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beschlich ein ungutes Gefühl, und dann ließ er die Bombe platzen, die ihr beinahe den Boden unter den Füßen wegzog.

      »Ich …, äh …, wir …, nun, das hier oben ist alles verkauft, und wir werden nach Amerika gehen …, genauer gesagt nach Arizona.«

      Sie konnte nicht glauben, was er da sagte.

      »Manuel, wie soll das denn gehen, ihr habt hier die Fabrik, und ihr …, ihr gehört doch hierher.«

      »Wie gesagt, es ist alles verkauft, und die Fabrik ebenfalls. Papa hat in Amerika geerbt, und dort fangen wir ein neues Leben an, alle.«

      Darauf konnte Pamela erst einmal nichts sagen.

      Manuel, das Anwesen hier oben, das gehörte zusammen, und wie es die Felsenburg seit gefühlten Ewigkeiten gab, war auch der Platz der Münsters, von Frau von Rieding und von Carlo Heimberg hier und nicht anderswo.

      Das, was Manuel da gerade gesagt hatte, das konnte nicht sein!

      Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und damit konnte Manuel nicht umgehen.

      »Pam, unsere gemeinsame Zeit wäre eh irgendwann einmal zu Ende gewesen. Nach dem Abitur wäre ich weggegangen, vermutlich ins Ausland. Darüber habe ich immer geredet.«

      »Und die Fabrik, die ist doch seit Generationen im Familienbesitz?«

      »Bitte erinnere dich, mein Vater wollte nie, dass ich sein Nachfolger werde, er wollte, dass ich meinen Weg gehe, und der hätte mich niemals in die Fabrik geführt …, weißt du, es ist schade, dass wir gerade jetzt gehen. Wir hätten noch eine schöne Zeit miteinander verbringen können. Aber, wie gesagt, irgendwann wäre eh alles vorbei gewesen. Hier ist viel passiert, und jetzt freuen wir uns alle auf unser neues Leben in Amerika.« Er blickte sie an. »Du kannst uns ja mal besuchen.«

      Pamela wusste, dass das nicht so dahergesagt war, aber daran konnte sie sich jetzt nicht hochziehen. Manuel gehörte doch zu ihrem Leben!

      Sie hatte sich ihre Rückkehr wahrhaftig anders vorgestellt! Sie blickte ihn beinahe anklagend an, und das wollte er nicht auf sich sitzen lassen.

      »Als du nach Australien gegangen bist, da hast du auch nicht gefragt, wie es mir dabei geht. Du hast es überlebt, ich habe es überlebt. Und jetzt ist es halt umgekehrt. Da verlasse ich das alles hier.«

      »Aber ich bin wiedergekommen, und du hast gesagt, dass alles verkauft ist.«

      Solche Gespräche fand Manuel nicht gut, er hatte Angst, dass sie so richtig in Tränen ausbrechen würde. Sie stand dicht davor, und das musste er um jeden Preis verhindern.

      »Was ist, sollen wir, ganz wie in alten Zeiten, mit dem Fahrrad eine Runde um den See drehen?«, schlug er vor.

      Zu jeder Zeit hätte Pamela freudig zugestimmt, aber jetzt ging das überhaupt nicht. Mit diesen Neuigkeiten musste sie erst einmal fertig werden. Sie blickte Manuel an, und da wusste sie, dass er das Gespräch nicht mehr fortsetzen wollte. Er war halt ein Junge.

      »Ein andermal«, sagte sie, »ich fahr dann erst mal wieder nach Hause.«

      »Ich komme mit, ich muss eh an eurem Haus vorbei«, rief er.

      Sie wäre jetzt zwar am liebsten allein gewesen, aber sie wollte nicht zickig erscheinen. Also nickte sie. Sie trank den Rest ihrer Limo aus, stopfte sich einen Keks in den Mund, das ging immer, dann verließen sie gemeinsam das Haus, das mittlerweile einem Fremden gehörte.

      Es zerriss ihr beinahe das Herz, doch sie durfte sich vor Manuel nichts anmerken lassen.

      Sie gingen zu ihren Fahrrädern, fuhren den Hügel hinunter, und jetzt hätte Pamela beinahe gelächelt.

      Es war wie früher. Manuel ließ sie absichtlich gewinnen, dabei war er der viel bessere Radfahrer. Es war schön zu wissen, dass sich wenigstens da nichts verändert hatte. Doch Pamela würde lieber jedes Wettfahren verlieren statt Manuel.

      Als sie unten an der Auerbachschen Villa ankamen, schoss ihnen Luna entgegen. Sie sprang freudig bellend und winselnd an Pamela hoch.

      Wenigstens Luna würde ihr bleiben, dachte Pamela wehmutsvoll und begann die weiße Labradorhündin hingebungsvoll zu streicheln, zu kraulen.

      Manuel sah sich das einen Augenblick an, dann fasste er einen Entschluss. »Ich bin dann mal weg«, rief er. Ihm war anzumerken, wie erleichtert er war, nicht weiter diskutieren zu müssen. »Man sieht sich.«

      Er radelte los, und Pamela sah ein wenig wehmutsvoll hinter ihm her.

      Wie oft würde sie ihn wohl noch sehen?

      Sie hatte vollkommen vergessen, Manuel zu fragen, wann die große Reise in das neue Leben losgehen würde.

      Inge kam vom hinteren Teil des Gartens nach vorne gelaufen, um nach Luna zu sehen. Sie erblickte ihre Tochter und den Hund, und sie sah gerade noch, wie Manuel Münster davonradelte.

      Pamela musste nichts sagen, ihr war anzusehen, dass sie Bescheid wusste. Manuel hatte es ihr erzählt, und nun musste die Ärmste mit dieser Wahrheit fertigwerden.

      Arme Pamela!

      Wie gern hätte sie ihr diesen Kummer abgenommen. Es ging nicht, da musste sie allein durch!

      Inge lief auf ihre Tochter zu, nahm sie in die Arme, drückte sie.

      Jetzt begann Pamela zu schluchzen.

      »Ach, Mami, es ist ja so furchtbar. Da oben haben sie alles verkauft an einen Fremden, und nicht nur Manuel geht weg, nein, sie gehen alle weg. Aber das kann doch nicht sein, das dürfen sie nicht.«

      Inge streichelte ihre Tochter, strich ihr sanft übers Haar. Was sollte sie jetzt sagen?

      Es gab Situationen im Leben, da fand man keine Worte. Sie konnte Pamela nur zeigen, dass sie immer für sie da sein würde, dass sie sie über alles liebte.

      Eine ganze Weile standen Mutter und Tochter eng umschlungen da, es war Luna, die sich schließlich bellend beschwerte. Sie war schließlich auch noch da.

      *

      Inge kehrte ein wenig das Laub zusammen, das jetzt immer stärker von den Bäumen fiel.

      Der Sommer war endgültig vorbei, man konnte froh sein um jeden schönen Tag.

      Früher hatte Inge den Herbst und den Winter gemocht, je älter sie wurde, umso mehr liebte sie den Sommer. Früher hatte sie auch immer davon geträumt, mit ihrem Werner irgendwo im Süden zu überwintern, wenn die Kinder erst einmal aus dem Haus waren.

      Inge ahnte, dass es dazu nicht kommen würde, weil Werner einfach zu umtriebig war und von seiner Arbeit nicht lassen konnte.

      Sie brachte gerade das zusammengekehrte Laub zur Biotonne, als rasant ein Auto vorfuhr, vor der Villa hielt. Rosmarie Rückert!

      Eigentlich hätte Inge jetzt lieber im Garten weitergearbeitet, doch was sollte es, die Arbeit lief ihr nicht davon, und leider würden die Heinzelmännchen nicht kommen, um sie zu vollenden.

      Sie wischte ihre Hand an ihrer Gärtnerschürze ab, dann ging sie Rosmarie entgegen. Das Verhältnis zwischen ihnen hatte sich sehr verändert, und eigentlich mochte Inge die Schwiegermutter ihrer Kinder mittlerweile sogar.

      »Hallo, Inge«, rief Rosmarie, stieg aus dem Auto, kam auf Inge zu. »Ich möchte dich nicht stören, aber ich war bei der Frau Doktor zur Blutabnahme, und da dachte ich, dass ich dir mal kurz Hallo sagen könnte.«

      »Eine gute Idee, Rosmarie. Und da du ja noch nichts gegessen und getrunken hast, komm rein. Ich koche uns einen Kaffee, und du musst unbedingt das Brot probieren, das ich gebacken habe.«

      So war sie, die Inge Auerbach, immer freundlich, auch wenn man sie störte bei der Arbeit, und das hatte sie jetzt getan. Und Rosmarie bewunderte sie auch für ihre Koch- und Backkünste. Inge war schon eine besondere Frau, und Rosmarie war froh, dass sie Inge nicht mehr glühend beneidete, sondern dass sie froh war, dass sie mittlerweile sogar so etwas wie Freundinnen waren. Wie oft hatte sie sich schon bei Inge ausgeweint.

      Sie

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