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lassen!«

      »Ja, er soll erschossen werden; vorher aber werde ich ihn verhören, denn ich bin ein gerechter Richter und mag Niemand ungehört verurtheilen. Bring Deine Anklage vor!«

      »Dieser Giaur,« begann der Mörder, »ging mit einem Führer und seinem Diener über den Schott; er traf auf uns und stürzte meinen Gefährten in die Fluthen, so daß dieser elend ertrinken mußte.«

      »Warum that er dies?«

      »Aus Rache.«

      »Wofür wollte er sich rächen?«

      »Er hat im Wadi Tarfaui einen Mann getödtet; wir kamen dazu und wollten ihn festnehmen, er aber entwischte uns.«

      »Kannst Du Deine Worte beschwören?«

      »Beim Barte des Propheten!«

      »Das ist genug! – Hast Du diese Worte vernommen?« frug er mich dann.

      »Ja.«

      »Was sagst Du dazu?«

      »Daß er ein Schurke ist. Er war der Mörder und hat in seiner Anklage die Personen geradezu verdreht.«

      »Er hat geschworen, und Du bist ein Giaur. Ich glaube nicht Dir, sondern ihm.«

      »Frage meinen Diener! Er ist mein Zeuge.«

      »Er dient einem Ungläubigen; seine Worte gelten nichts. Ich werde den großen Rath der Oase einberufen lassen, der meine Worte hören und über Dich entscheiden wird.«

      »Du willst mir nicht glauben, weil ich ein Christ bin, und schenkst dennoch einem Giaur Dein Vertrauen. Dieser Mensch ist ein Armenier und also kein Moslem, sondern ein Christ.«

      »Er hat beim Propheten geschworen.«

      »Das ist eine Niederträchtigkeit und eine Sünde, für die ihn Gott bestrafen wird. Wenn Du mich nicht hören willst, so werde ich ihn beim Rathe der Oase verklagen.«

      »Ein Giaur kann keinen Gläubigen verklagen, und der Rath der Oase könnte ihm nicht das Geringste thun, denn mein Freund besitzt ein Bu-Djeruldu und ist also ein Giölgeda padischahnün, Einer, der im Schatten des Großherrn steht.«

      »Und ich bin ein Giölgeda senin kyralün, Einer, der im Schatten seines Königs wandelt. Auch ich habe ein Bu-Djeruldu; Du hast es in Deiner Tasche.«

      »Es ist in der Sprache der Giaurs geschrieben; ich würde mich verunreinigen, wenn ich es läse. Deine Sache wird noch heute untersucht werden; zunächst aber erhaltet Ihr die Bastonnade: Du fünfzig, Dein Diener sechzig und Dein Führer zwanzig Hiebe auf die Fußsohle. Führt sie hinab in den Hof; ich werde nachkommen!«

      »Alykomün elleri – nehmt die Hände zurück!« gebot sofort der Unteroffizier.

      Die hundert Finger ließen augenblicklich von mir ab.

      »Alyn-iz tüfenkleri – hebt die Flinten auf!«

      Die Helden stürzten auf ihre Gewehre zu und nahmen sie wieder an sich.

      »Wirmyn hep – ütsch – umschließt alle drei!«

      Im Nu hatten sie mich, Halef und Omar umringt. Wir wurden hinaus in den Hof geführt, in dessen Mitte sich ein bankartiger Block befand. Seine Beschaffenheit deutete darauf hin, daß er zur Aufnahme derjenigen bestimmt sei, welche die Bastonnade erhalten sollten.

      Weil ich selbst mich ruhig gefügt hatte, waren auch meine beiden Gefährten ohne allen Widerstand gefolgt, aber ich sah es in ihren Augen, daß sie nur auf mein Beispiel warteten, um der Posse ein Ende zu machen.

      Als wir eine Weile vor dem Blocke gehalten hatten, erschien der Wekil mit Abu el Nassr. Der Schwarze trug den Teppich vor ihnen her, breitete ihn auf dem Boden aus und reichte, als sie sich gesetzt hatten, ihnen Feuer für ihre ausgegangenen Pfeifen. Jetzt deutete der Wekil auf mich.

      »Wermyn ona elli – gebt ihm Fünfzig!«

      Jetzt war es Zeit.

      »Hast Du mein Bu-Djeruldu noch in der Tasche?« frug ich ihn.

      »Ja.«

      »Gib es mir!«

      »Du wirst es niemals zurückerhalten!«

      »Warum?«

      »Daß sich kein Gläubiger daran verunreinigen kann.«

      »Du willst mich wirklich schlagen lassen?«

      »Ja.«

      »So werde ich Dir zeigen, wie es ein Nemsi macht, wenn er gezwungen ist, sich selbst Gerechtigkeit zu verschaffen!«

      Der kleine Hof war an drei Seiten von einer hohen Mauer und an der vierten von dem Gebäude umschlossen; es gab keinen andern Ausgang als denjenigen, durch welchen wir eingetreten waren. Zuschauer gab es nicht; wir waren also Drei gegen Dreizehn. Die Waffen hatte man uns gelassen, so erforderte es der ritterliche Gebrauch der Wüste; der Wekil war völlig unschädlich, ebenso auch seine Soldaten, und nur Abu el Nassr konnte gefährlich werden. Ich mußte ihn vor allen Dingen kampfunfähig machen.

      »Hast Du eine Schnur?« frug ich Omar leise.

      »Ja; meine Burnusschnur.«

      »Mache sie los!« Und gegen Halef fügte ich hinzu: »Du springst zum Ausgang und lässest keinen Menschen durch!«

      »Verschaffe sie Dir!« hatte indessen der Wekil geantwortet.

      »Sogleich!«

      Mit diesen Worten sprang ich ganz plötzlich zwischen den Soldaten hindurch und auf Abu el Nassr zu, riß ihm die Arme auf den Rücken und drückte ihm das Knie so fest auf den Nacken, daß er sich in seiner sitzenden Stellung nicht zu rühren vermochte.

      »Binde ihn!« gebot ich Omar.

      Dieser Befehl war eigentlich überflüssig, denn Omar hatte mich sofort begriffen und war bereits dabei, seine Schnur um die Arme des Armeniers zu schlingen. Ehe nur eine Bewegung gegen uns geschehen konnte, war er gefesselt. Mein plötzlicher Angriff hatte den Wekil und seine Leibwache so perplex gemacht, daß sie mich ganz consternirt anstaunten. Ich zog jetzt mit der Rechten mein Messer und faßte ihn mit der Linken am Genick. Er streckte vor Entsetzen Arme und Beine von sich, als ob er bereits vollständig todt sei; desto mehr Leben aber kam in die Soldaten.

      »Hatschyn, aramin imdadi – reißt aus, bringt Hilfe!« brüllte der Onbaschi, der zuerst die Sprache wiedergefunden hatte.

      Sein Säbel wäre ihm hinderlich geworden, er warf ihn weg und rannte dem Ausgange zu; die andern folgten ihm. Dort aber stand bereits der wackere Halef mit schußfertigem Gewehre.

      »Geri; durar-siz bunda – zurück! Ihr bleibt hier!« rief er ihnen entgegen.

      Sie stutzten, wandten sich um und sprangen nach allen vier Richtungen auseinander, um Schutz in den Mauerecken zu suchen.

      Auch Omar hatte sein Messer gezogen und stand mit finsterem Blick bereit, es Abu el Nassr in das Herz zu stoßen.

      »Bist Du todt?« frug ich den Wekil.

      »Nein, aber Du wirst mich tödten?«

      »Das kommt auf Dich an, Du Inbegriff aller Gerechtigkeit und Tapferkeit. Aber ich sage Dir, daß Dein Leben an einem dünnen Haare hängt.«

      »Was verlangst Du von mir, Sihdi?«

      Noch ehe ich antwortete, erscholl der angstvolle Ruf einer Weiber-Stimme. Ich blickte auf und bemerkte eine dicke, kleine weibliche Gestalt, welche vom Eingange her mit möglichster Anstrengung auf uns zuge--kugelt kam.

      »Tut – halt!« rief sie mir kreischend zu. »Öldirme onu; dir benim kodscha – tödte ihn nicht; er ist mein Mann!«

      Also diese dicke, runde Madame, welche unter ihrer dichten Kleiderhülle mit wahrhaft schwimmähnlichen Bewegungen auf mich zusteuerte, war die gnädige Frau Statthalterin. Jedenfalls hatte sie von dem mit einem Holzgitter versehenen Frauengemache aus der interessanten Exekution zusehen wollen und zu ihrem Entsetzen

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