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Grund meines Hierseins berühren?«

      Als jetzt der Kaiser, die Hände auf dem Rücken, im Gemache auf- und niederschritt, ahnte Paris, auf welche Gegenstände sich nunmehr das Gespräch lenken werde und bereitete sich einstweilen im Geiste vor, Domitian ja keine anstößigen Antworten zu geben.

      »Gestehe mir eins,« begann der Kaiser in leutseligem Tone, im Gemache auf- und abschreitend, »bist du wirklich den Weibern so gefährlich, Paris?«

      »Ah! nun kommtʼs,« dachte der Mime, hustete einmal erregt und machte mit dem Fuße eine hastige Bewegung.

      »Ich glaube, hoher Herr,« entgegnete er mit feiner Betonung. »ich glaube, es verhält sich umgekehrt, die Weiber werden mir gefährlich.«

      Domitian streifte ihn mit einem verwunderten Seitenblick und fuhr sich über die kahle Stirn.

      »Beim Zeus!« sagte er lachend, »du triffst das Richtige. Aber sprich! Wie viele Liebesabenteuer bestehst du monatlich?«

      Paris, der hinter der humoristischen Behandlungsweise dieses Gegenstands den tiefen Ernst des Kaisers wohl herausklingen hörte, nahm sich zusammen.

      »Herr,« sagte er, unwillkürlich seiner Eitelkeit ein wenig nachgebend, »wollte ich allen Anerbietungen folgen, beim Zeus! ich müßte ein Gott sein, denn meiner Menschlichkeit würde es übel ergehen, aber wisse, daß ich die Weiber nicht nur verachte, sondern geradezu fürchte.«

      »Aber sie schwärmen doch alle für dich,« warf der Kaiser ein, »warum fürchtest du sie?«

      »Nun, hoher Herr,« entgegnete Paris möglichst unbefangen, »die Klugheit ist mächtiger denn die Liebe. Wir Künstler sind keine Helden, unsere Waffe ist das Wort, der Ton, der Pinsel, der Meißel, nicht das Schwert, und, wenn wir genießen wollen, so vermeiden wir gern die Gefahr, die dem gewöhnlichen Sterblichen das Vergnügen würzt. Wir lieben das Bequeme. Glaubst du, ich wollte mir den Haß aller jener Ehemänner zuziehen, deren Frauen zuweilen Gefallen an mir finden?«

      »So bringst du es über dich, auch Bitten abzuschlagen?« frug Domitian, das letzte Wort stark betonend.

      »Hoher Herr,« sagte Paris mit aufrichtigem Ernst, »ich kann kein Weib lieben, das bereits von einem Zweiten geliebt wird.«

      Domitian, der sogleich bemerkte, welchen geheimen Sinn Paris dieser Phrase unterlegte, erröthete flüchtig und betrachtete mit Wohlwollen die schöne, stolze, nur wenig an die Bühne erinnernde Haltung des Schauspielers.

      »Und was beginnst du, wenn dich ein solches Weib liebt, dir wohl gar nachstellt?« fragte er, sich schwerfällig in seinen Sessel niederlassend, mit leiser, fast ein wenig scheuer Stimme.

      »Es ist sehr leicht, einem liebenden Weibe, sehr schwer, einem hassenden Manne auszuweichen!« entgegnete der Tänzer bedächtig.

      Zum ersten Male war Domitian mit sich selbst nicht einig, ob er hier mißtrauen oder Glauben schenken sollte, zum ersten Male trat im hier ein Mensch gegenüber, der so frei von der Seele wegsprach, daß es eine Freude war, ihm zuzuhören, und daß man gezwungen wurde, jeden Zweifel betreffs seiner Empfindungen zu zerstreuen.

      Er nickte und sagte dann langsam mit zwar ernster, aber freundlicher Stimme: »An deiner Stelle würde ich mir diesen deinen Ausspruch, der so sehr treffend ist, tief in meine Seele prägen. Wahrlich, es wäre mir leid, dich dem Zorn eines Ehegatten zum Opfer fallen zu sehen! Weiche den Begehrlichen aus, du weißt, für ein paar Denare bewaffnet sich leicht eine Schurkenfaust, die zu allem fähig ist. Hinter dem Lächeln der Weiber fürchte stets den lauernden Dolch!«

      Paris, der vor innerer Anspannung, das richtige Wort zu finden, Vertrauen zu erwecken, zitterte, verstand die Winke seines Kaisers sehr wohl.

      »Nur müßten,« gab er seinerseits zu verstehen. »die Ehemänner der Möglichkeit des Ausweichens in die Hände arbeiten.«

      »Ich verstehe,« murmelte Domitian, »es giebt in Rom, willst du sagen, viele unbedachte Gatten, die dich in deinen edeln Bestrebungen nicht unterstützen!«

      »Auch die Rache einer Zurückgewiesenen ist gefährlich,« flüsterte Paris ganz leise, fast hauchend vor sich hin, und schloß das zitternde Augenlid.

      Domitianʼs sonst so mißtrauisches Innere erweiterte sich, er athmete auf, es ging wie eine plötzliche Erleichterung durch seine Seele, lag es doch klar vor seinen Blicken, Domitiaʼs Liebe gehörte ihm ungetheilt. Sie war sein, Keiner wagte es, sie ihm zu rauben. Er, den er im Verdacht gehabt, war weit entfernt von unlauteren Absichten. Diese Gewißheit veränderte für einen Augenblick sein ganzes Wesen, die Menschen erschienen ihm auf einmal weniger hassenswerth, es ließe sich doch vielleicht unter ihnen leben, und wenn sich nur ein einziger Ehrlicher fände, wäre es doch der Mühe werth, diesen an sich zu ziehen, und mit ihm gemeinsam die Welt zu verachten.

      In dieser ihm zwar nicht unbekannten, aber doch seltenen Erregung, schritt er auf Paris zu, faßte dessen Hand und sagte fast schüchtern: »Deine Grundsätze gefallen mir. Könntest du in mein Inneres schauen, so würdest du eine Stimme hören, die zu deinen Gunsten spricht, ich hege Vertrauen zu dir.«

      Paris zuckte zusammen, dieser vertrauliche Ton ließ ihn das Schlimmste befürchten, er entzog unwillkürlich seine Hand derjenigen des Kaisers.

      Dieser aber, als er des Tänzers erschrockene Miene gewahrte, die deutlich erkennen ließ, wie wenig er die gnädige Vertraulichkeit zu schätzen wußte, trat verstimmt zurück. Paris stammelte ein paar Worte des Dankes, im Stillen überlegend, ob sein Untergang beschlossen sei, oder ob er diesmal dem Wohlwollen eines Mannes trauen dürfe, dessen widerspruchsvolle Seele jedem ein Räthsel blieb. Domitian, über die rasche Aeußerung seiner Neigung erzürnt, noch erzürnter darüber, daß man selbst seinen ehrlich gemeinten, edlen Regungen mißtraute, versank in Schweigen. Sogleich umwölkte sich sein Gemüth aufʼs Neue, die Zweifel schlichen herzu und er gestand sich, daß, wenn er auch Paris schuldlos befunden, er in Domitiaʼs Innerem noch nicht genug gelesen, um sie von jeder Schuld freizusprechen. Und was nutzte es ihm, wenn Paris diejenige vermied, die ihn liebte? Liebte sie ihn nicht deshalb vielleicht um so inniger, da sie ihn meiden mußte, und war er, der Kaiser, nicht ein desto ärmerer Bettler, diesem reichen, mächtigen Tänzer gegenüber, der sogar seinen Reichthum von sich stieß?

      Er warf einen finsteren Blick auf den schönen Jüngling, um dessen Körper sich ihm die Luft schwärzte, als wollte sie ihn zuhüllen.

      Dann schlich sichʼs zu ihm schwarz, ungestaltet und wisperte ihm inʼs Ohr; er glaubte es sei sein Zwerg, der aber saß auf dem Löwenfell und war eingeschlafen, die Nase röchelnd in die Höhe gerichtet.

      »Fort mit ihm! aus der Welt,« tönte es in seiner Brust, »was habe ich von ihm, der mich zurückstößt? Das wäre ein sicheres Mittel, im Besitz des Kostbarsten zu bleiben!« Wenn sie diese Glieder nicht mehr sähe, diese schwermüthigen Blicke nicht mehr auf sich ruhen fühlte, dann mußte sie genesen von ihrer Leidenschaft. Jetzt war es noch Zeit, sollte er dem raschen Entschlusse folgen? Ein Wink hinter den Thürvorhang und die Sache war erledigt – der Centurio verstand sein Amt, – ein klopfendes Herz war befreit für immer von dem Druck, der es zu zermalmen drohte. Doch konnte er sich nicht verhehlen, daß das ungenierte Betragen dieses Tänzers eine Spannung auf sein Gedankenleben ausgeübt, daß das Individuelle, das von ihm ausströmte, das weichlich Phantastische und doch sicher Männliche seines Auftretens, ihn berauschte. Fast war es dem vor sich hin Brütenden, als wenn er an etwas Verbotenes tastete, sobald er sich einfallen ließe, dies Leben zu vernichten.

      Vielleicht war es eine gewisse Ehrfurcht, die er, der Häßliche, der selbstbewußten Schönheit unwillkürlich zollte, deren alles besiegender Glanz, deren wohlthuende Wärme ihn zwang, sie unberührt zu lassen. Hierdurch entstand ein seltsames Gemisch widerstreitender Empfindungen in dem Busen des Eifersüchtigen, er hätte den Leib des Tänzers bewundern und seine Seele tödten mögen, er liebte und haßte zu gleicher Zeit.

      Noch standen sich die Beiden schweigend gegenüber, als der linke Thürvorhang gehoben wurde und ruhigen Schrittes, heiter lächelnd, die in ein leichtes Morgenkleid gehüllte Kaiserin in das Gemach trat. Sie schien es nicht im geringsten übel zu nehmen, daß man ihrer mitten in der Nacht begehrte, auch war in ihren frischen Gesichtszügen kaum noch eine Spur des abgeschüttelten

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