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zu Schlangen. Als sie gleich lang und dick waren, griff sie nach einem Messer und schnitt sie der Länge nach auf. In den Schnitt füllte sie eine zuvor vorbereitete Aprikosen-Mohn-Masse und drückte ihn zusammen.

      »Ich weiß auch nicht. Allein bei dem Gedanken daran bekomme ich Beklemmungen«, gestand Tatjana schließlich. »Warum muss man denn immer gleich heiraten? Solange keine Kinder da sind …«

      »Vielleicht will Danny ja wirklich seine guten Gene weitergeben«, warf Marla spöttisch ein, und Tatjana schickte ihr einen erschrockenen Blick.

      »Das geht nicht«, platzte sie heraus. »Ich leide unter einer seltenen Erbkrankheit, die ich auf keinen Fall weitergeben will.«

      Diesmal war es an Marla, die Augen erschrocken aufzureißen.

      »Ist das schlimm? Tödlich?«

      Lächelnd schüttelte die Bäckerin den Kopf.

      »Nein. Es handelt sich um einen genetischen Defekt, der sich vor ein paar Jahren bemerkbar gemacht hat. Mein Körper kann ein bestimmtes Eiweiß nicht bilden. Deshalb wird ein besonderer Stoff ausgeschüttet, der zulässt, dass vermehrt Flüssigkeit ins Gewebe gelangen kann. Das führt manchmal zu Ödemen, die nicht besonders angenehm sind.«

      »Und wie oft hast du das?«

      »Nicht oft. Vielleicht zwei, drei Mal im Jahr, je nachdem, wie viel Stress ich habe. Bisher hatte ich immer Glück, dass die Ödeme nicht schlimm waren. Aber einmal ist mir der Kehlkopf zugeschwollen, und ich hab schlecht Luft bekommen. Das war schon gefährlich.« Nur ungern erinnerte sich Tatjana an die akute Phase vor einigen Monaten, als sie Danny die Wahrheit gestehen musste. »Das will ich keinem Kind zumuten«, beendete sie schnell ihren Bericht. »Und deshalb müssen Danny und ich auch nicht zwingend heiraten.«

      Marla knabberte noch an diesen Neuigkeiten. Da sie aber spürte, wie unangenehm Tatjana dieses Thema war, drang sie nicht tiefer in sie.

      »Aber man kann doch auch aus anderen Gründen heiraten. Zum Beispiel, weil man sich liebt und es der ganzen Welt zeigen will«, gab sie zu bedenken.

      Während sich Tatjana mit Marla unterhielt, hatte sie mit geschickten Fingern aus den vier gefüllten Strängen einen Zopf geflochten, den sie jetzt mit Eigelb glasierte, ehe er zum Ruhen auf ein Backblech wanderte. Erst als sie mit dieser Arbeit fertig war, drehte sie sich zu Marla um.

      »Hast du nicht vorhin gesagt, dass uns das Liebesglück aus jeder Pore dunstet?«, lächelte sie verschmitzt. »Siehst du, die Welt weiß eh schon alles, was sie wissen will. Weshalb also dann noch heiraten?«

      Das Glöckchen über der Tür zur Bäckerei klingelte hektisch. Da ihre andere Mitarbeiterin Marianne Hasselt immer noch mit Mario in Amerika war, mussten sich Tatjana und Marla zu zweit um das Backen und den Verkauf kümmern. Diese Gelegenheit nutzte Tatjana jetzt, um sich Marlas Verhör fürs Erste zu entziehen. Sie lächelte ihrer jungen Mitarbeiterin zu und verschwand durch den Vorhang nach vorn in den Verkaufsraum. Dabei wusste sie nur zu gut, dass Marla hartnäckig war und das Thema noch lange nicht vom Tisch sein würde.

      *

      »Das hab ich mir gedacht. Es gibt keinen Zweifel.« Die Klinikchefin Jenny Behnisch saß vor dem Computer und begutachtete die Bilder eines CTs.

      Ihr Freund Daniel Norden hatte wieder einmal seine Mittagspause genutzt, um in die Klinik zu fahren. Er saß neben Jenny und starrte hochkonzentriert auf den Monitor.

      »Wir haben es nicht mit einer Meningitis zu tun, sondern mit einer Entzündung des Gehirns selbst«, teilte er die Ansicht der Klinikchefin. »Aber woher kommt diese Entzündung?«

      »Wir konnten keinen sicheren Auslöser festmachen.« Es war Jenny anzusehen, wie unzufrieden sie diese Tatsache machte.

      »Und wie geht es jetzt weiter? Welche Therapie schlägst du vor?«

      Nachdenklich wiegte Jenny den Kopf und beugte sich über das dicke Lexikon, das sie bereits zu Rate gezogen hatte.

      »Ich habe viel recherchiert. Koreanische Kollegen hatten einen ähnlichen Fall. Den haben sie mit einem Antivirenmittel und einer vorsorglichen Tuberkulosetherapie behandelt. Damit haben sie gute Erfolge erzielt.«

      »Gut. Das ist auf jeden Fall besser als nichts zu tun und abzuwarten«, seufzte Daniel. Auch er war mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Ihm war es lieber, den Namen des Feindes zu kennen, mit dem er es zu tun hatte. »Soll ich mit Herweg sprechen?«, fragte er die Klinikchefin, wohlwissend, wie beschäftigt sie war.

      »Das wäre mir sehr recht. Immerhin kennst du ihn besser als ich und weißt, wie du ihm eine Behandlung schmackhaft machen kannst.«

      Über diese Einschätzung der Situation musste Daniel trotz des Ernstes der Situation schmunzeln.

      »Dein Wort in Gottes Ohr«, erwiderte er und stand auf. Nach einem kurzen Abschied machte er sich auf den Weg zu Carl Herwegs Krankenzimmer.

      Auf dem Weg dorthin traf er auf Lorenz.

      »Wissen Sie schon was von meinem Vater?«, erkundigte sich der Sohn nach einer kurzen Begrüßung. »Allmählich mache ich mir wirklich Sorgen.«

      »So, wie er mit Ihnen umspringt, wäre mir das nicht in den Sinn gekommen«, erinnerte sich Daniel an das Zusammentreffen mit seiner Assistentin Janine. Empört hatte sie sich über den alten Patriarchen beschwert und ihrem Chef ihr Leid geklagt. »Janine war sehr betroffen darüber, wie er mit Ihnen spricht.«

      »Es wäre mir auch lieber, in einer glücklichen Familie und mit einem liebe- und verständnisvollen Vater aufgewachsen zu sein. Das können Sie mir glauben«, hielt auch Lorenz mit seiner Enttäuschung nicht hinter dem Berg. »Also, was ist mit der Diagnose?«

      Daniel dachte kurz nach. Auf dem Flur konnte und wollte er diese Frage nicht beantworten. So winkte er den Sohn seines Patienten mit sich in einen der Aufenthaltsräume, die extra für die Angehörigen der Kranken eingerichtet worden waren. Neben Tee, Kaffee und Gebäck warteten dort bequeme Sitzmöbel auf erschöpfte Besucher.

      »Die Beschwerden Ihres Vaters wurden wahrscheinlich von einer Gehirnentzündung hervorgerufen«, erläuterte der Allgemeinmediziner, nachdem er Lorenz einen Kaffee angeboten und sich selbst eine Tasse eingeschenkt hatte. »Was den Erreger angeht, tappen wir allerdings noch völlig im Dunkeln. Deshalb ist alles, was wir tun, ein Experiment«, musste er gestehen.

      Lorenz stand neben Dr. Norden an Tisch und löffelte Zucker in seine Tasse.

      »Ein Experiment?« Er lachte freudlos. »Wenn Sie noch länger leben wollen, sollten Sie das meinem Vater lieber nicht sagen.«

      »Mag sein. Aber ich fürchte, ich muss in den sauren Apfel beißen.« Seufzend hob Daniel seine Tasse an die Lippen und trank einen Schluck. »Dann wollen wir mal!«, beschloss er, sich seinem Schicksal tapfer zu stellen.

      Lorenz Herweg sah ihm nach, wie er den Aufenthaltsraum verließ. Einmal mehr bewunderte er den mutigen Arzt, der sich nicht von Sympathien leiten ließ, sondern jedem Patienten die gleiche Aufmerksamkeit und Fürsorge zukommen ließ.

      *

      Wie so oft hatten Tatjana und Danny auch an diesem Abend beschlossen, gemeinsam mit der Familie zu essen. Insgeheim hoffte Tatjana, auf diese Weise einer weiteren Diskussion über das Thema Hochzeit zu entgehen. Sie ahnte nicht, was Danny aus der Praxis mitgebracht hatte, und begrüßte Daniel Norden und die Kinder Anneka, Janni und Dési gut gelaunt. Felix und Fee waren beide noch nicht aus der Klinik zurück. Gemeinsam mit dem Hausherrn beschloss das junge Paar zu warten, und zu dritt machten sie es sich im Wohnzimmer bequem.

      »Und? Wie war es bei Herrn Herweg?«, ergriff Danny die günstige Gelegenheit, sich mit seinem Vater zu unterhalten.

      Obwohl sie gemeinsam in der Praxis arbeiteten, kam es vor, dass sie keine Zeit zum Austausch fanden.

      »Oh, entgegen der Ankündigung seines Sohnes hat er mir den Kopf nicht abgerissen«, lächelte Daniel, sichtlich erfreut über den Teilerfolg, den er errungen hatte. »Es war zwar nicht ganz einfach, aber schließlich und endlich hat er sich doch bereit erklärt, die

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