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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Wenn wir nur erst wüßten, wo Viktor steckt,“ begann er nachdenklich. „Dieser Privatdetektiv ist ein Esel! Ihn so entwischen zu lassen. – Ob das Material, das wir zusammen haben, wohl zu einer Entmündigung genügen wird?“
„Nein!“ entgegnete der Konsul lebhaft und schlug mit der Faust auf die Schreibtischplatte. „Leider nein! Wenn wir ihm nicht noch ganz dumme Streiche nachweisen, wird unser Antrag glatt abgelehnt. So können wir zum Beispiel den letzten Trunkenheitsexzeß gar nicht mit anführen, ich meine, als Viktor damals frühmorgens mit nassen und schlammbedeckten Kleidern heimkehrte. Es hat sich jetzt herausgestellt, daß er an jenem Morgen einen Hafenarbeiter mit höchster eigener Lebensgefahr durch tauchen aus dem Wasser geholt hat. Man wird für ihn die Rettungsmedaille beantragen.“
„Nein – so etwas! Das heißt Pech haben!“ polterte Pinkemüller.
Der Konsul lächelte gequält. „Der Gerettete wird anders sprechen, und die Welt und die Richter auch,“ sagte er heiser auflachend. „Auch das Versetzen der Uhr und der Ringe darf in unserem Entmündigungsantrag nicht erwähnt werden. Für Viktor ist nachträglich noch bei uns ein Brief von einem Feldwebel Kuhnke aus Neufahrwasser eingegangen. Ich habe diesen Brief – natürlich nur aus Versehen! – geöffnet. Kuhnke ist der frühere Feldwebel der Kompagnie, bei der Viktor als Einjähriger gestanden hat. Es muß dem Mann sehr schlecht gehen, denn er bedankt sich für die Geldzuwendungen, die Viktor ihm in so feinfühliger Weise zugestellt hat, besonders für die letzten hundert Mark. –
Und diese hundert Mark, Schwager, hat Kuhnke erhalten, nachdem dieser, mein … hochherziger Herr Schwiegersohn, die Uhr bei Katzenstein untergebracht hatte …!! Mithin dürfte es besser für unsere Zwecke sein, dies ganz aus dem Spiel zu lassen.“
„Ja – aber was bleibt denn dann noch von dem Belastungsmaterial übrig, wenn …“ – Pinkemüller war ganz entsetzt, konnte den Satz nicht einmal beenden, trank dafür aber das dritte Glas Madeira.
Gleich darauf erschienen Ihle und Spengler und wurden sehr höflich zum Platz nehmen aufgefordert. Der Kommissar war es dann, der die beiden Herren vorsichtig darüber aufklärte, daß leider, leider sehr schwer wiegende Verdachtsgründe gegen Viktor Ruhnau und seinen Freund vorlägen, aus dem leeren Hause einen ihnen nicht gehörigen Gegenstand in der Mordnacht mitgenommen zu haben.
Der Konsul war hellhörig genug, um aus den Andeutungen Ihles dessen wahre Ansicht über diesen Besuch der beiden in dem alten Gebäude herauszuhören.
„Sie brauchen mich nicht zu schonen, – halten Sie mit nichts zurück, Herr Kommissar,“ sagte er plötzlich mit stark gerötetem Gesicht und vor Aufregung unruhig hin und her tastenden Händen.
Ihle holte jetzt den Brief hervor, breitete ihn so, daß nur die Unterschrift zu sehen war und hielt ihn dem Konsul hin.
„Ist dies ihres Schwiegersohnes Namenszug?“ fragte er ernst.
Schimpel wollte nach dem Brief greifen. Aber Ihle wehrte ab. – „Bedaure, – ich kann ihn nicht aus der Hand geben!“ meinte er.
„Es ist Viktors Unterschrift!“ erklärte der Konsul darauf. „Mein Schwager wird dies ebenfalls bestätigen. – Was hat es mit den Brief auf sich?“
„Dienstgeheimnis, Herr Konsul,“ meinte Ihle mit höflicher Verbeugung.
„Aber ich darf doch wohl erfahren, ob Viktor etwa im Verdacht steht, jenen Tompson – hm, ja –, – ach, ich bringe es gar nicht über die Zunge!!“ –
Schimpel betupfte sich die schweißfeuchte Stirn.
„Ich darf nichts sagen,“ erwiderte Ihle ausweichend.
„Das genügt!“ rief der Konsul und tauschte mit Pinkemüller einen Blick aus. „Mein Gott, dieser Mensch ist eine Schande für die Familie …!!“
„Ja, Sie haben ihn ja wohl auch durch einen Detektiv beobachten lassen, Herr Konsul. Uns konnte das kaum entgehen, da wir jetzt viel im Pfeffergang zu tun haben.“
Dann erhob er sich, dankte für die Auskunft und verließ mit Spengler das Privatkontor.
Draußen auf der Straße sagte der frühere Dorfschullehrer kopfschüttelnd:
„Herr Kommissar, – das Entsetzen Schimpels über den schlimmen, auf seinem Stiefsohn ruhenden Verdacht war für meinen Geschmack etwas stark theatralisch. Und der andere, der Professor, machte sogar Augen, als freue er sich über diesen Verdacht! Merkwürdig! – Die Herren sind ja, wie mir der Zarnke, der Privatdetektiv, nebenbei ein Alkoholiker aus heiliger Überzeugung, anvertraut hat, eifrig dabei, den Ruhnau entmündigen zu lassen. Ich habe so meine besonderen Gedanken darüber. Viktor Ruhnau besitzt gegen vierhunderttausend Mark eigenes Vermögen, jedoch nicht zur freien Verfügung. Da muß so ein Testament des alten Herrn Ruhnau vorhanden sein, besser ein Nachtrag; an dem scheint der Konsul nicht so ganz unschuldig zu sein. Er soll es verstanden haben – als damaliger Prokurist der Firma –, den Vater gegen den Sohn … aufzusetzen, – hm ja.“
„Woher wissen Sie denn das alles, Spengler?“ fragte Ihle erstaunt.
„Na – man horcht doch so überall herum! Als ich den jungen Menschen erst beargwöhnte – im Falle Tompson, da wollte ich mir doch ein Bild von seinem Charakter machen und da habe ich viel Gutes über ihn gehört, so zum Beispiel von dem alten Justizrat Sperling, der jenes Testament aufgesetzt hat – mit Ausnahme des Nachtrags. Dazu gab er sich nicht her. – Na – der Konsul steht jedenfalls bei dem Justizrat nicht sehr hoch im Wert. – Das ist ja aber alles nebensächlich! Wir werden nun wohl das tun, was Viktor Ruhnau vorschlägt, nicht wahr?“
„Vielleicht,“ meinte Ihle nachdenklich.
16. Kapitel
Die Fischerwitwe Ernestine Klaus empfing mich als den Intimus des Bürovorstehers Gottlieb Schmidt – Tory hatte mir einen Brief für sie mitgegeben – überaus freundlich. Ich bezog dasselbe kleine Hinterzimmer und gab mich auch bei der Klaus ganz in Pension.
Mir erging es an diesem ersten Tage genau so wie Tory während der ersten Stunden nach seiner Verwandlung in den bescheiden gekleideten Herrn Schmidt; ich fühlte mich unsicher, wurde bei jedem Blick eines Fremden, der mehr galt, verlegen und achtete nun beständig darauf, ja nicht aus der Rolle fallen.
Diese Ängstlichkeit verlor sich bald. Bereits am Nachmittag wagte sich der Kanzleisekretär unter Menschen, wenn auch noch mit dem steten Empfinden, von Gefahren umlauern zu sein.
Nachdem ich einen Spaziergang nach der Meeresküste unternommen hatte, wollte ich versuchen, auch mal etwas von der blonden Madonna Torys zu sehen zu bekommen. Tory hatte mich durch die ihm sonst fremde Überschwänglichkeit bei der Schilderung ihrer körperlichen Vorzüge neugierig gemacht.
Im weiten Bogen plante ich mich durch die Felder an das einsame Haus anzupirschen. Ich ging zwischen zwei Roggenäckern auf einem grünen Rain entlang, der hier und da mit Obstbäumen bepflanzte war. Zahllose Butterblumen wucherten hier. Es gab ganze Strecken, die goldgelb schimmerten von all den Blüten. Vom Waldrande her kam mit dem sanften Winde bläulicher Qualm, der recht gewürzte roch. Dort drüben stand ein Häuschen, und es spie unausgesetzt Tag und Nacht diesen Qualm aus. Es war eine Flunderräucherei, und der Eigentümer benutzte zum Räuchern Tannenzapfen und -nadeln sowie Kiefernzweige. Das gab den reinen Weihnachtsduft ab.
Ich befand mich in träumerischer Stimmung. Die Rolle, die ich hier in Heubude spielte, regte meine Phantasie an. Ich baute in Gedanken ganze Romane auf. Gute Ideen flogen mir zu. Oft blieb ich stehen, zog mein Notizbuch hervor und notierte mir dies und jenes. Tatsächlich habe ich dann später eine dieser Romanideen ausgearbeitet.
Wieder war ich stehen geblieben und schrieb. Da drangen gar seltsame Töne an mein Ohr …
Ich lauschte, schaute vorwärts. Dort stand eine mächtige