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hatte ich diese Züge doch nur bereits einmal gesehen, diese schönen, feinen und in ihrer Mißharmonie doch so diabolischen Züge? Forschend, scharf, stechend, nein, förmlich durchbohrend senkt sich der Blick des kleinen, unbewimperten Auges in den meinen und kehrt dann kalt und wie beruhigt wieder zurück. Glühende und entnervende Leidenschaften haben diesem Gesichte immer tiefer eindringende Spuren eingravirt; die Liebe, der Haß, die Rache, der Ehrgeiz sind einander behülflich gewesen, eine großartig angelegte Natur in den Schmutz des Lasters herniederzureißen und dem Äußeren des Mannes jenes undefinirbare Etwas zu verleihen, welches dem Guten und Reinen ein sicheres Warnungszeichen ist.

      Wo bin ich diesem Manne begegnet? Gesehen habe ich ihn; ich muß mich nur besinnen; aber das fühle ich, unter freundlichen Umständen ist es nicht gewesen.

      »Salam aaleïkum!« ertönte es langsam zwischen dem vollen, prächtigen, aber schwarzgefärbten Barte hervor.

      Diese Stimme war kalt, klanglos, ohne Leben und Gemüth; es konnte Einem dabei ein Schauer ankommen.

      »Aaleïkum!« antwortete ich.

      »Möge Allah Balsam wachsen lassen auf den Spuren Deiner Füße und Honig träufeln von den Spitzen Deiner Finger, damit mein Herz nicht mehr höre die Stimme seines Kummers!«

      »Gott gebe Dir Frieden und lasse mich finden das Gift, welches an dem Leben Deines Glückes nagt,« erwiderte ich seinen Gruß, da nicht einmal der Arzt nach dem Weibe des Muselmannes fragen darf, ohne den größten Verstoß gegen die Höflichkeit und Sitte zu begehen.

      »Ich habe gehört, daß Du ein weiser Hekim seiest. Welche Medresse hast Du besucht?«

      »Keine.«

      »Keine?«

      »Ich bin kein Moslem.«

      »Nicht? Was sonst?«

      »Ein Nemsi!«

      »Ein Nemsi! O, ich weiß, die Nemsi sind kluge Leute; sie kennen den Stein der Weisen und das Abracadabra, welches den Tod vertreibt.«

      »Es gibt weder einen Stein der Weisen, noch ein Abracadabra.«

      Er blickte mir kalt in die Augen.

      »Vor mir brauchst Du Dich nicht zu verbergen. Ich weiß, daß die Zauberer von ihrer Kunst nicht sprechen dürfen, und will sie Dir auch gar nicht entlocken, nur helfen sollst Du mir. Wodurch vertreibst Du die Krankheit eines Menschen, durch Worte oder durch einen Talisman?«

      »Weder durch Worte noch durch einen Talisman, sondern durch die Medizin.«

      »Du sollst Dich nicht vor mir verstecken. Ich glaube an Dich, denn trotzdem Du kein Moslem bist, ist doch Deine Hand mit Erfolg begabt, als hätte sie der Prophet gesegnet. Du wirst die Krankheit finden und besiegen.«

      »Der Herr ist allmächtig; er kann retten und verderben, und nur ihm allein gebührt die Ehre. Doch wenn ich helfen soll, so sprich!«

      Diese direkte Aufforderung, ein wenn auch noch so unbedeutendes Geheimniß seines Haushaltes preiszugeben, schien ihn unangenehm zu berühren, trotzdem er darauf vorbereitet sein mußte; doch versuchte er sofort die Schwäche zu verbergen und befolgte meine Aufforderung: »Du bist aus dem Lande der Ungläubigen, wo es keine Schande ist, von der zu reden, welche die Tochter einer Mutter ist?«

      Ich fühlte mich innerlich amüsirt von der Art und Weise, mit welcher er es zu umgehen suchte, von ›seinem Weibe‹ zu sprechen, doch blieb ich ernst und antwortete ziemlich kalt: »Du willst, daß ich Dir helfen soll und beschimpfest mich?«

      »In wiefern?«

      »Du nennst meine Heimat das Land der Ungläubigen.«

      »Ihr seid doch ungläubig!«

      »Wir glauben an einen Gott, welcher derselbe Gott ist, den Ihr Allah nennt. Du heißest mich von Deinem Standpunkte aus einen Ungläubigen; mit demselben Rechte könnte ich Dich von meinem Standpunkte aus ebenso nennen; aber ich thue es nicht, weil wir Nemsi nie die Pflicht der Höflichkeit verletzen.«

      »Schweigen wir über den Glauben! Der Moslem darf nicht von seinem Weibe sprechen; aber Du erlaubst, daß ich von den Frauen in Frankhistan rede?«

      »Ich erlaube es.«

      »Wenn das Weib eines Franken krank ist – – –«

      Er sah mich an, als ob er eine Bemerkung von mir erwarte; ich winkte ihm nur, in seiner Rede fortzufahren.

      »Also wenn sie krank ist und keine Speise zu sich nimmt –«

      »Keine?«

      »Nicht die geringste!«

      »Weiter!«

      »Den Glanz ihrer Augen und die Fülle ihrer Wangen verliert – wenn sie müde ist und doch den Genuß des Schlafes nicht mehr kennt – – –«

      »Weiter!«

      »Wenn sie nur lehnend steht und langsam, schleichend geht – vor Kälte schauert und vor Hitze brennt – – –«

      »Ich höre. Fahre fort!«

      »Bei jedem Geräusch erschrickt und zusammenzuckt – wenn sie nichts wünscht, nichts liebt, nichts haßt und unter dem Schlage ihres Herzens zittert – – –«

      »Immer weiter!«

      »Wenn ihr Athem zu sehen ist wie der des kleinen Vogels – wenn sie nicht lacht, nicht weint, nicht spricht – wenn sie kein Wort der Freude und kein Wort der Klage hören läßt und ihre Seufzer selbst nicht mehr vernimmt – wenn sie das Licht der Sonne nicht mehr sehen will und in der Nacht wach in den Ecken kauert – – –«

      Wieder blickte er mich an, und in seinen flackernden Augen war eine Angst zu erkennen, welche sich durch jedes der aufgezählten Krankheitssymptome zu nähren und zu vergrößern schien. Er mußte die Kranke mit der letzten, trüben und also schwersten Gluth seines fast ausgebrannten Herzens lieb haben und hatte mir, ohne es zu wissen und zu wollen, mit seinen Worten sein ganzes Verhältniß zu ihr verrathen.

      »Du bist noch nicht zu Ende!« sagte ich.

      »Wenn sie zuweilen plötzlich einen Schrei ausstößt, als ob ein Dolch ihr in die Brust gestoßen würde – wenn sie ohne Aufhören ein fremdes Wort flüstert –«

      »Welches Wort?«

      »Einen Namen.«

      »Weiter!«

      »Wenn sie hustet und dann Blut über ihre bleichen Lippen fließt – – –«

      Er blickte mich jetzt so starr und angstvoll an, daß ich merken mußte, meine Entscheidung sei ein Urtheil für ihn, ein befreiendes oder ein vernichtendes. Ich zögerte nicht, ihm das letztere zu geben: »So wird sie sterben.«

      Er saß erst einige Augenblicke so bewegungslos, als habe ihn der Schlag getroffen, dann aber sprang er auf und stand hochaufgerichtet vor mir. Der rothe Fez war ihm von dem kahl geschorenen Haupte geglitten, die Pfeife seiner Hand entfallen; in dem Gesicht zuckte es von den widerstreitendsten Gefühlen. Es war ein eigenthümliches, ein furchtbares Gesicht; es glich ganz jenen Abbildungen des Teufels, wie sie der geniale Stift Doré's zu zeichnen versteht, nicht mit Schweif, Pferdefuß und Hörnern, sondern mit höchster Harmonie des Gliederbaues, jeder einzelne Zug des Gesichts eine Schönheit, und doch in der Gesamtwirkung dieser Züge so abstoßend, so häßlich, so – diabolisch. Sein Auge ruhte mit dem Ausdrucke des Entsetzens auf mir, der sich nach und nach in einen zornigen und dann zuletzt in einen drohenden verwandelte.

      »Giaur!« donnerte er mich an.

      »Wie sagtest Du?« frug ich kalt.

      »Giaur! sagte ich. Wagst Du, mir das zu sagen, Hund? Die Peitsche soll Dir lehren, wer ich bin, und daß Du zu thun hast, nur was ich Dir befehle. Stirbt sie, so stirbst auch Du; doch machst Du sie gesund, so darfst Du gehen und kannst verlangen, was Dein Herz begehrt!«

      Langsam und in tiefster Seelenruhe erhob auch ich mich, stellte mich in meiner

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