst wohlgemuth darauf los und zeigte dann, wenn sein Vertrauen erschüttert war, eine ganz vorzügliche Liebhaberei für die besten Stellen des oft kaum fußbreiten Pfades. Er legte dann die Ohren vor oder hinter, beschnupperte den Boden, schnaubte zweifelnd oder überlegend und trieb die

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