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Plüschsofa - ganz in sich zusammengesunken, ganz bleich …

      »Allan,« stöhnt er, »Allan, es – ist – etwas …«

      Die zitternde Stimme versagt ihm den Dienst. Sein Kopf sinkt wieder auf die Brust. Ich sehe die Tränen, die über seine Wangen rinnen, sein junges Gesicht, das dem Heliantes fast zu sehr gleicht. Alle Barks ähneln sich – alle …

      Mir ist’s, als sei die ganze Welt plötzlich von Wahnsinn befallen. Erst schlafe ich ein – verschlafe; dann die Meißler, kaum zu erkennen in ihrer Verstörtheit, – und nun noch Erwin in diesem Zustand, mit diesen Andeutungen …

      Ich rüttele ihn.

      »Erwin – was um Himmels willen ist denn geschehen?«

      Da schreit er auf: »Allan, Allan – du schläfst, und Heliante … wird – wird – ermordet – ermordet …!!«

      Meine Linke krallt sich in den Stoff seines Anzugs fest. So finde ich Halt; so taumele ich nicht zurück, stiere ihn nur an, stiere in sein weißes Gesicht, das mir wie in eine Wachsmaske, Schmerz und Entsetzen darstellend, erscheint …

      Ich stiere auf seine Lippen, zwinge ihn so zum Sprechen.

      »Heliante ist nicht mehr, ist tot …!« schluchzt er auf und umklammert mit seinen beiden Händen meine Rechte, die sich schwer auf den Tisch stützt.

      »Also – wahr ist’s – wahr?« keuche ich halb besinnungslos.

      Er nickt nur. Und eine Weile bleiben wir regungslos. Dann steht er auf, taumelnd, müde, zerschlagen.

      »Mein Auto wartet unten – komm!!« sagt er tonlos, fast mich unter und zieht mich mit fort.

      Schwer poltern wir die Treppe hinab. Frau Meißler kommt mir mit Mantel und Hut nachgelaufen.

      Vor dem Haus stehen die Hausbesorgerleute und sprechen mit dem Chauffeur meiner Schwiegereltern. Er ist schon zehn Jahre bei Barks im Dienst. Auch er hat gerötete Augen.

      Das Auto rast davon. Erwin hält meine Hand in der seinen.

      »Allan, Allan – sei stark nachher – es ist furchtbar!« stöhnt er. »So jung, so glücklich, und dann sterben müssen, so – so sterben müssen …!! Vor vier Stunden noch so lebensfroh, und jetzt – still, stumm, – die Beute irgendeines Mordbuben.«

      Ich will die Szenen in der Villa Bark übergehen. Alle meine Energie brauchte ich, um nicht ebenso hilflos, so ganz sinnloser Schmerz zu werden wie meine Schwiegereltern, wie meine Schwägerin Beatrix …

      Gerade Beatrix benahm sich so seltsam. Sie, die Scheue, Zurückhaltende, war mir hier auf die große Diele entgegengeeilt. Schweigend standen wir uns ein paar Sekunden gegenüber. Ihre Augen bohrten sich in namenlosem Jammer in die meinen, als wollten sie darin suchen. Dann umschlang sie mich plötzlich, lag schwer an meiner Brust, hob den Kopf langsam, küßte mich mit so heißen, fiebernden Lippen, flüsterte dann etwas, das ich nur halb verstand … Es klang wie: »Ich weiß nichts – nichts – – ich habe nichts gesehen!« – –

      Ich kann mich aber auch geirrt haben; die Worte mögen andere gewesen sein – etwas anderes …

      Ich hatte den Arm wie schützend um sie gelegt. Ich war verwirrt über die Art, wie ihr Schmerz sich äußerte.

      Und dann ward ich mit einemmal inne, daß sie – Beatrix, gerade Beatrix! –heute von einer feinen Wolke jenes Wohlgeruchs umgeben war, den Heliante stets benutzte, auf den sie so stolz war, – ihre eigene Kreation, eine Mischung verschiedener Wohlgerüche, die ich so sehr liebte.

      Beatrix gab mich frei, trat zurück. Täuschte ich mich? Hatte sie nicht soeben kaum merklich gelächelt …? Nein – es war doch wohl ein Irrtum … Was sollte wohl in diesem Augenblick ein Lächeln schmerzlichen Triumphes …?! – –

      Die Polizei war längst im Hause. Die ganze Mordkommission. Überall schwärmten die stillen, ernsten Beamten umher, tauchten auf, wo man sie kaum vermuten konnte, fragten, horchten, spähten, beobachteten … –

      Gunolt nahm mich nachher mit in den Park, – der bekannte, nein, der berühmte Kriminalkommissar Karl Gunolt.

      Wir gingen schweigend durch die Abenddämmerung. Über die kiesbestreuten, gepflegten, noch regenfeuchten Wege schritten wir, vorbei an der Marmorgruppe der Wasserschöpferin, vorbei an einem Tennisplatz, dem Umkleidehäuschen, der weißen Bank davor … Dort hatte ich mich vor drei Tagen mit Heliante verlobt, auf jener Bank hatte sie mir die Augen zugehalten und mich dann geküßt … Und jetzt war Heliante tot - tot!!

      Ich konnte es noch immer nicht fassen, schaute zur Seite, ob er auch wirklich Gunolt, der berühmte Gunolt war, der neben mir so schweigsam dahinschritt …

      Er war’s – und daher war Heliante nicht mehr, daher war sie ermordet worden … Gunolt hätte an der Lebenden kein Interesse gehabt … –

      Wir näherten uns dem entlegensten Teil des Parkes, der Hinterpforte, die auf eine enge Seitenstraße mündete. Hier steht auf einem künstlichen Hügel inmitten mächtiger Fliederbüsche ein kleiner, chinesischer Tempel, von dem aus man die Hinterpforte im Auge behalten kann; hier hatte Heliante mich so manchesmal erwartet, als wir noch Freunde waren und glaubten, daß Mann und Weib in feinstem, gegenseitigem Verstehen auch ohne Liebe, ohne Zärtlichkeiten sich alles sein könnten. Die weiße Bank am Tennisplatz hat nachher spöttisch gelächelt … –

      Gunolt stieg vor mir die Stufen zu dem bunten Bauwerk hinauf.

      Unten an der Treppe hatte ein Geheimpolizist uns begrüßt. Oben vor der Tür mit dem verschnörkelten Gitterwerk wartete oder wachte ein zweiter … Die tote Heliante war der Polizei sehr wertvoll … – –

      Und dann sah ich Heliante …!

      Man hatte hier im Innern des Tempelchens zwei Acetylenlaternen so aufgestellt, daß die blendend weißen Lichtkegel sich gerade auf der Leiche vereinigten.

      Ich fühlte, wie mein Herzschlag stockte. Alles drehte sich um mich, ein wahnwitziges Karussell von Lichtbüscheln und toten Frauenkörpern raste um mich herum … Aber ich biß die Zähne zusammen – den Schrei würgte ich hinab.

      Das jagende Drehbild stand still. Ich sah nur noch zwei Strahlenkegel, eine Tote … meine Braut – Heliante …!!

      Wie schön sie war – selbst im Tode! Welche Seligkeit hätte sie verschenken können mit diesen Lippen, diesem herrlichen Leib …

      Ihr Kleid, mattgrün, luftig, zeigte an der Stelle des Herzens einen kleinen Blutfleck. Ihre Augen waren geschlossen, die Lippen halb geöffnet; der Gesichtsausdruck feierlich, – und mehr noch, ein Lächeln spielte um den Mund, den ich noch am Vormittag geküßt hatte …

      Gunolt berührte meinen Arm.

      »Werden Sie den Anblick noch eine Weile ertragen können?« fragte er leise. »Der Tod verändert die Züge sehr schnell. Und ich möchte gerade Sie bitten, Herr Doktor, Sie, als den Bräutigam, den mit am schwersten durch diesen Mord Betroffenen, das Antlitz der Toten genau sich anzusehen.«

      Er suchte in seine Stimme warmes Mitgefühl hineinzulegen. Aber ich hörte doch heraus, daß diese Tote, die für mich die Zukunft bedeutet hatte, für ihn nur »der neue Kriminalfall« war – die Pflicht, die Aufgabe: »Fang den Täter!«

      »Unterschätzen Sie mich nicht!« sagte ich hart. »Ich will Ihnen helfen, den Mörder zu finden. Verlangen Sie von mir, was Sie wollen. Ich tu’s! Nur rächen will ich diesen ungeheuren Frevel –!«

      2. Kapitel

       Lächeln und Rosen

       Inhaltsverzeichnis

      »Setzten sie sich, Herr Doktor,« meinte er weich.

      Er hatte ein Gesicht wie ein römischer Gladiatoren, bartlos, hager, jede Linie Energie, Wachsamkeit! Die Stirn von Falten durchfurcht! Das Auge

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