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Bücherschrank. In meinem Hirn bildete sich blitzschnell eine Kette von Ideen …

      Sollte wirklich …?!

      Ich überflog die Annonce.

      !! Vase !!

      Große, bronzefarbene, leere Vase, die irgendwo stehen gelassen wurde, mag der Finder gegen sehr hohe Belohnung dem Eigentümer unbeschädigt zurückgeben. Nachricht unter Vase 100 an die Expedition der Zeitung.

      Ich muß ehrlich sagen, ich war wie vor den Kopf geschlagen, als ich diese Zeilen gelesen hatte.

      Ich zweifelte nicht einen Augenblick, daß unsere Lahore-Vase gemeint war …!!

      Welch eine Menge von Schlußfolgerungen aber ließ sich aus dieser Anzeige ziehen …!! –

      Erstens: Der, der die Annonce eingerückt hatte, war sehr wahrscheinlich der Mörder Tompsons! – ‚irgendwo stehen gelassen‘ – das sagte genug! Ich dachte daran, daß Tory behauptet hatte, der Mörder hätte die Vase vom Tisch bis zur Tür getragen, wäre dann aber durch uns gestört worden. –

      Zweitens: Die Tatsache, daß dieser Unbekannte zu dem Hilfsmittel dieser Annonce griff, um wieder in Besitz der Vase zu gelangen, bewies, daß er genau wußte, daß die, die ihn so schnell verjagt hatten, die Vase mitgenommen hatten. –

      Vielleicht – so überlegte ich mir – weiß der Mörder sogar, wo die Vase sich jetzt befindet, das heißt, – vielleicht ist er in das leere Haus zurückgekehrt und hat von einem der Vorderfenstern aus uns gesehen, wie wir unseren Raub heimschleppten …!! Ein für mich mit Recht sehr beunruhigender Gedanke …!! –

      Drittens: Diesem Manne mußte doch an der Wiedererlangung der Rarität geradezu ungeheuer viel liegen, wenn er unter diesen Umständen es wagte, der Vase wegen diese Anzeige zu veröffentlichen …!! –

      Konnte er denn wissen, daß die Polizei nichts von diesem indischen Kunstgegenstand ahnte? Mußte er nicht fürchten, daß, wenn die Polizei von der Vase Kenntnis hatte, er sich den Häschern auf diese Weise in die Hände spielte …?! –

      Hier bei Punkt drei gab es also verschiedene ungelöste Fragen – verschiedene! –

      Viertens: Wie würde der Mann es wohl anstellen, um sich mit denen, die die Vase jetzt in Besitz hatten, ins Einvernehmen zu setzen und doch unerkannt zu bleiben …?! –

      Schließlich: Wenn der Mörder – falls er es wirklich war, der die Anzeige eingerückt hatte – wußte, wo die Vase sich jetzt befand, – weshalb schrieb er dann nicht einfach an uns und bot uns Geld für sein Eigentum …?! Er hatte uns doch genau so in der Hand wie wir ihn! Wir hatten gestohlen, unseren Raub und noch anderes verheimlicht, – er hatte gemordet, – vielleicht gar nicht aus Gewinnsucht, sondern mehr im Affekt, in jäh auflodernder Wut den – angeblichen? – Engländer getötet …! – –

      Sehr lange grübelte ich noch über diese Annonce nach, während ich halb mit Widerwillen die Bissen hinunterwürgte.

      Mich störte der Geruch …!! Obwohl ich die Balkontür weit geöffnet hatte, spürte ich ihn doch fortwährend in der Nase. Und ich mußte daher auch immer wieder an Katzensteins seltsame Worte denken … –

      ‚ …wie Leichengeruch! – Das erinnert mich an die einzige Lahore-Vase …‘ – – So hatte er gesprochen in ganz eigener Art, mit einem geheimnisvollen, fast ängstlichen Ton. –

      Unsinn!! – Wie sollte der Geruch mit der Vase zusammenhängen!! Ich hatte heute Vormittag doch dicht neben dem plumpen Ding gestanden und nichts von einem besonderen Geruch wahrgenommen – nur miterlebt, wie jene seltsame Lichterscheinung sich über die Masse der Seelenurne ausbreitete, dann wieder erlosch …

      Aber – woher dieser Geruch?! – Wäre Kommissar Ihle wirklich parfümiert gewesen, – das hätte längst verflüchtigt sein müssen, längst …!!

      Mit einem Mal legte ich Messer und Gabel hin, stand auf und ging langsam auf den Schrank zu.

      Ah – – wirklich! Der Geruch wurde stärker. – Und ganz dicht vor dem Schrank war er so intensiv, daß ein Ekel mich packte und ich schnell wieder zurückwich bis an den Sofatisch, über dem die Lampe brannte und ihr ruhiges Licht über mein Arbeitszimmer hin schickte, – über diesen Raum, der mir so vertraut, so lieb war …

      Und heute? – Ja, heute beschlich mich hier ein Gefühl des Unbehagens. Mir war’s, als sei ich nicht allein in diesen vier Wänden, als habe sich noch ein unsichtbarer Gast eingefunden, der stets hinter mir stand … –

      Ein jeder kennt ja wohl dieses merkwürdige Empfinden, dieses halb unbewußte Grauen, das uns plötzlich zwingt, uns umzuschauen, um festzustellen, daß wir auch wirklich allein sind in der stillen nächtlichen Stunde oder – seltener – allein sind im schweigenden Walde, auf einsamer Flur.

      Jeden, der leicht erregbares Nerven besitzt, packt dieses Gefühl zuweilen, und er beruhigt sich erst, wenn er sich umgeschaut hat und sich sagen darf: ‚Tor, du bist ja allein!‘ –

      Mir war heute mein Heim verleidet. Ich sehnte mich nach Gesellschaft, nach Menschen … – Und kurz entschlossen machte ich mich zum Ausgehen fertig und verließ das Haus.

      13. Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Vor der Haustür fiel mir der Spion ein, der für Tory zum Aufpassen bestimmt war. Ob der Mensch auch jetzt sich hier herumdrückte und vielleicht hoffte, den ihm am Nachmittag auf dem Hauptbahnhof Entwischen wieder zu Gesicht zu bekommen …?

      Ich ging sehr langsam den Pfeffergang nach der Breitgasse zu hinunter, hütete mich aber, mich umzusehen. Es war ja auch nicht ausgeschlossen, daß der Spion mir dieselbe Gefolgschaft leistete, etwa in der Meinung, ich würde mich mit Tory irgendwo treffen.

      In der Nähe der Marienkirche machte ich dann die Probe aufs Exempel, indem ich mich in eine tiefe Hofeinfahrt stellte. Die Laternenbeleuchtung war hier sehr günstig. Ich konnte in meinem Winkel nicht bemerkt werden, dagegen jeden Vorübergehenden genau ins Auge fassen. –

      Tatsächlich, der Mann da war der Spion! – Ich erkannte ihn sehr gut wieder!

      Kaum war er vorüber, als ich mein Versteck verließ und denselben Weg zurückging, nachher in eine Querstraße einbog und dann der Langgasse zustrebte.

      Jetzt fühlte ich mich ganz frei! Ich mußte den Menschen losgeworden sein! Immerhin – überzeugen wollte ich mich doch, ob der Streich geglückt war.

      Ich studierte an einer Anschlagsäule auf dem Langen Markt die Theaterzettel. Dabei achtete ich scharf auf die Leute, die hinter mir den Bürgersteig entlangkamen.

      Hm – vielleicht täuschte ich mich … ! – Aber – jener Herr dort trat mir für meinen Geschmack etwas zu unvermittelt an das Schaufenster einer Buchhandlung. Gewiß – ich konnte mich getäuscht haben. Aber …

      Ich ging weiter. Ein Bekannter begegnete mir ein paar Minuten später. Ich wußte es so einzurichten, daß ich ganz unauffällig nach jenem Herrn ausspähen konnte.

      Da – keine zwanzig Schritt zurück stand er an der Bordschwelle des Bürgersteiges und zündete sich eine Zigarre an.

      Der Bekannte und ich wollten gemeinsam ein Kaffee besuchen.

      Bald saß vier Tische weiter ‚der Herr‘. – Ich war sehr vorsichtig, beobachtete ihn trotzdem dauernd.

      Der Mann war klein, hatte einen blonden Spitzbart, war recht anständig angezogen.

      Nach einer halben Stunde erschien plötzlich Kommissar Ihle in dem Kaffee, nachdem der Blonde eine Weile in der Telephonzelle gewesen war, wie ich durch meinen Bekannten feststellen ließ.

      Ihle tat, als ob er mich nicht bemerkte. Der Blonde und er tauschten einen Blick aus. Ich hatte sehr gut aufgepaßt.

      Ich wurde plötzlich sehr schweigsam.

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