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so ist es auch wieder nicht. Marcel hat gekündigt, das ist richtig. Aber jetzt bist du ja hier, und du wirst das schon richten. Papa hat auch immer alles in Ordnung gebracht, und du bist seine Tochter.«

      »Und du bist sein Sohn«, erinnerte sie ihn.

      Jörg lachte.

      »Aber ich bin anders. Du siehst nicht nur so aus wie er, du hast auch seinen Charakter geerbt. Und das ist etwas, was bei Marcel zieht … Aber nun mach ein anderes Gesicht. Wenn du das in Ordnung gebracht hast, machen wir einen drauf, das verspreche ich dir.«

      So einfach war es für ihren Bruder Jörg. Er beorderte seine Schwes­ter zum Chateau, und die schnippte nur mal so mit dem Finger, und schon zog Marcel seine Kündigung zurück.

      In welcher Traumwelt lebte Jörg eigentlich?

      Er warf, am Auto angekommen, Bettinas Tasche schwungvoll auf den Rücksitz, dann öffnete er ihr die Beifahrertür.

      »Catherine freut sich schon richtig, dich zu sehen«, sagte er, als er losfuhr.

      »Und du, Jörg, freust du dich auch?«, erkundigte sie sich.

      Erstaunt schaute er sie an.

      »Aber na klar, du bist doch meine Schwester. Es ist schön, dich zu sehen.«

      Und das konnte er nicht von sich aus sagen?

      Hatte er es überhaupt ernst gemeint oder nur gesagt, weil er glaubte, dass sie es erwartete?

      Jörg machte das Autoradio an und begann, trotz der laufenden Musik, unentwegt zu erzählen, von all den wunderbaren Dingen, die bereits gelaufen waren, die sich in der Planung befanden. Es fiel ihm überhaupt nicht auf, dass Bettina nichts sagte.

      Chateau Dorleac mit den dazugehörenden Weinbergen war ein stattlicher Besitz, für den man Verantwortung tragen musste, aber Jörg gebärdete sich wie ein glückliches Kind, dem man endlich sein Spielzeug gegeben hatte.

      Er konnte sich ja in gewisser Weise verwirklichen, aber doch nicht mit dieser Sorglosigkeit.

      Bettina bemerkte nicht, dass sie sich längst auf der mit Nussbäumen bestandenen Allee befanden, die das letzte Stück Straße war, ehe sie zum Chateau abbiegen mussten.

      Sie hatte keinen Blick für die Weinberge, durch die sie fahren mussten, ehe sie zu der langen Zypressenauffahrt kamen, die zu der Mauer führte, die das Chateau umschloss, großzügig und großräumig.

      Erst als sie das Tor durchfuhren, schreckte Bettina hoch.

      Der Kies knirschte unter den schweren Rädern des großen Jeeps und wirbelte hoch, weil Jörg viel zu schnell fuhr.

      Vor dem altersdunklen Eichenportal bremste er so hart, dass Bettina, wäre sie nicht angeschnallt gewesen, unweigerlich mit dem Kopf gegen die Frontscheibe geschlagen wäre.

      »Entschuldigung«, murmelte er.

      Die Tür wurde geöffnet, man hatte sie wohl schon erwartet, und Catherine kam die ausgetretenen Steinstufen heruntergelaufen, gefolgt von Marie, der Köchin, die sich immer freute, Bettina zu sehen.

      Catherine hatte sich verändert. Sie hatte ihre Haare wachsen lassen, was ihr gut stand.

      Und auf irgendeine Weise wirkte sie sehr souverän, wie die Herrin des Chateaus.

      »Willkommen, Bettina«, sagte sie herzlich und umarmte Bettina, »schön, Sie zu sehen.«

      »Hallo, Catherine. Sie haben sich verändert, aber die neue Frisur steht Ihnen gut.«

      Marie schob Catherine beiseite. Sie war noch ein wenig rundlicher geworden, strahlte Bettina an und presste sie an ihren üppigen Busen.

      »Ma chere … ma petite … endlich bist du wieder da. Und wie dünn du geworden bist. Aber ich werde dich schon wieder aufpäppeln.«

      Dieser herzliche Empfang tat so gut. Marie freute sich aufrichtig.

      »Marie, ich freue mich, wieder hierzusein. Aber Zeit zum Aufpäppeln wirst du nicht haben, denn ich bleibe nur zwei Nächte.«

      »Das geht nicht. Dein Papa hätte nicht gewollt …«

      Jörg schob die Köchin einfach beiseite.

      »Marie, lass Bettina erst mal ins Haus. Und du kannst sie ja heute Abend nach Herzenslust bekochen.«

      Er schob Bettina vor sich her, die fand, dass Jörg ruhig etwas verbindlicher hätte sein können.

      Marie gehörte zum Chateau, und sie liebte es, Familienmitglieder wortreich und überschwänglich zu begrüßen.

      Bettina drehte sich noch mal zu Marie um.

      »Ich komme dich gleich noch einmal in der Küche besuchen, und dann plaudern wir miteinander. Und auf heute Abend freue ich mich. Ich weiß doch, dass du wieder ein traumhaftes Menü servieren wirst, das ich auf meinen Hüften spüren werde.«

      Marie war besänftigt, sie lachte zufrieden.

      »Du kannst essen, was du willst. Du wirst nicht zunehmen, obschon ein paar Kilo mehr nicht verkehrt wären. Aber du bist wie dein Papa. Mon dieu, wie kann ein Kind seinem Vater nur so gleichen.«

      Von außen hatte Bettina keine Veränderung am Haus bemerkt. Alles war wie immer gewesen – die Haustür flankiert von zwei sorgsam gestutzten Buchsbäumen. Aber drinnen war eine Menge verändert worden.

      Aus der großen, fast saalähnlichen Diele waren die behäbigen Möbel entfernt worden, auch die dunklen großen Ölgemälde. Stattdessen gab es wenige graziler wirkende Möbelstücke, die Bettina von anderen Räumen kannte.

      Die Wände waren weiß gestrichen worden, und an den Wänden hingen moderne, farbenfrohe große Bilder, die neu waren.

      Das alles gab diesem riesigen Raum eine gewisse Leichtigkeit, wenn man überhaupt davon sprechen konnte, denn dominiert wurde er noch immer von der geteilten geschwungenen Treppe.

      Aber der Raum hatte gewonnen, das musste Bettina zugeben.

      »Es ist schön geworden«, sagte Bettina. »Alles ist freundlicher, heller.«

      »Es war Catherines Idee, auch in unseren Räumen hat sie Veränderungen vorgenommen, die dir gefallen werden.«

      Also hatte Catherine schon die Stelle von Doris eingenommen, das war schneller gegangen, als von Bettina gedacht, aber andererseits auch erwartet.

      Catherine war ein wenig verlegen.

      »Ich … wir …«

      Jörg stellte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schulter.

      »Catherine und ich sind zusammen«, sagte er, »und es ist schließlich auch nichts dabei. Doris hat mich verlassen, die Scheidung läuft…«

      »Jörg, du musst dich vor mir nicht rechtfertigen«, unterbrach Bettina ihren Bruder. »Du bist erwachsen und kannst selbst entscheiden, wie du dein Leben führen willst. Wir können ja später reden. Jetzt möchte ich gern auf mein Zimmer gehen, mich ein wenig frisch machen und umziehen.«

      »Und Marcel?«

      »Der läuft doch nicht weg. Lass mich bitte erst einmal ankommen.«

      »Hast ja recht«, stimmte er zu und trug Bettinas Reisetasche hinauf. In dem Zimmer angekommen, das sie schon immer bewohnt hatte, atmete Bettina auf. Hier hatte sich glücklicherweise nichts verändert. Doch wenn es so gewesen wäre, hätte sie auch nichts machen können.

      Das Chateau gehörte Jörg, und er konnte damit tun und lassen, was er wollte.

      Als er ihr bei ihrem letzten Besuch gesagt hatte, Chateau Dorleac sei auch ihr Zuhause, hatte er es wohl ernst gemeint und in ihrem Zimmer nichts verändert, denn sie hatte schon bemerkt, dass sich auf den langen Fluren einiges verändert hatte, gewiss in den anderen Räumen auch.

      »Danke, Jörg.«

      »Danke? Wofür?«

      »Das

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