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»Außerdem musste ich ein wenig Dampf ablassen«, sage ich leise. »Stuart hat acht Landstreicher getötet. Fünf davon waren Kinder.«

       Stella reißt die Hand vor den Mund. Tränen schießen ihr in die Augen. »Kinder?«, presst sie heraus. »Er hat es auf eigene Faust getan?«

       Ich schüttele den Kopf.

       »Wer hat den Befehl gegeben?«, fragt sie, obwohl sie es eigentlich gar nicht braucht. Sie kneift die Augen zusammen und ihr Gesicht wird ganz rot vor Wut. »Diese Frau. Dieses verrückte Miststück. Eines Tages werde ich ihr geben, was sie verdient, Jace. Das verspreche ich dir.«

       »Ich weiß, ich weiß«, erwidere ich. »Sie ist böse. Sie hat Stuart immer wieder etwas über den letzten Beschluss erzählt.«

       »Er hätte sie nicht töten müssen!« Stella schreit fast. Dann beruhigt sie sich. Sie will nicht, dass die Kinder uns hören. »Er hätte sich ihr gegenüber behaupten können.«

       »Hätte er, aber er hat es nicht getan. Stuart ist ein guter Soldat. Er befolgt die Befehle, die man ihm erteilt. Ob es dir gefällt oder nicht: Brenda hat das Sagen. Zumindest, bis die nächsten HOA-Vorstandsmitglieder gewählt werden.«

       »Das ist erst in ein paar Monaten«, knurrt Stella.

       »Lass es auf sich beruhen«, sage ich. »Es wird dich nur auffressen. Den heutigen Tag lege ich in diesem kleinen, schwarzen Loch in meinem Gehirn ab. Ich werde nicht mehr darüber nachdenken, bis ich siebzig und senil bin.«

       Selbst ich weiß, dass das Schwachsinn ist, aber es ist eine der vielen Lügen, die ich mir selbst erzähle, um durch den Tag zu kommen.

       »Wie war dein Tag, Schatz?«, grinse ich, als ich mich abtrockne und anziehe. »Hast du den Kindern was Gutes beigebracht?«

       Bevor die Z kamen, war Stella fünfzehn Jahre lang Lehrerin gewesen. Nun hat sie die Ehre, alle achtzehn Kinder zu unterrichten, die hier im Viertel im Schulalter sind. Sie muss die Schmach ertragen, sie in zwei Räumen zu unterrichten, die wir uns von der Church of Jesus of the Light (CJL) „ausleihen“. Ja, es gibt eine Kirche in unserem schönen Viertel. Aber, und das ist ein großes ›Aber‹, sie ist nicht Teil von Whispering Pines. Derjenige, der diesen Vorort als Erster entwickeln wollte, hatte das ganze Land um die Kirche herum zu einem angemessenen Preis gekauft und versprochen, dass der Weg zur Kirche auf unbegrenzte Dauer genutzt werden darf. Dann ist der Bauunternehmer pleitegegangen. Sein Nachfolger, der die Häuser dann tatsächlich gebaut und Whispering Pines verwirklicht hat, hatte das Land als Schnäppchen erstanden. Aber egal wie sehr man es versuchte, die CJL wurde man einfach nicht los.

       Das wäre nicht so schlimm, wenn die Kirche nicht von einem alten Prediger geleitet würde, der ehrlich daran glaubt, dass wir alle von Gott wegen unserer Sünden bestraft werden. Natürlich sind die Z eine gerechte Strafe, und ihm ist es eine Genugtuung, mindestens 50 Mal am Tag darauf hinzuweisen. Er erzählt es jedem, der in Hörweite kommt. Die arme Stella muss den ganzen Tag mit ihm klarkommen. Sie hält ihn von den Kindern fern, aber das ist ebenso viel Arbeit wie das Unterrichten selbst.

       »Ich habe Prediger Carrey geschlagen«, sagt Stella.

       »Scheiße! Das hast du getan?«

       »Nein. Natürlich nicht.« Sie blickt finster drein. »Aber es wäre fast dazu gekommen. Ich hatte ihn mit dem Arsch an der Wand, und wenn dein Sohn nicht eingegriffen hätte, ich glaube, dann hätte ich Schlimmeres getan, als ihn zu schlagen.«

       »Und warum hattest du ihn mit dem Arsch an der Wand?«

       »Weil er seinen Kopf in das Zimmer der jüngeren Kinder gesteckt und gesagt hat, ich zitiere wortwörtlich: dass jeder von ihnen für das, was ihre Eltern am Tor machen, zur Hölle fahren wird. Viel Glück, ihr elenden Mistkerle, wenn ihr in der Grube brennt.‹ Das sagte er zu Kindern, die gerade mal fünf Jahre alt sind, Jace. Der Mann ist böse.«

       »Für dich sind viele Leute ›böse‹«, sage ich. »Vielleicht brauchst du eine neue Beschreibung.«

       »In diesen Tagen gibt es viel Böses«, sie starrt zornig, »oder hast du das nicht bemerkt?«

       »Habe ich.«

       »Dad!«, ruft Charlie von unten. »Da ist jemand für dich an der Tür!«

       »Jemand?«, frage ich. Er kennt jeden in der Nachbarschaft. Außerdem weiß er, dass man nicht schreit.

       »Sei nett«, sagt Stella, »er war heute mein Held.«

       »Ich bin nett«, antworte ich, während ich die Treppe hinuntereile, »mach dir keine Sorgen.«

       »Ich bin wohl kaum irgendjemand«, sagt Mindy Sterling vor meiner Haustür.

       Eine Frau Mitte dreißig. Mindy ist fett, aber nicht zu kurvenreich, stark, aber nicht muskulös, und sie leitet den Sicherheitsdienst in der Wohngegend. Das ist wie eine Nachbarschaftswache. Die Polizei ist zu einer dysfunktionalen Einheit geworden. Früher war sie Teil der Zenith Hausverwaltung, dem Unternehmen, das die Einhaltung der Verträge für den Bauunternehmer und die HOA überwachte. Zum Glück war sie am Z-Tag in dem Viertel. Seitdem sitzen wir mit ihr zusammen hier fest. Unnötig zu sagen, dass Mindy dem HOA-Ausschuss gegenüber Rechenschaft ablegt und dieser wiederum Brenda. Das bedeutet, Mindy ist Brendas Miststück. Und sie mag es eigentlich auch so. Sie muss nicht denken und schikaniert die Leute. Sie tut so, als wäre sie unverzichtbar. Prinzipiell derselbe Job wie vorher, aber mit mehr Tod und Zombies.

       »Das hast du unten am Tor stehenlassen«, sagt Mindy und zeigt auf mein Fahrrad, das jetzt im Vorgarten steht. »Ich habe es für dich hergebracht. Du weißt, dass es gegen die HOA-Verträge ist, wenn man persönliche Gegenstände einfach so herumliegen lässt. Heute werde ich dich verwarnen, Jace, aber beim nächsten Mal beschlagnahme ich das Fahrrad.«

       Ich blinzele sie ein paar Mal an und dann schüttle ich den Kopf. »Äh, danke.«

       »Und sag deinem Sohn, dass er mich mit ›Miss Sterling‹ ansprechen soll, wenn ich zu euch nach Hause komme«, sagt Mindy, während sie sich zum Gehen wendet. »Mich ›jemand‹ zu nennen, ist respektlos. Das habe ich zur Kenntnis genommen.«

       »Gut, Mindy«, rufe ich ihr nach. »Wir hassen es, dass die Dinge durch die Apokalypse respektlos geworden sind!«

       Sie ignoriert mich, was wirklich das Beste ist.

       Mein Handy summt und ich sehe eine Nachricht von Jon.

       ›Ich weiß nicht, was deine Frau heute getan hat, aber ich habe Brenda am Arsch. Ich soll kommen, um mit meinem ›Bruder Gottes‹, was immer das auch bedeutet, zu reden und um ihn zu beruhigen. Er ist bei ihr zu Hause und tobt wie ein Verrückter. Er möchte, dass deine Frau auf die Anklagebank gebracht wird.‹

       ›Das tut mir leid‹, antworte ich. ›Soll ich mit ihr vorbeikommen?‹

       ›Ich will, dass deine Frau mit dir kommt, damit wir das klären‹, textet John. ›Und ich möchte, dass sich jeder darüber im Klaren ist, dass ich Leiter der Anlage bin. Die Tage, an denen ich Gottesdienste gehalten habe, waren schon vor dem Z-Tag lange vorbei. Warum schnallen die Leute das nicht?‹

       ›Wegen dem Heiligenschein und dem Engelschor, die deinem jämmerlichen Arsch überall hin folgen‹, erwidere ich. ›Sag Brenda, dass du auf dem Weg bist, aber schwing deinen Arsch erst mal hierhin. Okay?‹

       ›Sicher. Schön. Meinetwegen. Lutsch meinen heiligen Schwanz.‹

       ›Dein Schwanz hat nur ein Loch‹, scherze ich.

       ›Wenigstens habe ich einen Schwanz, Arschloch. Jetzt hör auf, mir Nachrichten zu schicken. Ich kann nicht gleichzeitig texten und laufen. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass es illegal und gegen die HOA-Verträge ist. Ich möchte nicht von Mindy angehalten werden. Ich kann diesen Reeboks nicht entkommen, die sie bei der letzten Tauschbörse bekommen hat.‹

       ›Wir sehen uns in einer Minute.‹

       ›Ich habe gesagt, dass du aufhören sollst, mir zu texten, also hör auf! Scheiße! Sind das Schuh-Sirenen? Mist, sie kommt, um mich zu holen, Kumpel! Polizeibrutalität! Polizeibrutalität!‹

       Als er aufhört, mir zu texten, steht

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