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Flur entgegen. Ihre Miene verhieß nichts Gutes.

      »Lorenz, ich hab schon auf dich gewartet«, begrüßte sie ihn auf dem Gang. Da sie ausgemacht hatten, sich in der Klinik nicht als Paar zu erkennen zu geben, verzichtete sie auf einen Begrüßungskuss. »Dein Vater hat wahnsinnig schlechte Laune heute. Er will weder dich noch irgendjemand anderen sehen«, kam sie stattdessen gleich zur Sache.

      »Wie bitte?« Lorenz meinte, sich verhört zu haben.

      »Vielleicht liegt es daran, dass wir jetzt wissen, was ihm fehlt.« In knappen Worten erläuterte Janine die Diagnose, die die drei Ärzte an diesem Morgen gestellt hatten.

      »Aber wo ist das Problem?«, fragte der Sohn des Patriarchen verständnislos. »Vater kann mit wirksamen Medikamenten behandelt werden und mit etwas Glück schon bald beschwerdefrei sein. Das sind doch gute Nachrichten. Warum machst du so ein Gesicht?«

      Janine stand vor ihrem Freund und musterte ihn ernst. Es hätte alles so einfach sein können…

      »Dein Vater will sich nicht behandeln lassen«, ließ sie endlich die Katze aus dem Sack.

      Lorenz starrte sie an.

      »Warum das denn? Hey, es geht um ein paar Tabletten.«

      Traurig schüttelte die ehemalige Krankenschwester den Kopf.

      »Ganz so einfach ist es leider nicht. Die Nebenwirkungen von künstlich zugeführtem Dopamin sind nicht zu unterschätzen. Bei zu hoher Dosierung muss er mit Angstzuständen und schlimmstenfalls Schizophrenie rechnen«, musste sie schweren Herzens gestehen. »Allerdings glaube ich schon auch, dass Frau Dr. Behnisch und ihr Team alles dafür tun würden, dass das nicht passiert.«

      Lorenz konnte es nicht fassen und begann, mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor Janine auf und ab zu laufen.

      »Aber einen Versuch ist es doch wert!«, beharrte er eigensinnig.

      »Ich verstehe auch nicht, warum dein Vater eine Behandlung so kategorisch ablehnt«, gab Janine einigermaßen ratlos zurück. »Er schiebt es auf den ersten gescheiterten Versuch, ihm zu helfen, und hat jetzt offenbar Angst davor, dass es ihm mit weiteren Medikamenten nur noch schlechter gehen wird. Im Augenblick denkt er nur noch an sein Geschäft und daran, es ordentlich zu übergeben.«

      »Dass eine Behandlung fehlgeschlagen ist, ist doch noch lange kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen.« Mit jedem Wort wurde Lorenz aufgeregter.

      Beschwörend hob Janine die Hände.

      »Jetzt beruhig dich doch mal!«, verlangte sie streng. »Ich sehe das genauso wie du. Dein Vater klammert sich an seine Firma. Aber für so einen Patiententypus ist das keine ungewöhnliche Reaktion«, wagte sie einen Erklärungsversuch.

      »Patiententypus?« Wie angewurzelt blieb Lorenz vor Janine stehen und starrte sie empört an. »Wie redest du denn von meinem Vater?«

      Janine dachte nicht daran, sich von dieser Art einschüchtern zu lassen.

      »Ich bin Krankenschwester, und dein Vater ist in erster Linie Patient für mich«, erklärte sie kühl.

      Noch immer stand Lorenz vor ihr und starrte sie unverwandt an.

      »Also schön. Ich will, dass sich das ändert. Ich will, dass er von uns erfährt«, verlangte er plötzlich. »Dann wird euer Verhältnis ein anderes werden.«

      In diesem Augenblick hätte Janine sich am liebsten umgedreht und hätte Lorenz einfach auf dem Flur stehengelassen. Da sie aber wusste, dass das keine Lösung des Problems war, mahnte sie sich zur Ruhe. Sie legte den Kopf schief und sah ihren Freund fragend an.

      »Warum ist dir das auf einmal so wichtig?«

      »Weil ich hoffe, dass meinen Vater das zur Vernunft bringt. Dass es ihn beruhigt«, schob Lorenz vor.

      »Das glaubst du doch selbst nicht«, platzte Janine ungläubig heraus. Sie sah eine Schwester, die mit wehendem Kittel auf sie zueilte, sprach aber trotzdem weiter. »Dein Vater konnte mich früher schon nicht leiden. Warum sollte er es dann jetzt tun?« Entschieden schüttelte sie den Kopf. »Nein, das gibt nur noch mehr Probleme, als wir ohnehin schon haben. Wir lassen das besser.«

      Inzwischen war Schwester Elena herangekommen. Sie lächelte Lorenz entschuldigend an und beugte sich dann zu Janine, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern.

      »Ich komme sofort«, versprach die ehemalige Krankenschwester lächelnd und wartete darauf, dass sie wieder mit Lorenz allein war. »Lorenz, du kannst sicher sein, dass ich alles Menschenmögliche für deinen Vater tun werde. Aber bitte misch dich nicht in meine Entscheidungen ein!«, verlangte sie von ihm. »Und jetzt habe ich leider keine Zeit mehr. Schwester Elena braucht mich.«

      Ehe Lorenz Herweg eine Antwort geben konnte, drehte sich Janine um und eilte davon. Die Gummisohlen ihrer Schuhe quietschten auf dem Boden, als sie sich enfernte.

      *

      Wie jeden Tag stand Tatjana Bohde auch an diesem Tag wieder in ihrer geliebten Backstube. Der verführerische Duft nach süßem Gebäck und herzhaften Brotsorten vermischte sich zu einer einzigartigen Komposition, die die Bäckerin immer milde stimmte. Das wusste auch ihre Angestellte Marla, die die Aufgaben ihrer Kollegin Marianne übernommen hatte, die mit ihrem Freund Mario Cornelius noch immer in Amerika weilte. Sie stand neben Tatjana an der Arbeitsplatte und verzierte auf Kundenwunsch eine Torte kunstvoll mit dem Portrait eines lachenden Kindes.

      »Und? Wie weit sind die Hochzeitspläne gediehen?«, wagte sie es, in diesem friedlichen Augenblick eine Frage zu stellen.

      Wie gehofft regte sich Tatjana nicht auf.

      »Ich will nicht wegen dieser Sache mit Danny streiten«, gestand sie, und ein verträumtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als sie an ihren Freund dachte. »Vielleicht ist so eine Hochzeit ja gar keine so schlechte Idee«, spann sie ihre Gedanken weiter. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Marla sie ungläubig anstarrte. »Nicht jetzt und sofort. Schließlich sind wir ja noch jung. Aber wer weiß… vielleicht setzen wir uns eines Tages in einen Flieger und heiraten in Las Vegas«, machte die Bäckerin einen übermütigen Vorschlag und sah ihre Mitarbeiterin herausfordernd an. »Was ist? Warum starrst du mich so an?«

      »Du willst in Las Vegas heiraten?« Überrascht schnappte Marla nach Luft.

      »Du willst in Las Vegas heiraten?«, echote eine zweite, diesmal männliche Stimme. Überrascht fuhr Tatjana zu ihrem Freund Danny herum. Er stand in der Tür zum Hintereingang, einen riesigen Blumenstrauß in den Händen. »Warum das denn?«

      »Ach, das ist mir nur gerade so eingefallen«, wiegelte sie schnell ab, nachdem sie sich mit einem innigen Kuss für die Blumen bedankt hatte. »Obwohl… wenn ich so drüber nachdenke… dieser Gedanke hat was!«

      Es war nicht schwer zu erkennen, dass Danny völlig anderer Ansicht war.

      »Findest du?«, fragte er skeptisch zurück.

      »Na klar!«, bekräftigte Tatjana, sich Marlas Gegenwart wohl bewusst. Auf keinen Fall wollte sie Anlass zu weiteren Trennungs-Spekulationen geben und fuhr munter fort. »Stell dir doch mal vor, wir beide in dieser Glitzerstadt vor einem alten Friedensrichter… Das wär doch toll!« Sie küsste Danny und sah ihm tief in die Augen, dass ihm schwindlig wurde.

      »Ich kann ja mal drüber nachdenken«, murmelte er, und Marla klatschte begeistert in die Hände.

      »Wow, eine Hochzeit in Vegas. Davon hab ich schon als kleines Mädchen geträumt. Wann ist es denn so weit?«

      Danny und Tatjana sahen sich fragend an.

      »Keine Ahnung. Irgendwann«, gab die Bäckerin schulterzuckend zurück. »Das läuft uns ja nicht davon.«

      Eigentlich hatte Marla auf eine andere Antwort gehofft. Insgeheim hatte sie sich schon als Brautjungfer vor einer kleinen, kitschigen Holzkirche gesehen. Um das Paar aber nicht zu bedrängen, schützte sie Verständnis vor.

      »Ihr beiden habt schon recht. Lasst euch bloß nicht von irgendwem drängen. Das geht

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