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Ausgewählte historische Romane. Levin Schucking
Читать онлайн.Название Ausgewählte historische Romane
Год выпуска 0
isbn 9788027225880
Автор произведения Levin Schucking
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Monsieur Ermanns ließ bei diesen Worten die konzentrierte Kraft seines Adlerauges ihre Wirkung tun.
»Ich, verdächtig? Doch nicht verdächtig, den Grafen ...«
»Allerdings, den Grafen ermordet zu haben,« fiel barsch und ohne weitere Umschweife der Untersuchungsrichter ein.
Richard von Huckarde sah die beiden Männer mit großen Augen und überaus verwundert an.
»Ich, den Grafen von Epaville ermordet zu haben?« wiederholte er.
»Was sagen Sie zu dieser Anschuldigung?« fragte Monsieur Ermanns.
»Kein Wort, keine Silbe,« erwiderte Richard heftig.
»Sie begreifen jedenfalls, daß Sie fürs erste in den Händen der Justiz bleiben,« fuhr der Polizeibeamte fort. »Folgen Sie uns nach unten, ich werde Sie nach Düsseldorf transportieren lassen.«
Damit erhob sich Monsieur Ermanns.
Richard blieb regungslos stehen, die Arme über der Brust verschränkt, das Auge starr auf den Boden geheftet.
»Folgen Sie uns!« wiederholte der Untersuchungsrichter, sich ebenfalls erhebend.
Richard folgte nicht. Er schien in Sinnen verloren, er schien für das, was um ihn vorging, keine Organe zu haben ... bis er plötzlich das Haupt aufrichtend, während eine dunkle Röte über seine Züge glitt, ausrief: »Und wenn ich zu Ihrer Anschuldigung Ja sage, wird man dann sofort die Untersuchung gegen andere Verdächtige fallen lassen, wird die törichte und unverantwortliche Verfolgung der Familie Ritterhausen eingestellt werden?«
»Vorausgesetzt, daß zwischen Ihnen und den Leuten, welche Sie nennen, keine Verbindung stattgefunden hat...«
»Das kann ich zur Not doch wohl beweisen,« fiel Richard ein.
»Nun wohl, wenn Sie sich zu der Tat bekennen, als alleiniger Urheber, so kann dieselbe nicht von den Ritterhausen ausgehen,« antwortete der Polizeibeamte. »Es ist auch nicht anzunehmen, daß Sie in Verbindung mit einem Manne stehen, der – der Todfeind Ihres Vaters war!«
»So bekenne ich mich zur Tat,« sagte Richard fest, sich stolz aufrichtend.
Die Wirkung dieses Bekenntnisses auf die beiden Herren war eine verschiedene. Während der Untersuchungsrichter mit einem Blick, der nur eine mit Abscheu gemischte Verwunderung ausdrückte, den jungen Mann ansah, drückte sich in den Augen, womit der Polizeibeamte den geständigen Missetäter betrachtete, etwas ganz anderes aus. War es der Gedanke, daß alle seine Schlauheit bei der Vernehmung und Ausforschung der Verdächtigen auf dem Rheider Hammer umsonst aufgewendet sei, und daß er sie jetzt bei dem Bericht, den er dem Großherzog machen mußte, nicht werde in rechtes Licht setzen können, oder war es ein Zweifel, den er in die Richtigkeit und Wahrheit des Geständnisses setzte: kurz, er sah den bekennenden Verbrecher an mit einer Miene, die eher Mißvergnügen ausdrückte als alles andere. Vielleicht ärgerte ihn auch ein solch rasches Geständnis, welches, alle seine Inquisitionslist überflüssig machte und die cause célèbre, in der er glänzen zu können hoffte, sehr abkürzte.
»Es scheint,« hub er nach einer stummen Pause, die auf Richards rasch ausgestoßene Worte folgte, wieder an, »es scheint nach den Aeußerungen, welche Sie eben fallen ließen, Ihnen am Herzen zu liegen, daß der Untersuchung gegen die Ritterhausen, Vater und Tochter, kein weiterer Verfolg gegeben werde?«
»Weil Sie unschuldig sind,« antwortete Richard fest und bestimmt.
»Es ruht auf dem Hammerbesitzer noch ein älterer Verdacht,« fuhr Ermanns fort, »ist Ihnen der bekannt?«
Richard antwortete nicht gleich.
»Welchen Verdacht meinen Sie?« sagte er dann. »Ich weiß von keinem, der so ernstlich wäre, daß die Justiz sich mit ihm beschäftigen könnte; müßiges Gerede zu berücksichtigen ist doch wohl unter der Würde derselben.«
»Darüber wird die Justiz nun wohl selber zu entscheiden haben, was unter ihrer Würde ist, was nicht. Beantworten Sie meine Frage.«
»Ich glaube, daß ich das bereits tat.«
»Sie halten den Verdacht, von dem ich rede, den Verdacht, der auf Ritterhausen infolge des unglücklichen Endes Ihres Vaters gefallen ist, für ein müßiges Gerede?«
»Ja.«
»Teilen Sie uns Näheres über jenes Ereignis mit. Sie waren zugegen, als Ritterhausen Ihren Vater zum letztenmal – wir wollen annehmen, es sei das letzte Mal gewesen – gesprochen hat.«
»Mein Vater,« entgegnete Richard, »war in einer höchst unglücklichen und bedrängten Lage. Je mehr aber die Sorge seinen Geist niederbeugte, desto mehr suchte er sich aufrecht zu erhalten an seinem aristokratischen Standesbewußtsein, an seiner ungebeugten ritterlichen Ehre. Der Hammerbesitzer Ritterhausen hatte durch die Art, wie er seinen Prozeß geführt, meinen Vater tief gekränkt. Dieser hielt es für ein Gebot seiner Ehre, den Mann nicht länger auf seinem Grund und Boden zu lassen und alle Beziehungen mit ihm abzubrechen. Ritterhausen aber kam und zeigte meinem Vater, daß letzterer nicht imstande sei, diese Beziehungen zu lösen. Ritterhausen hatte Schuldforderungen gegen meinen Vater an sich gebracht; er drohte ihm, diese aufs strengste geltend zu machen, meinem Vater sein letztes Gut, sein Haus sequestrieren lassen zu wollen, wenn er ihm den Besitz des Hammers kündige. Mein Vater, ohnehin gebeugt genug durch seine Lage, vereinsamt, menschenscheu, ohne Freundestrost, wurde so erschüttert durch diese neue Verwicklung seiner Verhältnisse, durch den Gedanken, daß er nicht ausführen könne, was er laut und wiederholt bei seiner Ehre gelobt – sich selbst sowie jedem, der es hören wollte – mein Vater, sage ich, gab sich der Verzweiflung hin und machte seinem sorgenvollen Leben ein Ende. Ritterhausen hat an diesem traurigen Schicksal meines Vaters keinen andern Teil. Er hat sein Recht gebraucht. Vielleicht rücksichtsloser und schroffer als er sollte. Sein Ton in seiner letzten Unterredung mit meinem Vater war triumphierend und fast höhnisch. Er verwundete meinen Vater bis ins Herz. Er ist ein ehrlicher, tüchtiger, aber ein rauher, kalter Mann. Wenigstens war er es damals. Mein Vater war nicht gemacht, mit einer solchen Natur zu streiten. Es war ein Unglück, daß das Schicksal sie zusammenführte. Aber ein Verbrechen ist nicht geschehen, und der Verdacht, von welchem Sie reden, ist eine Torheit.«
»Und doch,« bemerkte hier der Untersuchungsrichter, »trug die Leiche Ihres Vaters eine große, vielleicht tödliche Wunde am Hinterhaupt, als man sie im Flusse fand. Und doch war Ritterhausen, zu ganz ungewöhnlicher Stunde, in der Zeit, wo Ihr Vater seinen Untergang fand, von seiner Wohnung entfernt.«
»Um des Hammerbesitzers Gänge und Verbleib in jener Nacht habe ich mich nicht bekümmert,« versetzte Richard von Huckarde, »und doch glaube ich, daß er durch das Zeugnis eines Geschäftsfreundes, den er an jenem Abend besuchte, gerechtfertigt ist ... Was die Wunde angeht, so glaube ich, man braucht kein Arzt zu sein, um zu erkennen, daß sie durch das Aufschlagen des Kopfes auf eine scharfe Kante des Gesteins, eine felsige Ecke im Flußbette, entstanden.«
»Was ist da nun zu machen?« rief Ermanns nachdenklich aus.
»Aber wollen Sie nicht alle diese Aussagen doch summarisch sofort protokollieren?« sagte er dann zum Untersuchungsrichter gewendet.
»Ich denke, daß es das Beste sein wird,« versetzte der letztere. »Schreibzeug ist ja hier zur Hand!«
Und während nun der Untersuchungsrichter am Schreibtisch des ermordeten Grafen zu protokollieren begann, ging Monsieur Ermanns nachdenklich im Gemache auf und ab, zuweilen nur einen plötzlichen Seitenblick über seine Brille hin auf Richard werfend, der seinerseits sich ruhig auf einen der umstehenden Sessel gesetzt hatte und den Kopf auf den Arm stützend zu Boden blickte.
So verging beinahe eine Viertelstunde, während welcher die Feder des Untersuchungsrichters kritzelnd über das Papier flog. Dieser sah dann auf, legte die Feder fort und fragte: »Sie gestehen also, der Mörder des Grafen Antoine von Epaville zu sein?«
Richard