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schuf man direkt im Meer eine Stadt? Und nicht auf dem Festland von Temuen selbst?

      Warum wurde überhaupt mit Stein gebaut? Gab und gibt es doch Holz in unbeschreiblichem Überfluss. Holzstämme standen in ausreichendem Maße zur Verfügung, um die ganze Insel mit Häusern und Tempeln förmlich zu überziehen. Warum verschmähte man aber dieses leicht zu bearbeitende Material und zog tonnenschwere Basaltsäulen vor? Wie wurden die bis zu neun Meter langen und oft mehr als zehn Tonnen schweren Säulen transportiert? Welchem Zweck dienten die Bauwerke?

      James G.O’Connell war vermutlich der erste Europäer, der die geheimnisvolle Welt von Nan Madol bestaunte und ausführlich beschrieb. In seinem Werk »Adventures of James G. O’Connell«, 1836 in Boston publiziert, lesen wir (3)

      »Das schönste Abenteuer dieser Exkursion war die Entdeckung einer großen unbewohnten Insel, auf der erstaunliche Ruinen waren, von einem geradezu wirklich wundersamen Umfang und Ausmaß. Im äußersten Osten befindet sich eine große flache Insel, die bei Flut in dreißig oder vierzig kleinere unterteilt zu sein scheint, nämlich vom Wasser, das dann ansteigt und über sie fließt. Dort gibt es keine Felsen, die von der Natur aus dort befinden. (Sie müssen also von Menschenhand hingeschafft worden sein.) In manchen Teilen wachsen Früchte, reifen und verfaulen. Aus einer gewissen Entfernung scheinen die Ruinen eine fantastische Anhäufung durch Mutter Natur zu sein, als wir uns aber näherten, waren wir erstaunt ob der offensichtlichen Spuren von Menschenhand bezüglich ihrer Errichtung.«

      »Die Flut war hoch, unser Kanu wurde in einen schmalen Bach gepaddelt, der so eng war, dass er an manchen Stellen kaum durchfahren konnte. Am Eingang passierten wir viele Yards zwischen zwei Mauern, die so nah waren, dass wir beide vom Boot aus, ohne seine Lage zu verändern, die Wände hätten berühren können.«

      Für die Bewohner der Hauptinsel war die Ruinenwelt absolutes Tabu (»majorhowi«). Ein Zauber, so warnte man James G. O’Connell eindringlich, liege auf der mysteriösen Stätte und werde ihn töten, so er den heiligen Bauten auch nur nahekomme. O’Connell ließ sich nicht abschrecken. Immer wieder kehrte er zurück, beobachtete, studierte und notierte seine Eindrücke. Bewundernd hielt er fest: »Die immense Größe eines Teils der Steine in den Wänden machte es unmöglich, dass sie ohne die Hilfe einer mechanischen Apparatur hätten eingebaut werden können, welche allem überlegen hätte sein müssen, was ich bei den Insulanern sah.«

Schuetzt_ein_Fluch_die_kuenstlichen_Inseln_von_Nan_Madol

      Schützt ein Fluch die künstlichen Inseln von Nan Madol?

      Am 26. August 1857 veröffentlichte Dr. L. H. Gulick in »The Friend« seinen Bericht eines Besuchs von Nan Madol. Da heißt es: »Die gesamte Hauptinsel, und auch kleinere der bescheidensten Größe sind, so kann man sagen, von steinernen Strukturen überzogen, die man gewöhnlich als Ruinen bezeichnet, obwohl man daraus nicht ableiten sollte, dass sie tatsächlich in einem ruinenhaften Zustand sind. Es ist schwierig, eine Meile, ja auch nur die Hälfte davon, in irgendeine Richtung zu gehen, ohne auf die Überreste uralter Arbeit zu stoßen. Sie werden an allen möglichen Orten entlang der Küste, Meilen davon entfernt im Landesinneren, auf Anhöhen und in abgeschlossenen Tälern, auf flachen Ebenen und an Steilhängen gefunden.«

      »Nan Douwas« heißt eine der Inseln, für die allein sich jeder Pohnpei-Besucher mehrere Tage Zeit nehmen sollte. Lihp Spegal, der tüchtige Guide, der mich mehrere Tage lang durch die steinernen Anlagen von Nan Madol geleitet hat, übersetzt den Namen so: »Im Mund des Hohen Häuptlings«. Was das zu bedeuten hat, wusste er nicht zu sagen. Just an dieser Stelle soll einst die Gottheit Nahnisohnsapw verehrt worden sein. Hier wurden die ersten Herrscher von Nan Madol feierlich in bunkerartigen Grüften bestattet. Jene Auserwählten sollen noch Kontakt zu den himmlischen Lehrmeistern gehabt haben, die auch in der Südsee als reale Wesen angesehen wurden, nicht etwa als geistige Prinzipien oder Verkörperung von Naturgewalten.

      »Nan Douwas« macht einen wahrlich imposanten Eindruck. Die äußeren Mauern, bestehend aus meterlangen Basaltsäulen, sind stolze neun Meter hoch und drei Meter dick. Das riesige Geviert ist quadratisch angelegt. Jede Seite misst neunzig Meter. Vorsichtigen Schätzungen zufolge wurden allein hier schon 25 000 Basaltsäulen verarbeitet! Im Inneren folgt eine weitere Mauer, die einen Innenhof umgibt. Sie ist wiederum aus Basaltkolumnen errichtet worden. Aus gleichem Material ist auch die zentrale Gruft, die an einen Bunker erinnert. Die meterlangen »Steinbalken« sind millimetergenau aufeinandergesetzt. Auf Mörtel oder ein sonstiges Bindemittel wurde verzichtet. Geschickt wurden immer wieder bewusst Hohlräume ausgespart und mit zerstoßenen Korallen aufgefüllt. Verarbeitet wurden allein für die Gemäuer von »Nan Douwas« 13.500 Kubikmeter Füllmaterial und 4.500 Kubikmeter Basalt in Form von Steinsäulen.

Unser_Rennkahn_vor_Nan_Douwas

      Unser Rennkahn vor Nan Douwas

      Worte sind zu schwach, um hinreichend zu beschreiben, was die Väter des achten Weltwunders einst vollbracht haben! Selbst noch so gute Fotos können die unglaublichen Leistungen der alten Südseebewohner nicht ausreichend würdigen. Die riesigen Gebäudekomplexe lassen sich nun einmal nicht wirklich fototechnisch erfassen. Wer freilich in der tropischen Hitze an Ort und Stelle die mysteriösen Bauwerke abgeschritten ist, der begreift, dass Nan Madol mit Fug und Recht als achtes Weltwunder bezeichnet wird.

      Doch selbst wer es vor Ort erkundet, kann nur erahnen, wie gewaltig der riesige Komplex einst war. Auch heute können noch manche Kanäle per Boot mit möglichst geringem Tiefgang erkundet werden. Andere wiederum sind fast vollständig von tropischem Blattwerk zugewuchert. Es ist ein faszinierendes Erlebnis, sich vorsichtig per Boot in jenes grüne Dickicht hineinzuwagen. Hohe Pfahlwurzeln ragen weit aus dem brackigen, manchmal faulig riechenden Wasser heraus, verzweigen sich oberhalb des Wasserspiegels zu bizarren gewachsenen »Kunstwerken«.

      »Wie können Pflanzen im Salzwasser wachsen?« Lihp Spegal zuckt mit den Schultern. »Es gibt hier wahrscheinlich Süßwasserquellen! Im Gemisch aus salzigem und süßem Wasser gedeihen Pflanzen, die in Salzwasser absterben würden!«

      Fußnoten:

      (1) Brown, John Macmillan: »The Riddle of the Paific«, Honolulu, Hawaii, Nachdruck 1996, Seite 52, Zwischenüberschrift »A vanished Empire Had Ponape as Centre«. (Zu Deutsch: »Ein verschwundenes Reich hatte Ponape als Zentrum«)

      (2) Ebenda, Zeilen 9 und 10 von unten (Übersetzung aus dem Englischen durch den Verfasser.)

      (3) Manuskript-Kopie. Archiv Walter-Jörg Langbein

      Pandanus wächst »unkrautartig« auf Pohnpei. Ihre Früchte wurden schon vor Jahrhunderten von den Seefahrern geschätzt. Gebacken oder zu einer Paste verarbeitet, dienten sie auf langen Seereisen als Kraftnahrung für die Seeleute. Das üppige Blattwerk bietet einen angenehmen Schutz vor der grellen Sonne. Ein mildes Halbdunkel breitet sich aus. Das Auge gewöhnt sich an die neue, angenehme Situation. Obwohl die Luft feucht und warm ist und überall kleine oder größere Tümpel ideale Brutstätten für Moskitos wären, gibt es diese bösen Plagegeister hier nicht. Überall taucht zwischen Wurzeln und Farnen das typische Nan-Madol-Mauerwerk auf. Lange sechs- oder achteckige Säulen sind da aufeinandergetürmt. Meist sind die Mauern nicht sehr hoch, erinnern eher an rudimentäre Fundamente als an Wände. Wurden alte Gebäude weitestgehend abgetragen, wenn neue errichtet wurden? Wie wurden sie transportiert? Auf Kähnen über die Wasserstraßen?

      Deutlicher noch sind Mauern zu erkennen, die die Kanäle begrenzen. Oder sind es die Fundamente der künstlichen Inseln, an denen wir vorbeifahren? Auch im Wasser liegen Basaltsäulen. Wurden sie beim Transport verloren? Oder sind es Reste von Bauten, die hier einst standen? Wurden sie abgetragen, als neue künstliche Eilande angelegt wurden? Angeblich wurde mehrere hundert, vielleicht sogar tausend Jahre an der Inselwelt gebaut. Imme neue Architekten verwarfen alte Pläne und entwickelten neue. Sie ließen wieder abtragen, was Generationen zuvor errichtet hatten. Immer wieder soll Magie im Spiel gewesen sein. Zaubersprüche wurden angeblich benutzt,

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