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Verbrechens mit Erfolg durchgemacht hat. Der Gassenhauerpfeifer wird sich melden, falls er nicht gerade für den Mörder Schmiere gestanden hat. Das nehme ich aber nicht an.«

      »Ihre Beweisführung genügt mir nicht,« erwiderte ich in Erinnerung an Beatrix’ Küsse. »Es gibt Frauen, die mehr Phantasie besitzen als Kriminalschriftsteller und alte Zuchthäusler.«

      »Gewiß – wenn Sie diesen Frauen Zeit lassen, sich eine bedeutungsvolle Kleinigkeit auszudenken. – Beatrix wußte nicht, daß wir die Spur neben der Tanne gefunden hatten, weiß es jetzt noch nicht. Trotzdem sagte sie nur: »Der Mann blieb neben der Tanne stehen und wandte sich nach mir um.« – Unsere Feststellung, die Fußeindrücke eben, und ihre Angaben decken sich also.«

      Ich schwieg. Gunolt war der schärfere Geist. Ich mußte hier links abbiegen, und Gunolt wollte vom Ringbahnhof Halensee nach dem Alexanderplatz. Wir sagten »Gute Nacht«, trennten uns. –

      Frau Meißler war noch auf, kam in mein Arbeitszimmer, sprach mir ihr Beileid aus. Ihre Augen schwammen in Tränen. Ich hätte ihr nie so viel warmes Gefühl zugetraut.

      Dann entschuldigte sie sich weinerlich, weil sie mir den Besuch Hellers verschwiegen hatte.

      »Diese Polizei –diese Polizei!!« fügte sie empört hinzu. »Gerade auf Sie Verdacht zu haben, Herr Doktor – ein solcher Unsinn!! Ein Glück, daß ich schon vorher durch das Schlüsselloch geschaut hatte …Sie schliefen so fest in Ihrem Klubsessel …«

      Ich setzte mich nachher an den Schreibtisch.

      Der Brief an meine seit Jahren gelähmte Mutter, die bei ihrer Schwester in Emden ein Unterkommen gefunden hat, nahm Stunden in Anspruch. Zu ihr flüchtete ich mit meinem Schmerz. Sie war so glücklich gewesen über meine Verlobung, die ich ihr telegraphisch mitgeteilt hatte. Sie hatte sofort der Tante einen langen Brief für mich diktiert.

      Und nun mußte ich ihr das Furchtbare vorsichtig beibringen. –

      Den Brief trug ich selbst sofort in den Kasten. Der Morgen graute schon.

      Ich bin dann vor Übermüdung eingeschlafen. Der Mann in Grau geisterte in meinen wilden Träumen umher – – Er – Er – –!! –

      Er – existiert! Außer Beatrix haben ihn noch drei einwandfreie Zeugen gesehen. Sie meldeten sich auf den Zeitungsaufruf hin.

      Gunolt überbrachte mir am zweiten Tag nach dem Mord diese Kunde. Es war vormittags gegen elf. Ich hatte gerade zu meinen Schwiegereltern gehen wollen.

      »Ich werde nicht lange stören, Doktor,« meinte er in seiner frischen Art. Er war nicht immer der bedächtige Beamte. Und dann mochte ich ihn lieber.

      Er saß in meinem Klubsessel am Fenster und erzählte, rauchte dabei eine Zigarette nach der anderen, seine eigenen. Sie hatten ein wundervolles Aroma.

      Er erzählte. Ein Bäckerlehrling hatte den Walzer gepfiffen. Er hatte Brote nach dem Grunewald-Sanatorium gebracht. Auf dem Rückweg sah er, wie der Graue über das Gitter kletterte. Da war ihm gleich der Gedanke gekommen: »Der Mann hat was ausgefressen! Einer mit gutem Gewissen schaut sich nicht so scheu nach allen Seiten um!« – Deshalb folgte er ihm auch – mehr aus Langeweile freilich, und auch, weil sie denselben Weg zu haben schienen. Der Graue rief dann jedoch in der Königsallee ein Auto an und fuhr davon. Der Kraftwagen war rot gestrichen und hatte goldene Zierleisten.

      »Jetzt suchen wir dieses Auto,« erklärte der große Gunolt weiter. »Wir werden es bald haben. Der Chauffeur wird manches aussagen können. – Übrigens hat der Bäckerlehrling bestätigt, was Fräulein Beatrix über das leicht geschwärzt Gesicht des Mörders anzugeben wußte. Leider konnte er sich jedoch auf Einzelheiten der Gesichtzüge ebensowenig besinnen, wie das Stubenmädchen der Villa, die der Hinterpforte des Barkschen Parkes gegenüberliegt. Dieses Stubenmädchen ist also die dritte Person, die unseren Mann beobachtet hat. Sie stand in der Veranda der Villa und deckte den Abendbrottisch. – Wir wissen jetzt also ganz zweifelsfrei: leicht geschwärztes Gesicht, grauer Anzug, gelbe Schuhe, Mütze … Hierin stimmen die drei Aussagen genau über einen – wir können zufrieden sein, Doktor.«

      Er erhob sich. »Ich hoffe, in zwei, drei Tagen ist die Sache für mich erledigt,« meinte er und warf den Zigarettenrest in die Aschenschale.

      Ich blickte an ihm vorüber zum Fenster hinaus – auf den langen, dunklen Strich des Waldes, auf den Bahndamm, auf den Tunnel darunter. Die Schienen blinkten in der Sonne. Wir hatten jetzt klares, beständiges Wetter.

      »Sie sind leicht zufriedenzustellen, sehr leicht, – zu leicht für Ihr Metier, Gunolt,« sagte ich, von Zweifeln gepeinigt »Sie vergessen das Lächeln und die Rosen –. Aber ich denke daran. Und ich überlege mir, Heliantes letzte Gedanken nach dem tödlichen Stoß von der Hand dieses Mannes können nicht dieses Lächeln hervorgelockt haben – niemals! – Wo bleibt Ihre Ansicht jetzt, daß Heliante den Täter gekannt haben muß –?!«

      »Wenn dieser Fall keine starken Widersprüche in sich tragen würde, Doktor, werde ich nicht hinter dem Mörder her,« erwiderte er. »Gunolt läßt sich keine alltägliche Arbeit zuweisen. – Der Mann kann verkleidet gewesen sein. Unserer heutigen Schmiede, Schlosser und Arbeiter in rauchigen Werkstätten waschen sich nach Arbeitsschluß, laufen nicht schmutzig umher. Das war früher mal. Vielleicht könnte uns Fräulein Beatrix Gewißheit geben, ob er verkleidet war.«

      Wieder Beatrix –!

      Ich zuckte die Achseln, lachte ironisch auf. »Ich vermag Ihren Gedanken auf so verworrenen Pfaden nicht zu folgen, Gunolt –!« entgegnete ich kurz. Er war mir jetzt unleidlich mit seinen erkünstelten Theorien, durch die er die Widersprüche auszugleichen trachtete.

      Er blickte mir prüfend ins Gesicht.

      »Sagte ich Ihnen nicht, Doktor, daß gerade wir wenig Freunde haben –? Begegnet man mal einem Menschen, dem man die Hand zu treuem Bunde uneigennütziger Freundschaft hinstrecken möchte, so liest man bei den des anderen Augen kühle Zurückweisung.«

      Ich schaute meine Fingernägel an. Die Verlegenheitspause war nur kurz.

      »Ich war vorhin bei Bark,« fuhr Gunolt gleichmütig fort. »Ich habe Ihre Schwägerin gesprochen, ihr zuerst erzählt, daß zwei weitere Zeugen den Grauen gesehen haben. Absichtlich fügte ich hinzu: »Ihre Schwester wird gerächt werden. Jetzt werde ich den Mann finden. Das rote Auto mit Gold werde ich zu verwerten wissen.« – Was, meinen Sie, Doktor, tat Beatrix darauf?«

      Ich hob gespannt den Kopf.

      »Sie wurde bleich, Doktor, sehr bleich, und sie quälte die Worte hervor – nur um diesen Farbenwechsel zu bemänteln: »Hoffentlich haben Sie Glück.« – Ich fühlte, daß sie das gerade Gegenteil meinte. – Ihre Schwägerin kennt den Grauen –!«

      Es klopfte. Die Meißler brachte mir einen Brief.

      Ah – von meiner Mutter –!

      Gunolt verabschiedete sich. Ich blieb in recht zwiespältiger Stimmung zurück. – Heliantes Tod würden nie gerächt werden, davon war ich überzeugt. Gunolt nahm die Sache zu leicht. Nun sollte gar Beatrix wissen, wer der Graue war …!

      6. Kapitel

       Das Haar

       Inhaltsverzeichnis

      »– ich wünsche nur, daß dir noch Schwereres erspart bleibt, mein lieber Sohn. Ich werde täglich zu Gott beten. Ich habe mir die tiefe Frömmigkeit von deinem Vater erworben. Die meisten Schotten sind gläubig. Viele behaupten, sogar abergläubisch! – Seltsame, unheimliche Gaben sagt man den Kindern des Landes nach, dem das Geschlecht der Dogmoores entstand: die des zweiten Gesichts, – und noch anderes. – Ich weiß viel hierüber – zu viel. Ich spreche nicht gern davon. Ich bete nur: Gott Vater, erspare meinem Einzigen noch Schwereres! – Sollten aber doch harte, die härtesten Prüfungen an Dich herantreten, mein lieber Sohn, so säume nicht, mir dasselbe Vertrauen zu bezeigen, das stets zwischen uns geherrscht hat. Ich könnte dich vielleicht

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