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sie Ewigkeiten in der Remise in einer alten Truhe gelegen hatten.

      »Sie sind etwas altersdunkel, aber ich glaube, der Zustand ist dem Alter entsprechend.«

      »Wir werden sehen, also dann bis Donnerstag, Frau Fahrenbach. Danke für Ihren Rückruf.«

      Sie wollte jetzt nicht aufgeregt sein und anfangen davon zu träumen, dass sie in Form dieser Gemälde einen Schatz geborgen hatten.

      Bis Donnerstag würde sie ganz ruhig sein, aber ein kleines bisschen war sie doch aufgeregt. Wenn diese Gemälde tatsächlich wertvoll waren …

      Nein!

      Stopp!

      Sie griff erneut zum Telefon, um Toni im Büro anzurufen. »Hallo, Toni, liegt etwas an? Muss ich nochmal ins Büro kommen?«

      »Nein, Bettina, eigentlich nicht. War nicht viel los. Keine neuen Aufträge.«

      »Na ja, Toni, die können ja nicht jeden Tag kommen.«

      »Schön wäre es doch. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.«

      »Wir können ganz zufrieden sein, Toni. Ohne Brodersen, Horlitz und Finnmore eleven sähe es bei uns ganz schön trübe aus. Die Vermietung des Gesindehauses war bislang nicht gerade der Knaller. Welch ein Glück, dass Isabella Wood für zwei Monate gemietet hat und das Doppelte zahlt.«

      »Ja, das ist wirklich ein Glücksfall, und sie ist eine ganz Nette. Heute Abend isst sie mit uns.«

      »Ach, kommst du auch? Das hat Leni gar nicht gesagt.«

      Toni lachte.

      »Muss sie doch nicht, ich bin ja praktisch zum Haus gehörendes Inventar. Ich freu mich auf jeden Fall. Isabella kann so wunderbar erzählen, dass man ihr immer nur zuhören möchte.«

      »Das ist wahr, bis später dann, Toni.«

      Bettina legte auf und stand auf.

      Bis zum Abendessen hatte sie noch hinreichend Zeit. Sie würde jetzt ein Entsprannungsbad nehmen, dazu eine sanfte Meditationsmusik hören.

      Mitten in diese Gedanken hinein klingelte das Telefon. Bestimmt hatte Toni vergessen, ihr etwas zu sagen, was ihm jetzt erst eingefallen war.

      »Und, was hast du vergessen, mir zu erzählen?«, erkundigte sie sich.

      Zunächst Schweigen, dann ein »Bitte?«

      Bettina erkannte die Stimme sofort. Es war ihr Bruder Frieder.

      Wollte er das Kriegsbeil begraben? Hatte er sich besonnen und ihm war klar geworden, dass Familie das Wichtigste im Leben war?

      »Frieder, wie schön, dass du anrufst.«

      »Was du jetzt gemacht hast, war zu viel, und ich sage dir, es wird Konsequenzen haben«, brüllte er ins Telefon.

      Was war denn in ihn gefahren?

      »Frieder, ich verstehe nicht …«

      »Tu nicht so scheinheilig. Mich kannst du nicht täuschen. Hole mir jetzt augenblicklich Linus an den Apparat.«

      War er verrückt geworden?

      »Wie kommst du denn darauf, dass Linus hier bei mir sein könnte? Ich habe von ihm nichts gehört und gesehen. Du hast mir doch per Rechtsanwalt den Umgang mit deinem Sohn verbieten lassen. Schon vergessen?«

      Er lachte höhnisch.

      »Als wenn du dich an Verbote halten würdest. Du hast ihm Flausen in den Kopf gesetzt, und du hast ihn vermutlich auch im Internat abgeholt.«

      »Frieder«, erinnerte sie ihn, »ich weiß doch nicht einmal, in welchem Internat du Linus untergebracht hast … aber wenn ich ihn nicht dort weggeholt habe, was zutreffend ist, dann … Frieder, er muss weggelaufen sein … du musst die Polizei einschalten … meine Güte, das arme Kind.«

      Bettina war vollkommen aufgelöst, und das zeigte ihm wohl auch, dass Linus nicht bei ihr war.

      »Wenn er bei dir auftauchen sollte, ruf mich sofort an, verstanden?«

      »Natürlich werde ich das tun. Frieder, was hast du denn bereits unternommen? Seit wann ist Linus verschwunden? Kann ich dir helfen?«

      »Das fehlte noch. Halte dich gefälligst aus meinen Dingen heraus.«

      Nach diesen Worten legte er einfach auf.

      Das war so ungeheuerlich.

      Neben der Sorge um ihren Neffen war Bettina voller Zorn auf ihren Bruder.

      Was bildete der sich eigentlich ein? Und wie behandelte er sie?

      Schon wollte sie wieder zum Hörer greifen und ihn anrufen, um ihm ganz gehörig die Meinung zu sagen. Aber dann ließ sie es bleiben. Wenn sie überhaupt zu ihm durchgestellt wurde, würden all ihre Worte wirkungslos an ihm abprallen.

      Einen Frieder Fahrenbach wies man doch nicht zurecht. Nein, einen Frieder Fahrenbach musste man anbeten, ihm alle Wünsche erfüllen, alles bewundern was er tat.

      Er war der tolle Kerl, der Visionär, der mit seinem Grandiositätsdenken den Sinn für die Realität verloren hatte.

      Es war müßig, sich wegen Frieder Gedanken zu machen. Sie musste an Linus denken. Der Junge hatte doch gerade einen Suizidversuch hinter sich. Was war in diesem neuen Internat vorgefallen, was ihn veranlasst hatte, wegzulaufen?

      Hoffentlich war ihm nichts geschehen, hoffentlich hatte er genug Geld bei sich, und hoffentlich besann er sich auf seine Tante Bettina. Sie wünschte sich von ganzem Herzen, dass er in seiner Verzweiflung den Weg zu ihr finden würde.

      Vielleicht wusste ja Grit etwas?

      Bettina rief ihre Schwester an, die glücklicherweise daheim war, aber, wie immer, total genervt klang.

      »Ach du bist es«, sagte sie, nachdem Bettina sich gemeldet hatte, »ich hab jetzt wirklich keine Zeit, ich bin schon auf dem Sprung. Wir telefonieren ein andermal, ja?«

      Ehe Grit auflegen konnte, rief Bettina schnell: »Grit, ich habe gerade mit Frieder telefoniert. Linus ist weggelaufen, weißt du Näheres?«

      »Nein, ich wusste nicht einmal, dass er weggelaufen ist, ein fürchterliches Kind, macht nichts als Probleme. Nein, also, ich weiß nichts davon, und ich kann mich jetzt auch nicht damit befassen, ich muss weg.«

      »Grit, es handelt sich um deinen Neffen. Beunruhigt dich das denn nicht?«

      »Nein, ich hab genug mit mir selbst zu tun. Frieder ist der Vater, und der wird es schon richten.«

      »Grit …«

      Bettina resignierte, was sollte sie dazu auch sagen?

      »Tut mir leid, dass ich dich aufgehalten habe. Tschüss, wir telefonieren ein andermal, und mach dir mal keine Sorgen. Linus wird schon wieder auftauchen.«

      Sie legte auf, und Bettina blieb vollkommen verwirrt zurück.

      Das waren ihre Geschwister.

      Sie wusste nicht, was sie jetzt noch unternehmen sollte. Wie konnte sie sich an der Suche nach Linus beteiligen?

      Sie hatte nicht einmal den geringsten Anhaltspunkt, wo sie mit der Suche beginnen sollte.

      Bettina ging hinauf in ihr Badezimmer und ließ das Wasser in die Wanne laufen, schüttete einen Badezusatz dazu, der sofort den Raum mit zartem Lavendelduft erfüllte.

      Der Tag hatte so wunderbar begonnen. Sie hatte die Adoptiveltern von Lenis Tochter gefunden, Bondi ging es immer besser, und nun die Hiobsbotschaft um das Verschwinden ihres Neffen. Bettina war so voller Sorge, dass sie gar keinen Gedanken daran verschwendete, wie unmöglich Frieder sich wieder einmal verhalten hatte.

      Wo war Linus?

      Dieser Gedanke ließ sie nicht mehr los, und am liebsten hätte sie das Abendessen bei Leni abgesagt.

      Andererseits brachte es auch nichts, dumpf grübelnd zu Hause

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