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23. Verbündete

       24. Im Sanatorium

       25. Franz Orskes Sieg und Ende

       26. Das Wappen der Dogmoores

       27. Der berühmte Gunolt

       28. Doch Eifersucht!

       29. Übers Jahr, mein Lieb …

      1. Kapitel

       Regen

       Inhaltsverzeichnis

      Vielleicht liegt es daran, daß das Stammschloß meiner Ahnen droben in Schottland in der Nähe der Meeresküste steht, wo traurige Hochmoore, kalte Nebel, das Toben der See und unendliche, unendliche Regengüsse der Menschenseele ein besonderes Gepräge geben. Man sagt den Schotten ja auch nach, ihre Seele sei außerordentlich leicht in die seltsamsten Schwingungen zu versetzen, sie seien mehr als andere Sterbliche unberechenbare Stimmungsmenschen, und diese Stimmungen würden bei ihnen durch die mannigfachsten Ursachen ausgelöst.

      Merkwürdig trotz alledem! Bei mir tut’s der Regen! Er zwingt mir eine müde, mutlose Gleichgültigkeit auf, unter deren Einfluß alles um mich her ein anderes Aussehen gewinnt – alles, Menschen, Dinge, Geschehnisse …

      Er zwingt sie mir auf. Ich gebe mich ihr nicht hin, ohne mich zu wehren. Ich neige nicht zu Träumereien, zum Nachgrübeln; verteidige mich gegen diesen Feind, verscheuche ihn auch so und so oft. Doch zumeist ist er stärker als ich.

      Ich stehe am Fenster meines Arbeitszimmers und schaue nach Westen zu über den Bahndamm und über die verräucherten Bäume hinweg auf den dunklen, endlosen Forst, auf den Grunewald, der da drüben lagert wie ein schwarzer Streifen, wie ein uralter, mächtiger Wall, gegürtet um die Riesenstadt Berlin. Aus diesem Streifen drängt sich jetzt etwas unheimlich Dunkelgraues hervor, kriecht höher und höher, einem in Bewegung geratenen, vom Zwielicht schwach beleuchteten Gebirgsstock gleichend. Eine Regenwolke …

      Ich schaue ihr entgegen wie einer Feindin.

      Gerade heute, gerade jetzt muß sie auftauchen. Soeben schien noch die Sonne. Nun hat das grauschwarze Ungetüm das Tagesgestirn verschluckt.

      Ich fühle bereits, wie eine seltsame Unruhe an meinen feinsten Nervensträngen reißt. Ich kenne diese Zeichen …

      Das Fenster gibt undeutlich mein Spiegelbild wieder. Ich bin festlich gekleidet. Ich feiere heute Verlobung. Ich sehe die schneeweiße Hemdbrust, darin zwei schillernde Brillantknöpfe. Ein Geschenk von ihr, von Heliante, – das Brautgeschenk.

      Noch eine Stunde, dann werde ich im Auto zu ihr fahren, nach der Hinterpforte des bestgepflegten Parkes der Villenkolonie Grunewald.

      Mit frohem Herzklopfen habe ich mich vorhin angekleidet. Aber die Sehnsucht und die freudige Erregung sind jetzt mit einem Mal wie fortgewischt. Lag all das nur auf meiner Seele feinsten Oberschichten wie leichte Schriftzüge auf einer Schiefertafel, die schon ein feuchter Hauch verblassen läßt?! – Nein doch – nein! Der Regen ist’s, der Feind …

      Das Fremde überfällt mich. Das Fremde. Anders vermag ich’s nicht zu bezeichnen, denn es ist mehr als nur Stimmungsumschwung oder Seelendruck …

      Ich lege die Stirn an die kühle Scheibe und seufze tief auf. Wozu habe ich mich mit Heliante überhaupt verlobt?! Liebe ich sie?! Kann sie, dieses strahlende, verwöhnte Weltkind, mich einsamen Gelehrten lieben? Ist es nicht ein freventliches Wagnis, ein solches Weib an sich zu ketten …?!

      Die ersten Tropfen fallen …

      Fallen, treffen das Fenster, rinnen am Glas entlang, hinterlassen feuchte Streifen; fallen dichter und dichter. Die Musik des Regens setzt ein.

      Ein Heer von Tropfen stürmt jetzt gegen die Scheiben. Ganze Bächlein fließen am Glas herab. Ich seh die Welt da draußen in wunderbarer Verzerrung. Ein Zug rast auf dem Bahndamm vorüber. Nein, es ist kein Zug, es ist ein stinkenden Qualm ausspeiender Drache, ein Ungeheuer der Vorzeit … Leute kommen aus dem Tunnel unter dem Bahndamm hervor. Leute – Menschen?! Zwerge, Kobolde sind’s, die der Schlund der Erde freiläßt – mit Fratzen, lächerlich oder grausig …

      Und stumpf und müde denke ich: »Du mußt zu Heliante – du mußt!!« Große Verlobungsfeier … Vierzig Personen … Darunter auch der Graf, der Heliantes Millionen und … meine Heliante daneben als Zugabe haben wollte …! Wollte! Hätte er sie doch beide für sich erobert, beide …! Denn Heliante und ich …?! Ein Wahnwitz! Heliante Bark, – eitles Püppchen, Parvenütochter – und ich, ich – Allan Lord Dogmoore, Stammbaum bis 1121, der letzte Dogmoore … Nicht mehr Schotte, Engländer, – Deutscher jetzt, auch im Herzen, deutsches Blut in den Adern – von der, die ich anbete, die mir alles ist: meine Mutter …!

      Ich lasse mich in den Klubsessel fallen, der neben dem Rauchtischchen dicht am Fenster steht … Ich grübele und grübele. Eine dumpfe Feindseligkeite ist in mir, etwas Wildes, Zügelloses … –

      So ist es immer, wenn der Regen mich überwältigt. Ein Fremder ist in die Hülle meines Ich’s hineingeschlüpft wie ein widriger Wurm. Ich grübele …: Heliante und ich – Wahnwitz …

      War ich soeben eingeschlafen …?! »Raffe dich auf, Allan Dogmoore …! Sie erwartet dich – im Park, im Pavillon …«

      Ah – doch keine Täuschung! Da ist Frau Meißlers Stimme, – hell, scharf wie das Schrillen eines Weckers.

      »Herr Doktor – Herr Doktor …!!«

      Ich werde munter, fahre mit der Hand über die Stirn, über die Augen, schaue verwirrt um mich … Ich muß wirklich im Klubsessel ein-geschlafen sein. Ich sehe draußen die Röte eines wunderbaren Sonnenuntergangs den Himmel färben …

      Wieder der Wecker: »Herr Doktor …!!« Die magere Witwe kreischt gräßlich …

      »Ja doch – ich komme ja schon …!!« Ich springe auf, und – mein Fuß stockt … Heliante, Verlobungsfeier, und draußen schon der Abend …!! – Das schießt mir durch den Kopf, und der Schreck lähmt mich förmlich.

      Ich habe die Zeit verschlafen. Um viertel sieben hätte ich bei Heliante sein müssen – – Hinterpforte, chinesischer Pavillon – – weiche Arme, Küsse, Duft von Frauenhaar – – all das Süße ihrer Nähe – – und jetzt –, jetzt muß es etwa neun sein, neun …!!

      Abermals: »Herr Doktor …!!«

      Ich schüttele die Erstarrung ab, eile der Türe zu, – – da – – wer hat denn abgeschlossen?! – Ich drehe den Schlüssel um, reiße die Tür auf …

      Mein Arbeitszimmer hat Flureingang. Das elektrische Licht brennt bereits im Treppenhaus. Ich sehe, wie verstört die Meißler ist. Ihre Augen sind ganz wild, ganz weit, und neben Entsetzen bemerke ich darin etwas wie Mitleid.

      »Was gibt’s denn, Frau Meißler?«

      »Oh, mein Gott, Herr Doktor … Ihr Schwager sitzt drüben bei mir …«

      »Ja – ja – ich bin eingeschlafen – im Klubsessel – unverantwortlich von mir.«

      »Nein – nein, – nicht das … Aber – kommen Sie – kommen Sie …!«

      Und sie eilt mir voraus. Wenige Schritte sind’s nur bis zu ihrer Flurtür. Bei der Meißler riecht es wie immer nach muffigen Kleidern, Bratenfett und nach Petroleum, von dem Lämpchen, das hier

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