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Männer gewesen waren.

      Es war für sie gut ausgegangen, ihre Unschuld war zweifelsfrei bewiesen.

      Aber für sie blieb das schale Gefühl zurück, dass es Menschen in ihrem Leben gab, die sie so sehr hassten, dass sie vor solchen Anzeigen nicht zurückschreckten.

      Wer war es gewesen?

      Eine anonyme Anzeige, hatte ihr Steuerberater herausgefunden.

      Doch wer war dazu fähig?

      Doch so sehr sie sich auch das Hirn zermarterte, es fiel ihr niemand ein, bis auf …

      Das war so ungeheuerlich, dass sie diesen Gedanken gar nicht erst zu Ende bringen wollte. Aber es war wohl so. Es gab nur zwei Möglichkeiten – einmal Gründstücksspekulanten, Immobilienhaie, die wütend auf sie waren, weil sie nichts von ihren Grundstücken verkaufte oder aber … Frieder.

      Er wollte um jeden Preis ein Seegrundstück von ihr haben, und Bettina konnte sich sehr gut vorstellen, dass er vor nichts zurückschreckte und diese Anzeige gemacht hatte, um sie zu zermürben, damit sie aufgab, Fahrenbach verkaufte und ihm dadurch freie Bahn verschaffte für spektakuläre und spekulative Geschäfte.

      Sie hatte zuerst nicht an Frieder gedacht, aber ihr Steuerberater hatte es zuerst ausgesprochen, und als auch noch Leni, Arno und Toni davon anfingen, und als selbst Linde den Verdacht äußerte, begann sie auch in diese Richtung zu denken.

      Frieder war dazu in der Lage; um seine Bedürfnisse zu erfüllen, ging er über Leichen. Das sah man ja auch daran, wie er mit seinem Sohn umging, richtiger gesagt, nicht umging. Er hatte seinen Sohn nicht in Schutz genommen, als dieser fälschlicherweise des Drogenhandels beschuldigt worden war. Er hatte ihn nach dem Suizidversuch seines Kindes nicht besucht, sondern in ein anderes, noch strenger geführtes Internat abgeschoben. Und er hatte ihr per Anwalt den Kontakt zu Linus verboten.

      Ja, jemand, der so drauf war, konnte auch Anzeigen machen, um Menschen zu denunzieren, die ihm im Weg waren. Wenn er schon rücksichtslos seinem Sohn gegenüber war, wie sollte er dann auf seine Schwester Rücksicht nehmen.

      Bettina versuchte alles, um es zu verdrängen, weil sie eben nicht wahrhaben wollte, daß ihr eigener Bruder so etwas tat.

      Aber schließlich erfuhr sie es doch.

      Herr Fischer hatte viel zu viele Verbindungen, und es gab auch viel zu viele Menschen, die ihm einen Gefallen schuldeten, und Steinfeld war keine Großstadt. Hier kannte jeder jeden, und hier kungelte auch irgendwo jeder mit jedem.

      Es gab keinen Zweifel, Frieder hatte sie anonym angezeigt, aber es war doch herausgekommen. Und die Grundstücke waren wohl nicht der einzige Grund gewesen, sondern er konnte es nicht verwinden, dass nicht er, sondern Bettina den Alleinvertrieb für Deutschland für den berühmten Malt Whisky Finnmore eleven bekommen hatte.

      Bettina zwang sich, diese Hiobsbotschaft ruhig aufzunehmen. Sie durfte sich nicht aufregen, wollte sie nicht wieder im Krankenhaus landen, weil sie einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte.

      Es tat so weh, von ihrem eigenen Bruder verraten worden zu sein.

      Sie mochte es drehen und wenden wie sie wollte, sie konnte es sich schön reden.

      Fakt blieb, dass Frieder sie auf infame Weise hintergangen hatte.

      Der Schmerz blieb, und der war unbeschreiblich. Darüber konnte auch nicht die wunderbare Neuigkeit hinweghelfen, dass Linde schwanger war und Zwillinge erwartete und dass sie Patentante werden sollte.

      Sie brauchte Abstand, sie brauchte Tapetenwechsel, und es war wohl das Beste, dass sie Jörg besuchte, der dringend auf sie wartete.

      Es war schade, dass Jörg sie nicht sehen wollte, weil er Sehnsucht nach seiner Schwester hatte, sondern dass sie ihm wieder helfen musste.

      Doch das war immer so. Zuerst musste sie ihm aus dem Dilemma nach seinem total in die Hose gegangenen Musikfestival helfen, und jetzt sollte sie versuchen, seinen Geschäftsführer Marcel Clermont zu bewegen, seine Kündigung zurückzuziehen.

      Sie wollte Jörg helfen, und sie freute sich auch, dass er sich, wenn er in Zwangslagen und Schwierigkeiten war, an sie wandte.

      Aber es hätte sie gefreut, wenn er sie um ihrer selbst willen um einen Besuch gebeten hätte. Das war noch niemals geschehen. Er rief ja nicht einmal an und hatte es nicht einmal für nötig gefunden, sie darüber zu informieren, dass seine Frau Doris ihn verlassen hatte. Doris selbst war es gewesen, und es tat ihr jetzt noch leid, dass Doris für immer aus ihrem Leben gegangen war, nicht im Streit, sondern weil sie der Meinung gewesen war, dass Versprechungen, in Kontakt zu bleiben, ja doch nicht eingehalten wurden, wenn man neue Wege gehen wollte.

      Schade, dass Doris nicht mehr zu den Fahrenbachs gehörte. Sie hatte ihre Schwägerin gern gehabt. Welch wertvoller Mensch sie aber wirklich war, hatte sie erst begriffen, als sie sich voneinander verabschiedeten.

      Jetzt gab es in Jörgs Leben Ca­therine Regnier, eine rührige Eventmanagerin. Es war als berufliche Zusammenarbeit gedacht, doch Bettina war sich sicher, daß Catherine irgendwann die Rolle ihrer Schwägerin einnehmen würde, wenn das nicht schon geschehen war.

      Ihr sollte es gleichgültig sein. Catherine war nett, beruflich zog sie mit Jörg an einem Strang, und privat? Das konnte und wollte sie nicht beurteilen, und es war an erster Stelle wichtig, dass Jörg und sie miteinander auskamen.

      Bettina holte ihren Kalender vor.

      Mit Monsieur Humblet würde sie sich auf dem Rückweg treffen. Aber sie würde nicht über Nacht in Paris bleiben, um mit ihm opulent zu Abend zu essen, sondern sich für ein Mittagessen verabreden, zwischen zwei Flügen.

      Und auf dem Chateau würde sie auch nicht mehr als zwei Nächte verbringen. Das musste reichen, um mit Marcel zu reden. Der war ohnehin ein Mann rascher Entscheidungen, und entweder würde sie ihn überzeugen können, dann in einem einzigen Gespräch, oder er würde bei seinem Nein bleiben, und wenn sie sich dabei die Zähne ausbiss.

      Was hatte Jörg nur gemacht, was Marcel so verärgert hatte, dass ihm nichts weiter übrig geblieben war als zu kündigen? Jörg hatte behauptet nichts. Aber das glaubte Bettina nicht.

      Marcel war dem Chateau Dorleac und dessen Bewohnern viel zu verbunden, als dass eine Nichtigkeit ihn dazu gebracht hätte, alles hinzuwerfen.

      Warum konnte zwischen ihr und ihren Geschwistern nicht alles harmonisch sein. Warum hatten die immer nur Schwierigkeiten, Probleme? Weil sie, ohne Rücksicht auf Andere, nur ihre eigenen Bedürfnisse erfüllten?

      Oder war es normal, so zu leben, und sie war nur so langweilig und spießig, wie es ihre Geschwister ihr vorwarfen?

      Bettina griff zum Telefonhörer, und nachdem sie mit Monsieur Humblet einen Termin vereinbart hatte, buchte sie kurz entschlossen ihren Flug.

      Jörg war nicht da, aber sie erreichte Catherine, die ihrem Bruder die Ankunft ausrichten wollte.

      »Schreiben Sie es Jörg dick in den Kalender, damit er nicht vergisst, mich abzuholen.«

      Nachdem Catherine es versprochen hatte, legte Bettina zufrieden auf.

      So, das war auch erledigt. Und wenn Jörg das nächste Mal wieder nur anrufen würde, um sie als Feuerwehr zu benutzen, würde sie ablehnen.

      Das nächste Mal wollte sie von ihm eingeladen werden, weil er seine Schwester sehen wollte, vielleicht auch, weil er sie zu einem seiner Festivals einladen wollte, die bislang, ob das spektakuläre oder all die kleinen hinterher, allesamt ohne sie stattgefunden hatten.

      Das war Wunschdenken, denn – und das wusste sie – es würde ausgehen wie immer, egal ob bei Jörg oder Grit, sie wurde gebraucht, und sie parierte wie ein dressierter Hund.

      Bettina stand auf.

      Sie brauchte jetzt frische Luft. Da es schon ziemlich kühl geworden war, zog sie festere Schuhe an und eine windundurchlässige Jacke, in deren Taschen sie vorsichtshalber ein paar Leckerli stopfte.

      Dann verließ sie das Haus.

      »Hektor,

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