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Leidensstuhl ausgestreckt – nur war heute sein Blick noch düsterer, seine Stirn noch tiefer gefaltet als gewöhnlich, und den eintretenden Polizeibeamten begrüßte er bloß mit einem zornigen Funkeln seiner Augen; dann wandte er den Kopf ab und betrachtete durch das Fenster ohne große Teilnahme die drei Personen, die im Garten zurückgeblieben waren, Richard und die Gendarmen.

      »Wo ist Ihre Tochter, Herr Ritterhausen?« fragte Ermanns.

      Der Hammerbesitzer antwortete nicht. Er hielt sich um so mehr berechtigt, kein Wort an den Beamten zu verschwenden, weil Sibylle ohnehin eben aus ihrem Zimmer in den kleinen Gartensaal trat.

      »Mademoiselle Sibylle,« wandte sich Monsieur Ermanns an diese mit sehr ernstem, fast väterlich klingendem Ton, »so hartnäckig auch Sie und Ihr Vater sich gegen Ihr wahres Beste, wenn ich es Ihnen riet, verstockt gezeigt haben, so komme ich doch einmal als Ihr Freund zu Ihnen, um von Ihnen abzulenken, was über Sie ergehen wird, wenn Sie dabei bleiben, mir ein Geständnis zu weigern.«

      »Was wollen Sie von mir?« fragte Sibylle tonlos.

      »Blicken Sie durch das Fenster in den Garten. Ueberzeugen Sie sich mit Ihren eigenen Augen, daß der Deserteur, welcher Ihr Werkzeug war, in den Händen des Gesetzes ist. Dieser Mensch hat alles gestanden. Er hat offen gestanden, sage ich Ihnen. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort darauf, daß er gestanden hat ... das Ehrenwort eines Mannes, der es wohl mit Ihnen meint. Ritterhausen, wollen Sie jetzt länger leugnen? Jetzt, wo Sie sehen, daß es nichts mehr fruchtet?«

      Ermanns beobachtete, während er so sprach, aufs gespannteste die Züge von Vater und Tochter.

      »Ich kenne den Menschen nicht,« sprudelte Ritterhausen zornig hervor. »Er kann gestehen, was er will!«

      Sibylle hatte unterdessen ihr bleiches von Gram gezeichnetes Gesicht der Gestalt des im Garten stehenden Richard zugewendet.

      »Der Deserteur?« sagte sie halblaut, »der Deserteur ist das nicht – Herr des Himmels!« schrie sie dann laut auf, »das ist ja Richard, Richard von Huckarde.«

      »Wer, Richard?« rief Ritterhausen und machte eine Bewegung, als wolle er aufspringen, sank aber von einem plötzlichen, seinen Fuß durchzuckenden Schmerz an seinen Zustand gemahnt, ächzend zurück.

      Unterdes war Sibylle der Glastür zugestürzt und mit dem lauten Rufe: Richard! einem markerschütterndem Rufe, in dem alle Angst und alle Not ihrer Seele zu zittern schien, wollte sie zu ihm in den Garten, ihm entgegeneilen, als Ermanns zwischen sie und die Tür sprang und sie zurückhielt.

      Sibylle wandte sich ab und sank auf das Kanapee, die Hand aufs Herz gedrückt, totenbleich, die Augen schließend, wie von einer Ohnmacht befangen.

      »Richard zurück?« sagte Ritterhausen – »und er, sagen Sie, habe bekannt, diesen Epaville ermordet zu haben?«

      »Aus freien Stücken hat er es gestanden,« versetzte Ermanns.

      Ritterhausen schüttelte den Kopf.

      »Ich muß aus seinem eigenen Munde hören, um es zu glauben.«

      »Es tut mir leid, Ihnen diesen Wunsch nicht erfüllen zu können, Herr Ritterhausen,« antwortete der Polizeibeamte, der während dieser ganzen Szene Ritterhausen über seine Brille her verstohlen, aber sehr aufmerksam beobachtete.

      »Freilich,« sagte der Hammerbesitzer, »wir haben ja ebenfalls den Grafen ermorden lassen, durch einen Deserteur, wie Sie sagen! Nach Ihrer Ansicht ist er jetzt also doppelt ermordet!«

      Ritterhausen sprach dies mit dem bittersten Hohne.

      »Halten Sie etwa den Herrn von Huckarde der Tat nicht fähig?« fragte Monsieur Ermanns in seiner ganzen Gelassenheit bleibend.

      »Nein!« antwortete Ritterhausen trocken. »Ebensowenig wie dazu, daß er etwas ausgesagt hätte, was uns beschwerte.«

      »Das ist in der Tat auch nicht der Fall,« bemerkte Monsieur Ermanns. »Ich kann Ihnen darüber jetzt, nachdem, was ich sehe, die beruhigendsten Versicherungen geben. Ueberhaupt, mein Herr Ritterhausen,« setzte der Polizeibeamte mit einem tiefen Seufzer hinzu, »überhaupt hoffe ich, daß Sie inne werden, wie meine Art die Sachen anzugreifen nicht so gar schlimm ist, als Sie glauben. Sehen Sie, lieber Herr, Sie nennen mich im stillen einen hinterlistigen Schleicher, einen Falschen, einen Verräter, einen Nichtswürdigen, der sich durch harmloses Schwatzen in das Vertrauen der Leute stiehlt und sie dann zu verderben sucht mit dem, was sie ihm gutmütig anvertraut haben. Ich weiß das, Sie nennen mich so – leugnen Sie es nicht ...«

      Herr Ritterhausen machte keine Miene, als ob er es leugnen wollte.

      »Ich habe,« fuhr Ermanns fort, »allerdings die Politik, mich zunächst mit denen, gegen welche ein Verdacht vorliegt, auf einen freundschaftlichen Fuß zu setzen. Man bringt sie dann zum Plaudern, und wenn sie sich auch nicht verraten, so hört man doch, wes Geistes Kind sie sind. Es ist eben mein Metier, Ritterhausen; was soll man da machen! Daß meine Manier aber nicht so übel ist, sollen Sie jetzt mir einräumen. Denn sehen Sie, ein anderer hätte bei Ihnen immer stramm und geradeaus weiter inquiriert und dann den Geschworenen überlassen, über Ihre Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Ich habe anders gehandelt. Ich habe Huckarde hierher bringen lassen zunächst, um meinen Zweifel zu beseitigen, ob dieser Mensch am Ende vielleicht nicht der oft besprochene Deserteur sei. Ich habe aus Ihren Aeußerungen gesehen, daß er es nicht ist. Es ist in der Tat Richard von Huckarde. Ihr oder vielmehr Ihrer Tochter Betragen hat es mir bewiesen. Und da er die Ermordung eingesteht, so haben wir bloß noch einige Nachforschungen anzustellen, welche uns hoffentlich beweisen werden, daß er mit Ihnen in keiner Verbindung war, seit und nachdem er aus der Fremde zurückkam. Hoffentlich! Nach Ihrem Benehmen bei dem Anblick des jungen Mannes und nach dem Benehmen Ihrer Tochter halte ich Sie jetzt für unschuldig, Herr Ritterhausen. Sehen Sie, das sage ich Ihnen jetzt gleich offen heraus. Hätte ein anderer Inquirent Ihnen das so unumwunden gestanden? Er hätte es nicht getan. Er hätte den Dingen ihren Lauf gelassen. Er hätte sich den Henker darum geschert, ob Ihr Gemüt noch wochenlang länger unter dem entsetzlichen Drucke leide. Ich bin anders, Herr Ritterhausen. Demoiselle Sibylle, schütteln Sie den Schmerz und den Ausdruck von Verzweiflung ab, der auf Ihrem schönen Gesicht liegt. Hören Sie, was ich eben Ihrem Vater sage: ich halte Sie nach dem, was ich beobachtete, für unschuldig. Für vollständig ohne Teil an dem begangenen Verbrechen. Jener Mensch dort« – er deutete auf Richard von Huckarde, der von seinen Gendarmen bewacht in der Mitte des Gartenpfades stand und seine Blicke wie suchend auf die Glastür und das Fenster der Wohnstube gerichtet hielt – »jener Mensch ist der Tat geständig. Er hat den Mord begangen. Sie haben keine Gemeinschaft mit ihm. Sie wußten nicht einmal, daß er nach diesem Lande zurückgekommen ... sehen Sie, das alles durchschaue ich, indem ich auf meine Weise die Dinge angreife; indem ich Mienen, die sich unbelauscht wähnen, belausche; indem ich harmlos plaudere, als sei ich der aufrichtigste Mensch von der Welt. Was haben Sie nun noch gegen diese Weise, Herr Ritterhausen,« schloß Monsieur Ermanns seine Rede, indem er in ein gezwungenes Gelächter ausbrach, »was haben Sie dagegen, wenn ich damit zu dem Ergebnis komme, daß Sie unschuldig sind?«

      »Nichts weiter,« antwortete Ritterhausen, ohne über diese Ehrenerklärung in großen Jubel auszubrechen, doch freilich mit offenbar erleichterter Brust, »nichts weiter, als daß es mir lieber gewesen wäre, Sie hätten mich von vornherein für unschuldig gehalten und hätten mich mit jeder Untersuchung verschont, sei sie nun eine nach der strengen alten Inquisitionsmanier vorgenommene oder nach Ihrer Belauscher- und Belauerweise geführte.«

      Monsieur Ermanns wollte antworten,, als seine Aufmerksamkeit plötzlich von Ritterhausen ab- und Sibylle zugezogen wurde. Sibylle nämlich war hinter seinem Rücken, während er sich dem Hammerbesitzer zuwandte, aufgesprungen, hatte mit einer raschen Bewegung die Glastür aufgerissen, war die paar Stufen in den Garten hinabgeflogen und lag, ehe sich jemand dessen versah, in den ihr entgegeneilenden Richards Armen.

      »Richard – du – du hier – o mein Gott, welch ein Wiedersehen!« stammelte sie, und ihrer selbst nicht mächtig, barg sie ihr von Tränen überströmendes Gesicht an seiner Brust.

      »Sibylle!« sagte er, sie sanft an sich drückend. »So finde ich dich wieder! Sei getrost – fasse dich

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