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Krankheit und Allem, was damit zusammenhängt.«

      »Nach andern Dingen nicht?«

      »Nein.«

      »Du wirst mir jede Frage vorher sagen, damit ich sie Dir erlaube?«

      »Ich bin es zufrieden.«

      »Und Du mußt auch ihre Hand betasten?«

      »Ja.«

      »Ich erlaube es Dir auf eine ganze Minute. Mußt Du ihr Angesicht sehen?«

      »Nein; sie kann ganz verschleiert bleiben. Aber sie muß einige Male in dem Zimmer auf-und abgehen.«

      »Warum?«

      »Weil an dem Gange und der Haltung Vieles zu erkennen ist, was die Krankheit betrifft.«

      »Ich erlaube es Dir und werde die Kranke jetzt herbeiholen.«

      »Das darf nicht sein.«

      »Warum nicht?«

      »Ich muß sie da sehen, wo sie wohnt; ich muß alle ihre Zimmer betrachten.«

      »Aus welchem Grunde?«

      »Weil es viele Krankheiten gibt, die nur in unpassenden Wohnungen entstehen, und das kann nur das Auge des Arztes bemerken.«

      »So willst Du wirklich mein HaremDas arabische Wort Harem bedeutet eigentlich »das Heilige, Unverletzliche« und bezeichnet bei den Muhammedanern die Frauenwohnung, welche von den übrigen Räumen des Hauses abgesondert ist. betreten?«

      »Ja.«

      »Ein Ungläubiger?«

      »Ein Christ.«

      »Ich erlaube es nicht!«

      »So mag sie sterben. Sallam aaleïkum, Friede sei mit Dir und ihr!«

      Ich wandte mich zum Gehen. Obgleich ich bereits aus der Aufzählung der Symptome gemerkt hatte, daß Güzela an einer hochgradigen Gemüthskrankheit leide, that ich doch, als ob ich an eine bloß körperliche Erkrankung glaube; denn grad weil ich vermuthete, daß ihr Leiden die Folge eines Zwanges sei, der sie in die Gewalt dieses Mannes gebracht hatte, wollte ich mich so viel wie möglich über Alles aufklären. Er ließ mich wieder bis zur Thür gehen, dann aber rief er: »Halt, Hekim, bleibe da. Du sollst die Gemächer betreten!«

      Ich wandte mich um und schritt, ohne ihm meine Genugthuung merken zu lassen, wieder auf ihn zu. Ich hatte gesiegt und war außerordentlich zufrieden mit den Zuständnissen, die er mir gemacht hatte, denn sie gewährten mir mehr, als wohl jemals einem Europäer zugestanden worden ist. Die Liebe des Egypters und in Folge dessen also auch seine Sorge mußte eine sehr ungewöhnliche sein, daß er sich zu solchen Zugeständnissen verstand. Freilich konnte ich die ingrimmigste Erbitterung gegen mich aus jeder seiner Mienen lesen, denn ihm war ich ein unabweisbarer Eindringling in die Mysterien seiner inneren Häuslichkeit, und ich hegte die Überzeugung, daß ich ihn auch selbst in dem Falle einer glücklichen Heilung der kranken Frau als einen unversöhnlichen Feind zurücklassen werde, zumal er ganz so wie ich die Überzeugung hatte, daß wir uns bereits einmal unter unfreundlichen Umständen begegnet seien.

      Jetzt entfernte er sich, um alles Nöthige in eigener Person anzuordnen, denn keiner seiner Diener durfte ahnen, daß er einem fremden Mann Zutritt in das Heiligthum seines Hauses gestatte.

      Er kehrte erst nach einer langen Weile zurück. Es lag ein Ausdruck fester, trotziger Entschlossenheit um seinen zusammengekniffenen Mund, und mit einem Blicke voll versteckt bleiben sollenden, aber doch hervorbrechenden Hasses instruirte er mich: »Du sollst zu ihr gehen – –«

      »Du versprachst es bereits.«

      »Und ihre Zimmer sehen – –«

      »Natürlich.«

      »Auch sie selbst – – –«

      »Verschleiert und eingehüllt.«

      »Und mit ihr sprechen?«

      »Das ist notwendig.«

      »Ich erlaube Dir viel, unendlich viel, Effendi. Aber bei der Seligkeit aller Himmel und bei den Qualen aller Höllen, sobald Du ein Wort sprichst, welches ich nicht wünsche, oder das Geringste thust, was Dir nicht von mir erlaubt wurde, stoße ich sie nieder. Du bist stark und wohl bewaffnet, darum wird mein Dolch nicht gegen Dich, sondern gegen sie gerichtet sein. Ich schwöre es Dir bei allen Surat des Kuran und bei allen Khalifen, deren Andenken Allah segnen möge!«

      Er hatte mich also doch kennen gelernt und dachte sich, daß ihm diese Versicherung mehr nützen werde, als die prahlerischsten Drohungen, wenn sie gegen mich selbst gerichtet gewesen wären. Übrigens war es mir ja gar nicht in den Sinn gekommen, ihn in seinen Rechten zu kränken; nur konnte ich mich bei seinem Verhalten je länger desto weniger einer Ahnung entschlagen, daß in seinem Verhältnisse zu der Kranken irgend ein dunkler Punkt zu finden sei.

      »Ist es Zeit?« frug ich.

      »Komm!«

      Wir gingen. Er schritt voran, und ich folgte ihm.

      Zunächst kamen wir durch einige fast in Trümmern liegende Räume, in denen allerlei nächtliches Gethier sein Wesen treiben mochte; dann betraten wir ein Gemach, welches als Vorzimmer zu dienen schien, und nun folgte der Raum, der allem Anscheine nach als eigentliches Frauengemach benutzt wurde. Alle die umherliegenden Kleinigkeiten waren solche, wie sie von Frauen gesucht und gern benutzt werden.

      »Das sind die Zimmer, welche Du sehen wolltest. Siehe, ob Du den Dämon der Krankheit in ihnen zu finden vermagst!« meinte Abrahim-Mamur mit einem halb spöttischen Lächeln.

      »Und das Gemach nebenan – –?«

      »Die Kranke befindet sich darin. Du sollst es auch sehen, aber ich muß mich vorher überzeugen, ob die Sonne ihr Angesicht verhüllt hat vor dem Auge des Fremden. Wage ja nicht, mir nachzufolgen, sondern warte ruhig, bis ich wiederkomme!«

      Er trat hinaus, und ich war allein.

      Also da draußen befand sich Güzela. Dieser Name bedeutet wörtlich ›die Schöne‹. Dieser Umstand und das ganze Verhalten des Egypters brachte meine frühere Vermuthung, daß es sich um eine ältere Person handle, ins Wanken.

      Ich ließ mein Auge durch den Raum schweifen. Es war hier ganz dieselbe Einrichtung getroffen, wie in dem Zimmer des Hausherrn: das Geländer, der Divan, die Nische mit den Kühlgefäßen.

      Nach kurzer Zeit erschien Abrahim wieder.

      »Hast Du die Räume geprüft?« frug er mich.

      »Ja.«

      »Nun?«

      »Es läßt sich nichts sagen, bis ich bei der Kranken gewesen bin.«

      »So komm, Effendi. Aber laß Dich noch einmal warnen!«

      »Schon gut! Ich weiß ganz genau, was ich zu thun habe.«

      Wir traten in das andere Gemach. In weite Gewänder gehüllt, stand eine Frauengestalt tief verschleiert an der hintern Wand des Zimmers. Nichts war von ihr zu sehen, als die kleinen, in Sammtpantoffeln steckenden Füße.

      Ich begann meine Fragen, deren Enthaltsamkeit den Egypter vollständig befriedigte, ließ sie eine kleine Bewegung machen und bat sie endlich, mir die Hand zu reichen. Fast wäre ich trotz der ernsten Situation in eine laute Heiterkeit ausgebrochen. Die Hand war nämlich so vollständig in ein dickes Tuch gebunden, daß es ganz und gar unmöglich war, auch nur die Lage oder Form eines Fingers durch dasselbe zu erkennen. Sogar der Arm war in derselben Weise verhüllt.

      Ich wandte mich zu Abrahim:

      »Mamur, diese Bandagen müssen entfernt werden.«

      »Warum?«

      »Ich kann den Puls nicht fühlen.«

      »Entferne die Tücher!« gebot er ihr.

      Sie zog den Arm hinter die Hüllen zurück und ließ dann ein zartes Händchen erscheinen, an dessen

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