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hielt, hatte Schaper aus dem harmlosen Menschen alles hervorgeholt, was dieser nur über die Mönchsabtei und ihren Bewohner wußte.

      Eine Stunde später machte sich der Detektiv, der sich in das Fremdenbuch als Franz Schneider, Güteragent, Berlin eingetragen hatte, auf den Weg zu dem Kaufmann Wernicke, dessen Kolonialwarengeschäft sich gerade gegenüber am Markt befand.

      Ernst Wernicke saß mit seiner besseren Hälfte in dem Vorgärtchen auf der weißgestrichenen Bank.

      Nachdem er den Gast in sein Privatkontor geleitet und zum Platznehmen aufgefordert hatte, hielt es Schaper für angebracht sein Inkognito zu lüften.

      »Ich habe Sie eben ein bißchen beschwindelt, Herr Wernicke,« meinte er gemütlich. »Ich bin nämlich alles andere als Güteragent und heiße auch nicht Franz Schneider. Mein wahrer Name ist Fritz Schaper, Privatdetektiv, Berlin.«

      Der Kaufmann riß ordentlich die wässrigen Augen auf. Dann kam ihm die Sache aber anscheinend äußerst spaßig vor und er lachte, daß ihm ordentlich die Weste wackelte.

      »Ne, können Sie aber schwindeln, Herr Schaper … Ich hätte meinen Kopf gewettet, daß Sie so ein Berliner Landräuber sind, wie wir die Agenten hier nennen. Sie erzählen ja auch gleich große Geschichten von Ihren Absichten auf größere Terrains … Ne, so was …!«

      »Das geschah alles nur Ihrer Frau Gemahlin wegen, Herr Wernicke. Hier darf nämlich niemand meinen Beruf ahnen, – ich sage: niemand, auch Ihre Gattin nicht! Verstehen Sie mich …?«

      »Freilich Herr Schaper. Auf mich können Sie sich in dieser Beziehung wirklich verlassen.«

      Der Detektiv nickte dem Kaufmann freundlich zu.

      »Ich sehe, wir verstehen uns, Herr Wernicke. Und nun an die Arbeit. Wie verhält sich die Sache nun eigentlich mit diesem famosen grauen Gespenst …?«

      Der Kaufmann hob wie warnend die Hand.

      »Sie sollten nicht spotten …!« sagte er ernst. »Die Geschichte ist wirklich mehr als unerklärlich. Wenn ich die Erscheinung nicht selbst gesehen hätte, so würde ich auch darüber lachen. So aber …«

      Schaper hatte schon eine ironische Bemerkung auf der Zunge, unterdrückte sie aber noch im letzten Moment. Statt dessen sagte er:

      »Der Bericht, den Ihr Mieter Herr Müller mir eingeschickt hat, ist recht unvollständig. – Ist das Gespenst z. B. erst nach dem Einzuge des Privatgelehrten in die Mönchsabtei aufgetaucht oder schon vordem gesehen worden?«

      »Am besten, ich erzähle Ihnen im Zusammenhang, was ich darüber weiß, Herr Schaper. – Ich kaufte das alte Klostergrundstück vor sechs Jahren. Daß die Leute schon immer erzählten, daß es dort umgehe, störte mich nicht. Schon als Kind – ich bin geborener Gaubener – kannte ich die Geschichte des Abtes, der in seinem Grabe in der Lebensbaum-Allee keine Ruhe finden soll und der von Zeit zu Zeit zu nächtlicher Stunde, gehüllt in ein graues, schleppendes Gewand, durch den Garten wandelt.

      Als Herr Müller dann vor etwa einem halben Jahre nach Gauben kam, sagte ich ihm ehrlich die Wahrheit, weswegen das alte Gebäude bisher leer gestanden habe. Er lächelte sehr überlegen und … zog ein. Bald darauf ließ er mich durch seinen Diener nach der Abtei bitten und erzählte mir, auf welche Weise er sich überzeugt habe, daß das Gespenst wirklich vorhanden sei.«

      »Das hat er mir geschrieben,« unterbrach Schaper ihn hier. »Bitte schildern Sie mir nun, was Sie selbst gesehen haben.«

      »Ja – ich habe die Erscheinung geschaut. Auf meine Augen kann ich mich verlassen,« meinte Wernicke mit Nachdruck. »Ich hatte mit Herrn Müller verabredet, daß ich gelegentlich zu ihm kommen wolle, damit wir gemeinsam im Garten aufpassen könnten. Es war am 28. Mai. Das Datum werde ich so leicht nicht vergessen. Gegen 9 Uhr abends wanderte ich nach der Abtei hinaus. Ich traf es insofern schlecht an, als der Diener Hartung mit einem Erkältungsfieber zu Bett lag. Der Kranke, den ich ebenfalls begrüßen ging, wollte nun durchaus aufstehen, um sich bei der Wache beteiligen zu können. Aber Müller ließ das nicht zu. Und so mußten wir beide allein in der finsteren Nacht in den großen Garten hinabschleichen. Wir setzten uns im Schatten einer Linde mit weitüberhängenden Ästen auf eine Bank und warteten. Nach einer Stunde etwa – es mag gegen elf Uhr gewesen sein – packte Müller plötzlich meinen Arm und flüsterte ganz heiser … »da … da …« – Der Mond war gerade von Wolken entblößt, und in dieser Dämmerung erblickte ich ganz deutlich eine hohe Gestalt, die beinahe feierlich langsam auf die Kapelle zuschritt.«

      »Danke. Das übrige hat mir Ihr Mieter genau mitgeteilt. Die Acetylen-Laterne verlöschte plötzlich, Müller stand wie festgebannt und der Geist verschwand in der Kapelle. – Und was taten Sie währenddessen, Herr Wernicke?«

      »Ich … ich saß an allen Gliedern zitternd auf der Bank, vermochte mich nicht zu rühren, war wie gelähmt,« stotterte der dicke Herr, »und hätte nimmer gewagt der Erscheinung gegenüberzutreten wie Herr Müller dies riskierte,« fügte er ehrlich hinzu.

      Fritz Schaper strich sich nachdenklich über das Kinn. Und erst nach einer geraumen Weile fragte er …:

      »Herr Müller hat Ihnen wohl mitgeteilt, daß ich den Fall hier übernehmen will?«

      »Ja. Gestern schickte er Hartung zu mir. Er selbst ist nämlich krank.«

      »Krank? Seit wann denn?«

      »Seit fünf Tagen, soweit ich mich erinnere. Gesichtsreißen und Gicht, sagte Hartung.«

      Wieder schaute der Detektiv grübelnd vor sich hin.

      »Haben Sie den Geist noch ein zweites Mal gesehen, Herr Wernicke?« fragte er darauf.

      »Nein. Verspüre auch keine Lust dazu. Ich war froh, als ich wieder daheim in meinem Bett lag.«

      Schaper erhob sich. »Dann will ich nicht weiter stören. Grüßen Sie bitte Herrn Müller von mir. Leider muß ich morgen früh schon weiterreisen. Aber in einigen Tagen komme ich wieder her.«

      Wernicke machte ein sehr enttäuschtes Gesicht.

      »Ich hoffte, Sie würden die Sache nun sofort aufklären,« meinte er.

      »Geht beim besten Willen nicht. Ich muß zunächst eine andere sehr dringende Sache erledigen.«

      »Und Sie kommen wirklich wieder?«

      Schaper lachte. »Denken Sie etwa, ich fürchte das graue Gespenst …? Nein, bester Herr Wernicke! Ich bin schon mit anderen, gefährlicheren Geistern fertig geworden. – Auf Wiedersehen also …!«

      Wenn der Kaufmann aber gedacht hätte, daß der Detektiv jetzt behaglich in den »Drei Kronen« einen Abendschoppen trinken würde, so täuschte er sich gründlich. Nur dazu, um mit Herrn Ernst Wernicke eine Stunde zu verplaudern, war Fritz Schaper wahrlich nicht nach Gauben gekommen. Im Gegenteil. Keine zwei Stunden später, nachdem es völlig dunkel geworden war, schwang sich eine schlanke Gestalt über die hohe, verwitterte Mauer der Mönchsabtei in den Garten hinab und schlich lautlos auf das düstere Gebäude zu, durch dessen Fensterladen nur im Erdgeschoß ein einzelner schmaler Lichtstreif zu erkennen war.

      Daß der Privatgelehrte Müller sich keine Hunde hielt, hatte Schaper schon von dem Hotelkutscher erfahren. Mithin konnte er sich ziemlich frei bewegen. Er gedachte das Terrain zunächst einmal allein zu besichtigen. Denn daß hier bei dieser Gespenstergeschichte irgend ein grober Schwindel vorlag, dessen war er gewiß. Damals als er den Brief des Privatgelehrten sorgfältig gelesen hatte, tauchte sofort der ziemlich naheliegende Verdacht in ihm auf, daß Müller mit Hilfe seines Dieners den Geisterbeschwörer spielte. Diese Annahme glaubte er jetzt aber wieder verwerfen zu müssen. Wernicke hatte ihm ja bestätigt, daß das graue Gespenst schon vor dem Einzuge des Privatgelehrten beobachtet worden war. Und genau dasselbe hatte er auch von dem Hotelkutscher gehört. Der Spuk war mithin älter. Doch – wozu wurde er überhaupt in Szene gesetzt? Der, der hier den Geist zeitweise so vortrefflich mimte, mußte damit doch irgend einen bestimmten Zweck verfolgen! Nur um seine Mitmenschen zu narren, würde sich doch kein Mensch der nicht unbeträchtlichen Gefahr aussetzen, einmal gefaßt und zum mindesten

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