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mir, da ich dir damit den Frieden und die Freiheit erkaufen kann! Sei getrost ...«

      »Und das soll mich trösten, Richard?« schluchzte Sibylle, »ob dein, ob mein Leben ...«

      Hier wurde die kurze Unterredung unterbrochen – Monsieur Ermanns, der in Hast Sibyllen nachgestürzt war, fuhr gewaltsam dazwischen und trennte die beiden jungen Leute, indem er die Hand auf Sibyllens Arm legte und den Gendarmen einen Wink gab, Richard fortzuführen. Sibylle wollte sich an den Geliebten anklammern, aber Richard drückte einen flüchtigen Kuß auf ihre Stirn und wandte sich dann, um einer Szene mit seinen Wächtern zuvorzukommen, von ihr ab und schritt dem Ausgang des Gartens zu.

      Monsieur Ermanns bot Sibyllen zuvorkommend den Arm, um sie ins Haus zurückzugeleiten. Sibylle achtete nicht darauf, sie blickte mit strömenden Augen dem Dahinschreitenden nach.

      Der Polizeibeamte machte ihr deshalb eine stumme, ebensowenig beachtete Verbeugung und eilte dem von den Gendarmen fortgeführten Richard nach.

      Er schüttelte dabei, während er mit gesenktem Kopf, die Hände auf dem Rücken, dahinschlenderte, nachdenklich sein ergrauendes Haupt.

      Ich fürchte, ich fürchte – so lauteten ungefähr in Worte übersetzt seine Gedanken – wir sind der Aufklärung dieser vermaledeiten Geschichte noch um keinen Schritt näher gekommen. Keine List verfängt bei den Ritterhausen. All meine rührende Gemütlichkeit hat ihnen nicht ein Wort, nicht einen Laut, nicht ein Zucken einer Miene abgelockt, bei dem ich hätte sagen können: jetzt hab’ ich dich! Alle meine Freundschaftsergüsse haben sie in keine Schlinge gezogen ... Ich glaube wirklich, sie haben keinen Teil an der Sache. Ja, sie sind unschuldig, wenn ich mich nur soviel wie ein Dorfgerichtsschreiber auf die Worte und Mienen verstehe, wodurch sich Schuld oder Unschuld verrät. Wären sie schuldig, wir hätten ganz andere Reden gehört. Sie hätten mit beiden Händen zugegriffen, als Ihnen Gelegenheit geboten wurde, die Schuld auf einen andern, diesen Herrn von Huckarde zu schieben. Mein Herr Ritterhausen würde Gründe genug zu finden gewußt haben, weshalb es gerade niemand anders getan haben könne als Richard von Huckarde. Er würde hundert kleine Züge und Tatsachen gewußt haben, woraus hervorgegangen, daß dieser Mensch schon in seinem zartesten Knabenalter, ja in der Wiege ein blutdürstiger Bösewicht gewesen! Nein, es ist nichts mit der ganzen Untersuchung gegen diese Leute. Sie sind der Tat fremd. Ganz fremd. Was ist da nun zu machen? Soll man ein Brett vor den Kopf nehmen und kurzweg in diesem Menschen da den Täter sehen? In diesem Richard von Huckarde? Ist er der Täter? Ist dieser Mensch mit dem ruhigen Blick, mit der stillen Entschlossenheit und dem trotzigen Selbstbewußtsein ein Verbrecher? Nun, er sagt’s ja selber; wir können Seiner großherzoglichen Hoheit wenigstens mit einer Antwort aufwarten, wenn wir gefragt werden, was wir geleistet haben.

      Zwölftes Kapitel

       Erinnerungen und Enthüllungen

       Inhaltsverzeichnis

      Sibylle war, nachdem Richard durch Ermanns und die Gendarmen von ihr getrennt und abgeführt worden, wankenden Schritts in das Haus zu ihrem Vater zurückgekehrt.

      »Sibylle ... was war das? – was bedeutet das?« fragte Ritterhausen erschrocken seine Tochter, »du bist so außer dir, als ob Richard von Huckarde dir gestanden hätte ...«

      »O nein, nein,« fiel Sibylle ein, indem sie außer sich vor Bewegung ihre Arme um die Schultern ihres Vaters schlang und wie an einer Brust Zuflucht suchte, an der sie sich nicht erinnerte geruht zu haben, seit sie aufgehört hatte, ein Kind zu sein; denn Ritterhausen war nicht der Mann, dessen Wesen ein weichfühlendes Frauenherz, und wenn es auch das seiner einzigen Tochter war, seinem Herzen nahe zog.

      »Richard hat mir gestanden,« schluchzte sie, »daß er sich als Schuldigen bekannt habe, nur um mich, um uns zu retten!«

      »Wirklich?« fragte Ritterhausen, indem seine Stimme ein leises Zittern annahm, welches verriet, daß doch Rührung auch den Weg zu seiner Seele gefunden ... »das hätte ihn bestimmt?«

      Er legte seinen Arm um die Gestalt seiner weinenden Tochter und blickte eine Weile stumm in ihre bleichen, schmerzentstellten Züge.

      »Ich habe deine Neigung für Richard von Huckarde wohl gekannt,« sagte er, »ich habe aber für eine Torheit gehalten, daß du sie im stillen forthegtest. Ich habe nicht geglaubt, daß Richard zurückkehren werde. Noch weniger, daß er seine Neigung für dich nicht drüben, jenseit des Meeres, längst vergessen habe.«

      »Nein, nein,« rief sie leidenschaftlich aus, »seiner Treue war ich sicher und gewiß! Aber daß seine Liebe so weit gehen, so weit sich verirren könnte, daß er für mich, für uns in den Tod gehen würde ...«

      »Beruhige dich, Kind ... du ängstigst dich ohne Grund um ihn!«

      »Ohne Grund ... wenn er sich diesen Menschen als Mörder bekennt?«

      »Das reicht allerdings hin, ihn eine längere oder kürzere Zeit in eine höchst unangenehme Situation zu bringen ... und man wird ihn gefangen halten, inquirieren, peinigen ... jedoch dazu reicht es nicht hin, einen Menschen zum Tode zu verurteilen, wenn er unschuldig ist!«

      »Aber wenn er selbst sich schuldig nennt ...«

      »So hört damit die Tätigkeit der Gerichte nicht auf. Sie untersuchen dennoch und die Untersuchung muß bald zu dem Ergebnis führen, daß er die Tat ja gar nicht begangen haben konnte!«

      »Wie leicht kommen scheinbare Verdachtsgründe, unglückliche Umstände, die sein Geständnis zu bekräftigen scheinen, hinzu ...«

      Ritterhausen schüttelte den Kopf.

      »Es ist das möglich,« sagte er, »auch wider den Unschuldigen, der nicht gesteht, kann sich der Zufall verschworen zu haben scheinen, um ihn zu verderben. Aber das sind seltene und ungewöhnliche Fälle. Weshalb sollen wir einen solchen Fall hier fürchten? Wir haben gar keinen Grund dazu!«

      Sibylle war durch diese Rede ihres Vaters nicht beruhigt, und Ritterhausen selbst war nicht so ruhig und zuversichtlich, wie er den Schein annahm, um seiner Tochter Kummer zu mildern.

      »Bei Gott,« fuhr er nach einer Pause fort, »es wäre doch ein zu bitterer Hohn des Schicksal«, wenn Richard von Huckarde um unsertwillen, um des Mannes willen ins Verderben geschickt wurde, der seinen Vater ins Verderben trieb!«

      Sibylle sah ihren Vater groß an. Sie war von diesen Worten aufs äußerste überrascht. Niemals war früher über Ritterhausens Lippen ein ähnliches Wort gekommen, welches ein Schuldbewußtsein in ihm verriet.

      »Du siehst mich überrascht an, daß ich das sage, Sibylle,« fuhr er fort, das Gesicht von ihr abwendend, als ob ihre Blicke ihn drückten ... »du wirst wissen, was ich meine!«

      »Was Sie meinen, weiß ich, Vater,« versetzte sie, »obwohl Sie mir nie etwas gesagt haben von dem, was an dem Unglückstage vorgefallen ist, an welchem Richards Vater seinem Leben ein Ende machte!«

      »Habe ich dir nie davon gesprochen?« sagte Ritterhausen, »ja es mag sein. Du warst damals ein Kind noch ...«

      »Ich war achtzehn Jahre, Vater.«

      »Nun, so schienst du mir ein Kind. Und jedenfalls war die ganze Angelegenheit der Art, daß ich keine Befriedigung darin finden konnte, viel von ihr zu reden.«

      »Und wollen Sie mir jetzt nicht anvertrauen, was vorgefallen ist zwischen Ihnen und ihm an jenem Abende ...«

      »Ich will es – setze dich zu mir, schieb dir den Sessel dort her.«

      Sibylle rückte den Sessel zur Seite des Sitzes ihres Vaters, und indem sie ihren Arm auf die Lehne stützte, sah sie voll kindlicher Innigkeit und voll Vertrauen, daß sie wohl Trauriges und Erschütterndes, aber daß sie nichts hören werde, was ihre Liebe zu ihrem Vater mindern könne, zu ihm auf.

      »Ich ging an jenem Tage hinauf zur Burg,« begann Ritterhausen, »mit den besten Vorsätzen. Ich kam in einer Absicht des Friedens und der Versöhnung. Aber ich hatte mich mit einem Dinge nicht gerüstet,

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