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was Sie eigentlich trieben. Sie wußte zwar, wann das Fest beginnen sollte, dachte aber, es wäre vielleicht für später angesetzt worden, und ließ Sie daher schlafen. Sie waren mithin in der kritischen Zeit daheim, Herr Doktor. – Als Heller mir dieses Ergebnis seines Besuches bei der Meißler meldete, hatte ich nichts mehr dagegen, daß Ihr Schwager zu Ihnen fuhr. – Wenn nun überhaupt noch ein Rest von Mißtrauen gegen Sie in mir rege war, so wurde auch dieser vollkommen zerstreut durch Ihr Verhalten angesichts der Toten.«

      Gunolt schwieg.

      Da packte mich eine maßlose Empörung. Ich ballte die Fäuste, bin sicher ganz bleich geworden.

      »Herr!« schrie ich diesen fischblütigen, mit so hirnverbranntem Übereifer handelnden Menschen an. »Herr – und das wagen Sie mir alles so offen zu sagen –?! Ich – ich – der Mörder meiner Braut –?! Sie müssen …«

      Vor dem Lächeln, das seinen Mund umspielte, und daß ich gerade noch zur rechten Zeit gewahr wurde, verstummte ich ganz von selbst. Es hätte seiner warnenden Handbewegung gar nicht bedurft.

      »Meine Pflicht ist oft sehr, sehr schwer, Herr Doktor,« sagte er ruhig und ernst. »Schwerer vielleicht, als Uneingeweihte ahnen –. Wir müssen manches tun, was uns widerstrebt, was gegen unsere Natur ist. Der Scharfrichter köpft auch nicht, weil es ihm Spaß macht.« Und dann in energischem Ton: »Wollen Sie mit zu Egon Wallner kommen?«

      Das Barksche Auto brauchte keine zwanzig Minuten bis zur Bitterfeld Straße in Schöneberg.

      Wir drei – Gunolt hatte den Kriminalwachtmeister Heller noch mitgenommen – standen vor einem armseligen, alten Haus. In der Mansarde hatte der findige Wirt ein Atelier herrichten lassen. – Wie es mit Egon Wallners Einnahmen und seiner künstlerischen Tätigkeit bestellt war, sagte schon diese Wohnung.

      Er empfing uns in einem einst weiß gewesenen Flanellanzug.

      Wie er so in seiner Flurtür stand und uns erstaunt musterte, beleuchtet von dem brodelnden, flackernden Licht einer Gaslampe mit nur halbem Glühschrumpft, traute ich ihm alles Schlechte zu.

      Er hatte ein richtiges Mephistogesicht. Nur die Haarmähne war zu lang, zu genial. Aber die Augen flackerten und flimmerten dafür desto unheimlicher.

      »Sie wünschen?« fragte er kurz

      Gunolt bat um eine Unterredung, mußte aber erst seine Legitimation zeigen, ehe der Maler uns beide einließ. Heller blieb draußen.

      In dem langgestreckten Atelier schwamm zwischen den beiden brennenden Lampen der Gaskrone dicker Zigarettenrauch. Und auf allerhand Sitzgelegenheiten rekelten sich drei junge Leute und zwei Damen, – Malweibchen, die wohl auch die Bäume violett sahen und die Menschengesichter grün. –

      Gunolt fragte, wo Wallner sich heute Abend zwischen halb sechs und halb acht aufgehalten habe.

      »Was soll das?!« meinte der Mephisto unfreundlich. »Ach so – Sie sind ja von der Polizei. Also muß ich antworten.« –

      Er deutete auf seine Gäste. »Die Herrschaften sind seit sechs Uhr hier. Keiner ist wegen Meineides vorbestraft, also alle gut als Zeugen, – nicht wahr? – Ich selbst habe meine Wohnung nicht verlassen, nachdem ich mit jener Dame zusammen,« – wieder eine Handbewegung nach einem der Malweiber hin – »für bare vier Mark für uns alle gegen sechs Uhr unten beim Krämer Abendrot eingekauft hatte. – Sind Sie beruhigt? Ist vielleicht in einem Juwelierladen eingebrochen worden? – Ich bin nämlich Maler – weder Einbrecher, Totschläger, Taschendieb noch sonst was, das Sie vielleicht interessieren könnte, Herr Kommissar.«

      Während er so höhnte, suchte mich sein Blick immer wieder. Nun trat er plötzlich dicht vor mich hin.

      »Sie sind doch der Privatdozent, Dr. Allan Dogmoore,« zischte er mich an. »Sie – Sie sind ein Dieb – Sie haben mich bestohlen –!« Dann lachte er wie ein verrückter auf. »Verzeihen Sie!« fuhr er schnell und höflich fort, »nein, Sie können ja nicht Allan Dogmoore sein! Der feierte heute Verlobung – mit – zwei Millionen und dem dazugehörigen Puppenfrätzchen –!«

      Gunolt schob mich schnell beiseite. Es wäre nicht nötig gewesen. Ich verließ von selbst das Atelier und gesellte mich Heller zu.

      »Nun, Herr Doktor – Erfolg?« fragte dieser. Er war jung, groß und kräftig, mit recht sympathischem Gesicht.

      Ich zuckte die Achseln. Ganz mechanisch holte ich mein Zigarettenetui hervor, hielt es auch Heller hin.

      Wir rauchten schweigend.

      Dann kamen aus Egon Wallners Tür hintereinander seine fünf Gäste herausgeschlichen, schauten mich an, murmelt etwas von »aufrichtiges Beileid« und verschwanden die Treppe hinab.

      Wir rauchten und warteten.

      Endlich erschienen Gunolt und der Maler.

      Dieser reichte mir stumm die Hand. Ich sah Tränen in seinen Augen –. Wortlos kehrte er darauf in seine Behausung zurück.

      »Gehen wir,« meinte Gunolt leise.

      Heller schickte er dann nach dem Polizeipräsidium mit irgendeinem Auftrag. Das Auto raste wieder der Villenkolonie Grunewald zu.

      Nach einer Weile begann Gunolt: »Als ich Wallner mitteilte, was geschehen, hat er – geweint und seine Bekannten hinausgejagt. Er muß Ihre Braut sehr verehrt haben. Er hat mir alles erzählt. Es ist die harmloseste Schwärmerei gewesen – nur von seiner Seite! Fräulein Heliante hat ihn nie ernst genommen –. Armer Kerl, – die Todesnachricht traf ihn wie ein Blitz. Ich sagte ihm, daß Sie wirklich der Bräutigam seien. Er hatte nur Worte des Mitgefühls für Sie. Ein anständiger Charakter, ohne Frage.«

      Minutenlang hing jeder seinen Gedanken nach. »Wallner hatte geweint. – Er hatte Heliante geliebt – wie ich. Aber, selbst wenn seine Liebe noch größer gewesen wäre als die meine, – ich hatte doch schwerer zu tragen an diesem düsteren Unheil, denn ich wußte, was Heliante einem Mann sein und geben konnte –.

      »Ihr Schwiegervater wird dreitausend Mark Belohnung für die Ergreifung des Mörders aussetzen,« begann Gunolt wieder.

      Arme Heliante – nur dreitausend Mark!! So viel hatte dein letzter Pelzmantel gekostet –!

      Ich erwiderte nichts.

      »Geld schärft die Erinnerung,« meinte Gunolt. »Vielleicht hat jemand den Mörder gesehen, als er über das hintere Parkgitter kletterte.«

      Mir schien’s, als wollte er mich nur darauf vorbereiten, daß die Untat möglicherweise ungesühnt bliebe.

      »Haben Sie sonst irgend einen Verdacht?« fragte er dann. »Hat Ihre Braut vielleicht noch andere Bewerber gehabt? – Sie wollen doch, daß der Mörder entdeckt wird, Herr Doktor. Helfen Sie mir also –.«

      »Graf Herbert Blenheim,« erwiderte ich kurz.

      »Ah – Blenheim! So, so!«

      Das Auto hielt vor der Barkschen Villa. – Wir gingen durch den Vorgarten auf das Haus zu.

      »Fräulein Beatrix soll im letzten halben Jahr drei sehr günstige Partien ausgeschlagen haben,« meinte Gunolt, indem er stehen blieb.

      »Woher wissen Sie –?«

      »Von der Frau des Pförtners, die bei den Zwillingen Amme war. – Ihre Schwägerin studiert Medizin. Sehr eifrig?«

      Ich nickte zerstreut. – Weshalb standen wir hier? Was wollte er von Beatrix –?

      »Ich möchte die junge Dame nochmals in Ihrer Gegenwart vernehmen, Herr Doktor?« sagte Gunolt jetzt ohne besondere Betonung. Und doch wurde ich stutzig und schaute ihn mißtrauisch an.

      »In meiner Gegenwart? Wozu das?« –

      »Ich habe zufällig die Begrüßung zwischen Ihnen und Fräulein Beatrix auf der Diele beobachtet. Ihre Schwägerin sprach dabei so einiges, was nicht recht klar erscheint. – Besinnen Sie sich? –«

      »Ich weiß von nichts und habe nichts gesehen« –

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