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fragwürdigen Lokalen die Nächte über umher und – brachte es fertig, daß er nach zehn Jahren nicht nur das Vermögen seiner Frau vergeudete, sondern auch seine Anstellung verloren hatte und nun als von allen früheren Bekannten nach Möglichkeit gemiedener Versicherungsagent kärglich sein Leben fristen mußte. Bald nach diesem pekuniären Zusammenbruch starb seine Frau, und er blieb mit dem damals etwa zwölfjährigen Töchterchen allein zurück. Vielleicht über sein verfehltes Dasein gebrochen, gewöhnte er sich nur allzuschnell das Trinken an. Trotzdem arbeitete er mit bewundernswerter Energie weiter. Als er dann fünf Jahre später starb, hinterließ er seinem Kinde wenigstens soviel, daß Charlotte Wendel, ein selten hübsches, kluges Mädchen, ihre Studien weiter fortsetzen und das Lehrerinexamen machen konnte. Danach verschwand sie aus Danzig. Wohin, weiß niemand. Jedenfalls dürfte sie aber den Namen Wendel abgelegt haben. Sonst hätte die Polizei, die nach ihrem Verbleib eifig geforscht hat, sie auffinden müssen.«

      Schaper waren gerade die letzten Sätze besonders interessant.

      »Daß sie den Namen ihres Vaters nicht mehr führt, ist wohl nur eine Vermutung, Herr Steuerrat,« meinte er mit einem forschenden Blick auf den alten Herrn.

      Dieser rückte verlegen sein Sammetkäppchen zurecht.

      »Ich spreche über diese Sache nicht gern,« sagte er nun zögernd. »Wenn ich wüßte, daß ich der jungen Dame durch eine kleine Indiskretion nützen könnte, würde ich sie ja schon auf mich nehmen.«

      »Sie nützen ihr bestimmt,« erklärte Schaper ernst. »Mein Wort zum Pfande!«

      »Hm, das hat der Herr, der gestern bei mir war, auch gesagt. Und hinterher hat mir meine Offenheit doch leidgetan –«

      Der Detektiv horchte hoch auf. – Wieder der andere, der ihm zuvorgekommen war! Wer in aller Welt konnte dieser Mensch nur sein?! Und – welche Zwecke verfolgte er?! Dieser Sache auf den Grund zu gehen, hielt Fritz Schaper für seine Pflicht.

      Und so wandte er sich denn in freundlich überredendem Ton an den Steuerrat, der mißmutig vor sich hinschaute.

      »Das, was Sie einem Manne, der sich bei Ihnen nur als Freund des verstorbenen Albert Wendel eingeführt hat, erzählt haben, können Sie mir, der Ihnen seine Legitimationen vorwies, doch erst recht anvertrauen. – Offenheit gegen Offenheit, Herr Rat. Charlotte Wendel winkt eine Millionenerbschaft. Das ist der Kernpunkt dieser Angelegenheit. Nur muß ich um Ihre strengste Verschwiegenheit bitten.«

      Der alte Herr lächelte zufrieden.

      »Nun denn: Die Wahrheit ist, daß das junge Mädchen der Frau Anton, ihrer ehemaligen Amme und späteren Vertrauten, kurz vor ihrem Verschwinden aus Danzig erzählt hat, daß ihr Vater ihr auf dem Sterbebett ein Geheimnis gebeichtet habe, welches so furchtbar gewesen sei, daß sie den mit so traurigen Erinnerungen zusammenhängenden Namen für alle Zeit von sich werfen wolle und in der Fremde unerkannt sich ein neues Leben aufzubauen gedenke.«

      Schaper schloß in scharfem Nachdenken halb die Augen. Er wußte nun, was Markus Wendel seinem Kinde gebeichtet hatte. Der Schuldige an dem Diebstahl war also tatsächlich nicht der ältere sondern der jüngere der Brüder gewesen.

      »Herr Rat, das, was Sie mir soeben mitteilten, hat Ihnen die alte Frau berichtet, nicht wahr?« fragte er jetzt.

      »Ja. Und ich glaube kaum, daß bisher noch ein dritter davon wußte. Die Anton ist mir zu Dank verpflichtet. Ich habe ihr den Platz im Altenheim besorgt, als es ihr sehr schlecht ging.«

      »Den jetzigen Namen oder den neuen Aufenthaltsort Charlotte Wendels kennen Sie nicht?« Der Detektiv beobachtete bei dieser Frage genau das Gesicht des vor ihm Sitzenden.

      »Nein, wirklich nicht. Möglich, daß die Anton Bescheid weiß. Es ist aber schwer etwas aus ihr herauszulocken, wenn sie nicht sprechen will.« –

      Schaper verabschiedete sich. Der Steuerrat geleitete ihn noch bis in den Flur hinaus, wo sich die Beiden mit freundlichem Händedruck trennten.

      5. Kapitel

       Zum ersten Mal in Gauben

       Inhaltsverzeichnis

      Eine ganze Stunde hatte sich der Detektiv mit der alten Frau in der guten Stube des Vorstehers des Altenheims unterhalten. Diese Unterredung war wieder einmal eine von denen gewesen, bei der Fritz Schaper mit allen Mitteln seines scharfen Verstandes gekämpft hatte. Daß die Greisin tatsächlich geistig noch vollkommen frisch war, merkte er bereits nach den ersten Antworten, die sie ihm mit größter Zurückhaltung und recht unfreundlich gab.

      Sie wisse nichts, garnichts – dabei blieb sie.

      So hatte der Detektiv den andere Saiten aufgezogen. Er fühlte geradezu, daß die Alte, die sich weinerlich immer wieder auf ihr schwaches Gedächtnis berief, von irgend einer Seite beeinflußt worden war. Sofort hatte er an den Herrn gedacht, dessen Spuren er schon an allen in Betracht kommenden Stellen begegnet war. Und daher sagte er der Greisin dann sehr energisch auf den Kopf zu, daß der Herr, der gestern bei ihr gewesen sei, sie durch ein Geldgeschenk zum Schweigen verpflichtet habe.

      Die Anton spielte recht geschickt die Erstaunte. Es wäre niemand zu ihr gekommen, alles wäre reiner Unsinn. – Worauf Schaper zu dem Vorsteher ging, der dann auch bestätigte, daß am Tage vorher kurz nach dem Mittagessen ein Fremder ebenfalls eine längere Unterredung mit der Anton gehabt habe.

      Als der Detektiv dann der Alten wieder gegenübertrat und ihre Lüge nachwies, bekam es die Greisin mit der Angst.

      Sie gab alles zu. Der Fremde hätte ihr zwanzig Mark geschenkt unter der Bedingung, daß sie seinen Besuch möglichst verheimliche. Und wie ihr Schaper nun sozusagen als Pflaster für die eben ausgestandene Angst noch ein Goldstück in die Hand drückte, da hatte er in wenigen Sekunden auch daß Letzte erfahren, was er wissen wollte.

      Charlotte Wendel, die Millionenerbin, befand sich seit zwei Jahren als Erzieherin bei einer Familie in München unter dem Namen … Rita Meinas. Straße und Hausnummer konnte die Greisin jedoch nicht angeben, da das junge Mädchen ihrer Vertrauten in der Zwischenzeit nur einmal geschrieben und ihr in dem Briefe aufs strengste anbefohlen hatte, diesen sofort zu verbrennen, was die treue Person auch pflichtschuldigst getan hatte, ohne sich die Adresse irgendwie zu merken.

      Diese Angaben hatten so sehr den Stempel der Wahrheit getragen, daß Fritz Schaper an ihrer Richtigkeit auch nicht einen Moment zweifelte.

      Fraglos wäre er noch befriedigter von der jetzt wieder ganz vergnügten Alten geschieden, wenn nicht eben auch … der Andere, dieser Fremde mit den Frauenhänden und der goldenen Zahnkrone, dieselben Erfolge bei seinen Nachforschungen gehabt hätte wie er selbst. – –

      Von dem Altenheim begab sich Schaper ungehindert nach der Post und ließ folgendes Telegramm an seinen Bürochef Lemke befördern:

      »Hiller sofort nach München. Rita Meinas Erzieherin bei Familie feststellen und sperren. Auf mein Eintreffen warten. Nachricht Hauptpost.«

      »Sperren« war ein bei dem Detektivinstitut »Argus« eingeführtes Geheimwort und bedeutete: Lebensweise, Verkehr, Gewohnheiten des Betreffenden feststellen und ihn nicht aus den Augen lassen. –

      In aller Behaglichkeit nahm Schaper hierauf in dem berühmten Danziger Ratskeller eine reichliche Mahlzeit ein. Der Personenzug nach Stolp in Pommern, der auch in Gauben hielt, ging ja erst um 3 Uhr nachmittags ab.

      * * *

      Gegen 7 Uhr abends traf der Bummelzug in dem Städtchen ein. Dieses lag, wie der Detektiv schon unterwegs von einem Mitreisenden erfahren hatte, beinahe zwei Kilometer vom Bahnhof entfernt, so daß Schaper kurz entschlossen den einzigen Hotelwagen benutzte. Sehr zu des Kutschers Erstaunen kletterte er jedoch nicht in das Innere des schon recht klapprigen Marterkastens, sondern suchte sich den luftigeren Platz neben dem Rosselenker aus.

      »Den köstlichen Augustabend genieße ich lieber in der freien Luft als in Ihrer stickigen Glaskusche,« sagte er freundlich zu dem biederen Pommern,

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