Скачать книгу

kann nur ein Ungläubiger handeln. Aber ich werde Dich schon noch zum rechten Glauben bekehren; darauf kannst Du Dich verlassen, Du magst nun wollen oder nicht!«

      »Dann nenne ich mich einen Pilger, ohne in Mekka gewesen zu sein.«

      »Sihdi – –! Du hast mir ja versprochen, das nicht zu sagen!«

      »Ja, so lange Du mich nicht bekehren willst.«

      »Du bist der Herr, und ich muß es mir gefallen lassen. Aber, was thun wir jetzt?«

      »Wir sorgen zunächst für unsere Sicherheit. Hier können wir leicht von einer Kugel getroffen werden. Wir müssen uns überzeugen, ob diese beiden Schurken auch wirklich fort sind.«

      Ich erstieg den Rand der Schlucht und sah allerdings die zwei Reiter in bereits sehr großer Entfernung von uns auf Südwest zuhalten. Halef war mir gefolgt.

      »Dort reiten sie,« meinte er. »Das ist die Richtung nach Bir Sauidi.«

      »Wenn sie sich weit genug entfernt haben, werden sie sich nach Osten wenden.«

      »Sihdi, Dein Gehirn dünkt mir schwach. Wenn sie dies thäten, müßten sie uns ja wieder in die Hände kommen!«

      »Sie meinen, daß wir erst morgen aufbrechen, und glauben also, einen guten Vorsprung vor uns zu erlangen.«

      »Du räthst und wirst doch das Richtige nicht treffen.«

      »Meinst Du? Sagte ich Dir nicht da oben, daß eins ihrer Pferde den Hahnentritt habe?«

      »Ja, das sah ich, als sie davonritten.«

      »So werde ich auch jetzt Recht haben, wenn ich sage, daß sie nach Seddada gehen.«

      »Warum folgen wir ihnen nicht sofort?«

      »Wir kämen ihnen sonst zuvor, da wir den geraden Weg haben, dann würden sie auf unsere Spur stoßen und sich hüten, mit uns wieder zusammenzutreffen.«

      »Laß uns also wieder zum Wasser gehen und ruhen, bis es Zeit zum Aufbruch ist.«

      Wir stiegen wieder hinab. Ich streckte mich auf meine am Boden ausgebreitete Decke aus, zog das Ende meines Turbans als Lischam über das Gesicht und schloß die Augen, nicht um zu schlafen, sondern um über unser letztes Abenteuer nachzudenken. Aber wer vermag es, in der fürchterlichen Gluth der Sahara seine Gedanken längere Zeit mit einer an sich schon unklaren Sache zu beschäftigen? Ich schlummerte wirklich ein und mochte über zwei Stunden geschlafen haben, als ich wieder erwachte. Wir brachen auf.

      Das Wadi Tarfaui mündet in den Schott Rharsa; wir mußten es also nun verlassen, wenn wir, nach Osten zu, Seddada erreichen wollten. Nach Verlauf von vielleicht einer Stunde trafen wir auf die Spur zweier Pferde, welche von West nach Ost führte.

      »Nun, Halef, kennst Du diese Ethar, diese Fährte?«

      »Masch Allah, Du hattest recht, Sihdi! Sie gehen nach Seddada.«

      Ich stieg ab und untersuchte die Eindrücke.

      »Sie sind erst vor einer halben Stunde hier vorübergekommen. Laß uns langsamer reiten, sonst sehen sie uns hinter sich.«

      Die Ausläufer des Dschebel Tarfaui senkten sich allmählig in die Ebene hernieder, und als die Sonne unterging und nach kurzer Zeit der Mond emporstieg, sahen wir Seddada zu unsern Füßen liegen.

      »Reiten wir hinab?«

      »Nein. Wir schlafen unter den Oliven dort am Abhange des Berges.«

      Wir bogen ein wenig von unserer Richtung ab und fanden unter den Ölbäumen einen prächtigen Platz zum Bivouac. Wir waren beide an das heulende Bellen des Schakal, an das Gekläffe des Fennek und an die tieferen Töne der schleichenden Hyäne gewöhnt und ließen uns von diesen nächtlichen Lauten nicht im Schlafe stören. Als wir erwachten, war es mein Erstes, die gestrige Fährte wieder aufzusuchen. Ich war überzeugt, daß sie mir hier in der Nähe eines bewohnten Ortes nicht mehr von Nutzen sein werde, fand aber zu meiner Überraschung, daß sie nicht nach Seddada führte, sondern nach Süden bog.

      »Warum gingen sie nicht hernieder?« frug Halef.

      »Um sich nicht sehen zu lassen. Ein verfolgter Mörder muß vorsichtig sein.«

      »Aber wohin gehen sie denn?«

      »Jedenfalls nach Kris, um über den Dscherid zu reiten. Dann haben sie Algerien hinter sich und sind in leidlicher Sicherheit.«

      »Wir sind doch bereits jetzt in Tunis. Die Grenze geht vom Bir el Khalla zum Bir el Tam über den Schott Rharsa.«

      »Das kann solchen Leuten noch nicht genügen. Ich wette, daß sie über Fezzan nach Kufarah gehen, denn erst dort sind sie vollständig sicher.«

      »Sie sind auch hier bereits sicher, wenn sie ein Bu-djeruldu des Sultans haben.«

      »Das würde ihnen einem Consul oder Polizei-Agenten gegenüber nicht viel nützen.«

      »Meinst Du? Ich möchte es Keinem raten, gegen das mächtige ›Giölgeda padishanün‹ zu sündigen!«

      »Du sprichst so, trotzdem Du ein freier Araber sein willst?«

      »Ja. Ich habe in Egypten gesehen, was der Großherr vermag; aber in der Wüste fürchte ich ihn nicht. Werden wir jetzt nach Seddada gehen?«

      »Ja, um Datteln zu kaufen und einmal gutes Wasser zu trinken. Dann aber setzen wir den Weg fort.«

      »Nach Kris?«

      »Nach Kris.«

      Bereits eine Viertelstunde später hatten wir uns restaurirt und folgten dem Reitwege, welcher von Seddada nach Kris führt. Zu unserer Linken glänzte die Fläche des Schott Dscherid zu uns herauf, ein Anblick, den ich vollständig auszukosten suchte.

      Die Sahara ist ein großes, noch immer nicht gelöstes Rätsel.

      Schon seit Virlet d'Aoust im Jahre 1845 besteht das Projekt, einen Teil der Wüste in ein Meer und dadurch die anliegenden Gebiete in ein fruchtbares Land zu verwandeln und so auch die Bewohner dieser Strecken dem Fortschritte der Civilisation näher zu bringen. Ob aber dieses Projekt ausführbar und dann auch von den beabsichtigten Erfolgen gekrönt sein wird, darüber läßt sich noch immer streiten.

      Am Fuße des Südabhanges des Dschebel Aures und der östlichen Fortsetzung dieser Bergmasse, also des Dra el Haua, Dschebel Tarfaui, Dschebel Situna und Dschebel Hadifa, dehnt sich eine einheitliche, unübersehbare, hier und da leicht gewellte Ebene aus, deren tiefste Stellen mit Salzkrusten und Salzauswitterungen bedeckt sind, welche als Überreste einstiger großer Binnengewässer im algerischen Theile den Namen Schott und im tunesischen Theile den Namen Shoba oder Sebcha führen. Die Grenze dieses eigenthümlichen und hochinteressanten Gebietes bilden im Westen die Ausläufer des Beni-Mzab-Plateau, im Osten die Landenge von Gabes und im Süden die Dünenregion von Ssuf und Nifzaua nebst dem langgestreckten Dschebel Tebaga. Vielleicht ist unter dieser Einsenkung der Golf von Triton zu verstehen, von welchem uns Herodot, der Vater der Geschichtschreibung, berichtet.

      Außer einer großen Anzahl kleinerer Sümpfe, welche im Sommer ausgetrocknet sind, besteht dieses Gebiet aus drei größeren Sebcha, nämlich, von West nach Ost verfolgt, aus den Schotts Melrir, Rharsa und Dscherid, welch Letzterer auch El Kebir genannt zu werden pflegt. Diese drei Becken bezeichnen eine Zone, deren westliche Hälfte tiefer liegt, als das Mittelmeer bei Gabes zur Zeit der Ebbe.

      Die Einsenkung des Schottgebietes ist heutzutage zum großen Theile mit Sandmassen angefüllt, und nur in der Mitte der einzelnen Bassins hat sich eine ziemlich beträchtliche Wassermasse erhalten, welche durch ihr Aussehen den arabischen Schriftstellern und Reisenden Veranlassung gab, sie bald mit einem Kampherteppich oder einer Kristalldecke, bald mit einer Silberplatte oder der Oberfläche geschmolzenen Metalls zu vergleichen. Dieses Aussehen erhalten die Schotts durch die Salzkruste, mit der sie bedeckt sind und deren Dicke sehr verschieden ist, so daß sie zwischen zehn und höchstens zwanzig Centimeter variirt. Nur an einzelnen Stellen ist es möglich, sich ohne die eminenteste Lebensgefahr auf sie zu wagen. Wehe dem, der auch nur eine Hand breit

Скачать книгу