Скачать книгу

Hand zu fallen.

      Ich ließ ihn also in der Obhut Omar's und begab mich mit Halef nach dem Selamlük. Unterwegs frug mich der kleine Diener: »Du sagtest, dieser Mensch sei kein Moslem. Ist dies wahr?«

      »Ja. Er ist ein armenischer Christ und gibt sich da, wo er es für geboten hält, für einen Mohammedaner aus.«

      »Und Du hältst ihn für einen schlechten Menschen?«

      »Für einen sehr schlechten.«

      »Siehst Du, Effendi, daß die Christen schlechte Menschen sind! Du mußt Dich zum wahren Glauben bekennen, wenn Du nicht in alle Ewigkeit in der Dschehenna braten willst!«

      »Und Du wirst selbst so lange darin braten!«

      »Weßhalb?«

      »Hast Du mir nicht erzählt, daß im Derk Asfal, in der siebenten und tiefsten Hölle, alle Lügner und Heuchler braten und die Teufelsköpfe vom Baume Zakum essen müssen?«

      »Ja, aber was habe ich damit zu schaffen?«

      »Du bist ein Lügner und Heuchler!«

      »Ich, Sihdi? Meine Zunge redet die Wahrheit, und in meinem Herzen ist kein Falsch. Wer mich so nennt, wie Du mich nanntest, den wird meine Kugel treffen!«

      »Du lügst, Mekka gesehen zu haben, und heuchelst, ein Hadschi zu sein. Soll ich das dem Wekil erzählen?«

      »Aman, aman, verzeihe! Das wirst Du nicht thun an Hadschi Halef Omar, dem treuesten Diener, den Du finden kannst!«

      »Nein, ich werde es nicht thun; aber Du kennst auch die Bedingung, unter welcher ich schweige.«

      »Ich kenne sie und werde mich in Acht nehmen, doch wirst Du dennoch ein wahrer Gläubiger werden, Du magst nun wollen oder nicht, Sihdi!«

      Wir traten ein und wurden bereits von dem Wekil erwartet. Es war keineswegs die freundlichste Miene, mit welcher er mich empfing.

      »Setze Dich!«

      Ich folgte seiner Aufforderung und nahm hart neben ihm Platz, während Halef sich mit den Pfeifen zu thun machte, welche man mittlerweile in einer Ecke des Raumes bereitgestellt hatte.

      »Warum wolltest Du das Angesicht meines Weibes sehen?« begann die Unterhaltung.

      »Weil ich ein Franke bin, der gewohnt ist, stets das Angesicht dessen zu sehen, mit dem er spricht.«

      »Ihr habt schlechte Sitten! Unsere Frauen verbergen sich, die Eurigen aber lassen sich sehen. Unsere Frauen tragen Kleider, die oben lang und unten kurz sind; die Eurigen aber haben Gewänder, welche oben kurz und unten lang, oft auch oben und unten zugleich kurz sind. Habt Ihr jemals eine unserer Frauen bei Euch gesehen? Eure Mädchen aber kommen zu uns, und weßhalb? O jazik, o wehe!«

      »Wekil, ist das die Gastfreundschaft, welche mir von Euch geboten wurde? Seit wann ist es Sitte geworden, den Gastfreund mit einer Beleidigung zu empfangen? Ich brauche weder Deinen Hammel noch Dein Kuskussu und werde wieder hinuntergehen in den Hof. Folge mir!«

      »Effendi, verzeihe mir! Ich wollte Dir nur sagen, was ich dachte, aber ich wollte Dich nicht beleidigen.«

      »Wer nicht beleidigen will, darf nicht stets sagen, was er denkt. Ein schwatzhafter Mann gleicht einem zerbrochnen Topfe, den Niemand brauchen kann, weil er nichts bewahrt.«

      »Setze Dich wieder nieder und erzähle mir, wo Du Abu el Nassr getroffen hast.«

      Ich erstattete ihm ausführlichen Bericht von unserem Abenteuer. Er hörte schweigend zu und schüttelte sodann den Kopf.

      »Du glaubst also, daß er den Kaufmann in Blidah ermordet hat?«

      »Ja.«

      »Du warst nicht dabei!«

      »Ich schließe es.«

      »Nur Allah allein darf schließen; er ist allwissend, und des Menschen Gedanke ist wie der Reiter, den ein ungehorsames Pferd dorthin trägt, wohin er nicht kommen wollte.«

      »Nur Allah darf schließen, weil er allwissend ist? O Wekil, Dein Geist ist müde von den vielen Hammeln mit Kuskussu, die Du gegessen hast! Eben weil Allah allwissend ist, braucht er nicht zu schließen; wer schließt, der sucht ein Ergebniß seiner Folgerungen, ohne es vorher zu kennen.«

      »Ich höre, daß Du ein Taleb bist, ein Gelehrter, der viele Schulen besucht hat, denn Du sprichst in Worten, die Niemand verstehen kann. Und Du glaubst auch, daß er den Mann im Wadi Tarfaui getötet hat?«

      »Ja.«

      »Warst Du dabei?«

      »Nein.«

      »So hat es Dir der Todte erzählt?«

      »Wekil, die Hammel, welche Du verzehrtest, hätten gewußt, daß ein Todter nicht mehr sprechen kann!«

      »Effendi, jetzt sprichst Du selbst eine Unhöflichkeit! Also Du warst nicht dabei, und der Todte konnte es Dir nicht sagen; woher also willst Du wissen, daß er ein Mörder ist?«

      »Ich schließe es.«

      »Ich habe Dir bereits gesagt, daß nur Allah schließen darf!«

      »Ich habe seine Spur gesehen und verfolgt, und als ich ihn traf, hat er mir den Mord eingestanden.«

      »Daß Du seine Spur gefunden hast, ist kein Beweis, daß er ein Mörder ist, denn mit einer Spur hat noch Niemand einen Menschen erschlagen. Und daß er Dir den Mord eingestanden hat, das macht mich nicht irre; er ist ein Kusch-schakanün, ein Spaßvogel, dessen Absicht es war, sich einen Scherz zu machen.«

      »Mit einem Morde spaßt man nicht!«

      »Aber mit einem Menschen, und der warst Du. Und Du glaubst auch endlich, daß er den Führer Sadek erschossen hat?«

      »Ja.«

      »Du warst dabei?«

      »Allerdings.«

      »Und hast es gesehen?«

      »Sehr deutlich. Auch Hadschi Halef Omar ist Zeuge.«

      »Nun wohl, so hat er ihn erschossen; aber willst Du wirklich deshalb sagen, daß er ein Mörder sei?«

      »Natürlich!«

      »Sihdi, Allah stärke Deine Gedanken, denn Du sollst gleich einsehen, daß der Mensch nicht schließen soll!«

      »Nun?«

      »Weil Du Zeuge bist, daß er den Führer erschossen hat, schließest Du, daß er ein Mörder sei?«

      »Das versteht sich doch ganz von selbst.«

      »Falsch! Wenn es nun eine Blutrache gewesen wäre. Gibt es in Deinem Lande keine Blutrache?«

      »Nein.«

      »So sage ich Dir, daß der Bluträcher niemals ein Mörder ist. Kein Richter verdammt ihn; nur diejenigen, zu denen der Todte gehörte, haben das Recht, ihn zu verfolgen.«

      »Aber Sadek hat ihn nicht beleidigt!«

      »So wird ihn der Stamm beleidigt haben, zu welchem Sadek gehörte.«

      »Auch das ist nicht der Fall. Wekil, ich will Dir sagen, daß ich meinerseits mit diesem Abu el Nassr, der eigentlich Hamd il Amasat heißt und schon vorher wohl auch noch einen armenischen Namen getragen hat, gar nichts zu schaffen haben mag, sobald er mich in Ruhe läßt. Aber er hat den Führer Sadek erschlagen, dessen Sohn Omar Ben Sadek ist, und dieser Letztere hat also, wie Du vorhin selbst erklärtest, ein Recht auf das Leben des Mörders. Mache es mit ihm ab, doch sorge auch dafür, daß mir dieser Vater der Sieger nicht wieder begegnet, sonst rechne ich mit ihm ab!«

      »Sihdi, jetzt trieft Deine Rede von Weisheit. Ich werde mit Omar sprechen, der ihn freigeben soll; Du aber bist mein Gast, so lange es Dir gefällt.«

      Er erhob sich und schritt nach dem Hofe. Ich wußte voraus, daß alle seine Bemühungen bei Omar vergeblich sein würden. Wirklich kehrte er

Скачать книгу