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in den zweiten großen Aufenthaltsraum der Wohnung, in dem Küchenelemente aus schwarzem Lack und Stahl eine ganze Wand füllten, während die andere Seite von einem ovalen Esstisch für zwölf Personen aus blankpoliertem Holz dominiert wurde. Die Tischplatte bestand aus einer einzigen großen runden Scheibe eines Baumstamms mit Hunderten sichtbaren Jahresringen.

      »Kalifornischer Küstenmammutbaum, ein Spezialimport«, erläuterte die Haushälterin, als sie sah, wie Frank fasziniert seine Finger über die seidenglatte Oberfläche gleiten ließ.

      Pias Blick hatte sich erneut der Aussicht zugewandt. Von dieser Ecke aus sah man das östliche Hinterland von Christianssund, den Wald und natürlich auch noch etwas mehr vom Fjord. Das Penthouse von Peter Münster-Smith hat die beste Aussicht von Christianssund, dachte sie.

      »Hier wohne ich«, informierte Vera Kjeldsen und stieß eine Tür an der Längswand auf.

      Ein großes Schlaf- und Wohnzimmer, eine kleine Essküche, ein hübsch gefliestes Badezimmer.

      »Nett«, sagte Pia. »Wohnen Sie schon lange hier?«

      »Wir sind vor knapp drei Jahren eingezogen.«

      »Und wie lange arbeiten Sie schon für Peter Münster-Smith?«

      »Über dreizehn Jahre. Aber damit ist jetzt ja wohl Schluss.« Ihre gleichgültige Maske war kurz davor, Risse zu bekommen. Dann rieb sie sich mürrisch die Augen und fasste sich wieder. »Wer weiß, wie viel Zeit die mir geben, eine andere Wohnung zu finden.«

      »Die?«

      »Die Erben. Ich vermute, dass Peters Geschwister erben werden. Die Eltern sind tot, und Peter war nicht gerade der Typ, der in seinem Testament den Katzenschutzverein als Erben seines Vermögens eingesetzt hätte.«

      »Haben Sie die Namen und Adressen seiner Geschwister?« Pia Waage zog ihren Block heraus.

      »Der Bruder wohnt in Kapstadt, soweit ich weiß. Ulrik Münster-Smith. Die Schwester heißt Charlotte. Ich habe keine Ahnung, wo sie lebt oder ob sie unter einem anderen Namen verheiratet ist. Begegnet bin ich den beiden nie.«

      »Die drei haben sich nicht oft gesehen?«

      Vera zuckte mit den Schultern.

      »Wann haben Sie Peter Münster-Smith zuletzt gesehen?«, wollte Frank von ihr wissen.

      »Gestern Morgen. Gegen halb neun oder so.«

      »Hat er etwas über seine Pläne für den Tag gesagt?«

      »Nein.«

      »Nicht einmal, ob er zum Essen nach Hause kommen wird?«

      »Nein.«

      »Aber Sie sind doch vermutlich für die Küche verantwortlich?«

      »Nur fürs Frühstück. Außerdem kaufe ich natürlich ein. Was Peter auf die Liste schreibt und was ich zum Saubermachen brauche.«

      »Und wer kocht dann?«

      »Peter natürlich.« Vera sah ihn an. »Peter ist … war ein guter Koch, obwohl er an den meisten Abenden auswärts gegessen hat.«

      »Und wenn er zu Hause war, hat er selbst gekocht. Haben Sie zusammen gegessen?«

      »Nein.«

      »Nie?«

      »Wenn wir etwas zu besprechen hatten, er zum Beispiel eine Einladung plante, dann haben wir zusammen einen Kaffee getrunken. Aber sonst nie. Peter hielt sehr auf die Form. Wir waren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, keine Familie. Und um ganz ehrlich zu sein, ich war sehr zufrieden mit dieser Regelung. Ich will freihaben, wenn ich Feierabend habe.«

      »Aber Sie sind gut miteinander ausgekommen?«

      »Sonst wäre ich ja wohl nicht hier, oder?«

      »Wie sind Sie zu dem Job gekommen?«, erkundigte sich Pia.

      Wieder zuckte Vera die Achseln. »Durch Mund-zu-Mund-Propaganda.«

      »Wie?« Pia setzte sich an den imponierenden Esstisch und bedeutete Vera, sich ebenfalls zu setzen.

      »Erzählen Sie nur weiter«, sagte Frank. »Ich sehe mir den Rest der Wohnung an.«

      Abgesehen von dem großen Küchenraum und dem riesigen Wohnzimmer bestand Peter Münster-Smiths Teil des Penthouses aus einem großen Arbeitszimmer, einem noch größeren Schlafzimmer, zwei Gästezimmern und drei Badezimmern, eins davon war mit einem Whirlpool und der avanciertesten Duschkabine ausgestattet, die Frank je gesehen hatte – mit Strahlen von oben und unten und von den Seiten. Wohn- und Schlafzimmer verfügten über einen Zugang zu einer breiten, mit einem Holzfußboden ausgelegten Terrasse.

      Draußen konnte er die Umrisse einiger Möbel erkennen: eine abgedeckte Außenküche, eine Sitzgruppe und zwei Liegen, die nebeneinanderstanden und mit einer Lage Schnee bedeckt waren. Im Sommer muss es hier fantastisch schön sein, dachte Frank, der es längst aufgegeben hatte, sich seinen Neid nicht einzugestehen.

      Er ging ins Arbeitszimmer. Mehrere Bildschirme standen in einer Reihe, es gab einen Drucker, einen Aktenvernichter und einige weitere Büromaschinen. An der Wand hing eine teure Musikanlage. Alles nagelneu, registrierte er. Frank sah keine Aktenordner, und die Schubladen des schwarz lackierten Schreibtisches waren bemerkenswert leer. Peter Münster-Smith war offenbar ein Mann, der für die papierlose Gesellschaft eintrat, dachte Frank und rief den Computerexperten des NITEC an, des National IT Ermittlungscenters.

      »Ja, vier Computer«, sagte er. »Zumindest sind es vier Bildschirme, die mit demselben Computer verbunden sind. Davon verstehe ich nichts … Nein, selbstverständlich habe ich nicht versucht, sie einzuschalten … Ja, ihr könnt einfach kommen. Wir sind hier bestimmt noch eine Stunde beschäftigt.«

      Frank ging weiter ins Schlafzimmer. Hier sah es auf den ersten Blick ebenso unpersönlich, klinisch sauber und ordentlich aus wie in den übrigen Räumen. Ein großes Doppelbett mit einer gesteppten, perlgrauen Decke dominierte das Zimmer. Er öffnete einen der eingebauten Schränke, die sich über die ganze Wand zogen und deren Türen Spiegel enthielten. Anzüge hingen nach Farben sortiert auf Bügeln. Frank steckte aus reiner Routine die Hände in eine Jacketttasche nach der anderen. Natürlich fand er nichts. Die Hemden lagen ebenfalls nach Farben sortiert in Schrankfächern. Jedes einzelne war professionell gefaltet und mit einer Papierschleife der Reinigung versehen. Frank nahm ein Hemd heraus. Auf dem schmalen Papierstreifen stand Peter Münsters Name, geschrieben in einer einfachen, eleganten Schrift. Die Papierschleifen wurden also für ihn produziert und stammten nicht aus irgendeiner öffentlichen Reinigung. Wusch, bügelte und faltete Vera wirklich jedes einzelne Hemd, bevor sie die Papierschleifen mit Nadeln feststeckte? Vielleicht hatte Peter Münster-Smith es so verlangt, vielleicht geschah es auch auf ihre eigene Initiative hin. Frank legte das Hemd zurück in den Schrank. Er öffnete weitere Einbauschränke und sah, dass überall die gleiche penible Ordnung herrschte. Schuhe, Socken, Unterwäsche. Alles war perfekt sortiert und glänzte vor Sauberkeit. Nirgendwo sah man auch nur ein Staubkorn, nicht einmal ganz hinten im Schrank. Frank bekam allmählich eine Vorstellung davon, womit sich die Vollzeithaushälterin des einzigen Bewohners dieser Wohnung beschäftigte.

      Eine hohe moderne Nussbaumkommode war abgeschlossen. Frank ging zurück in die Küche.

      »Nein«, sagte Vera, der in der Zwischenzeit offensichtlich die Tränen gekommen waren, »dafür habe ich keinen Schlüssel. Die Kommode ist privat.«

      »Sie wissen auch nicht, wo er den Schlüssel aufbewahrte?«

      »Haben Sie es schon mit seinem Schlüsselbund versucht?«

      »Das ist hier.« Pia hob eine Plastiktüte mit einem Schlüsselring. Die Spuren des Fingerabdruckpuders der Kriminaltechniker waren noch darauf zu sehen. »Autoschlüssel, Wohnungsschlüssel, Büroschlüssel … Das sieht aus wie ein Fahrradschlüssel.«

      »Er hat ein Mountainbike«, warf Vera ein und tupfte sich die Nase mit einer Papierserviette. »Für den Sommer.«

      »Vermutlich ist es der hier.« Pia hielt einen ganz einfachen, fast zierlich aussehenden

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