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Der Mime. Wilhelm Walloth
Читать онлайн.Название Der Mime
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Wilhelm Walloth
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Hierauf erfolgte ein verdrießliches Geseufze und erst als der Kaiser zum dritten Male rief, gab eine scharfe Fistelstimme zur Antwort: »Ja Herr.«
»Stehe auf!«
»Es ist ja noch völlige Nacht, Herr,« krähte die Kinderstimme schläfrig aus der Dunkelheit hervor.
»Zu was eine solche Nacht nur überhaupt da ist,« brummte Domitian in den Bart. »Begreifst du es, Antonius?«
»Beim Zeus, Herr,« erwiderte die dünne Stimme, »man sagt, die Armen und Müden hätten sie nöthig – die müssen schlafen.«
Als sich nun Domitian von der Thür entfernte schob sich hinter dem Vorhang eine Zwerggestalt hervor, blieb stehen, kratzte sich gähnend den großen dichtbehaarten Kopf und rieb sich dann mit ärgerlicher Miene die Augen. Domitian setzte sich wieder auf sein Bett und winkte den Verwachsenen heran, dem er mit einer fast liebevollen Sorgfalt das Löwenfell zurechtrückte. »Der Schlaf gehört nicht zum Dienstpersonal,« sagte der Herrscher mit ernster, fast weicher Stimme, »er kommt und flieht wie es seiner Laune behagt. Heute floh er mich bereits nach drei Stunden; die Götter sind deinem Kaiser ungnädig, nun aber, so leiste du mir ein wenig Gesellschaft, Antonius!«
»Ach Herr, was hast du an der Gesellschaft eines Buckligen?« gähnte der Kleine herbeihinkend und sich mit wackelndem Kopfe auf das Löwenfell kauernd. Domitian wühlte in den struppigen Haaren seines Lieblings, streichelte ihm die runzelige Wange und sah, wie in böse Träume verloren, vor sich hin. Dann plötzlich sein Haupt erhebend, lächelte er trübe vor sich hin und sagte freundlich: »Siehst du? wir gehören zu einander Du bist verwachsen – das ist eine Krankheit, mir fehlt der Schlaf, das ist auch eine Krankheit.«
»Ja Herr, ich trage einen Buckel und du trägst die Krone, beides sind Verunstaltungen,« seufzte der Zwerg, den Kopf auf die Kniee seines Herrn legend, schloß dann die Augen und fügte weinerlich hinzu: »Ich wollte, du ließest mich noch ein wenig schlafen, meine Verunstaltung hindert mich nicht daran.«
Domitian hörte nicht auf die Bitten des Ermüdeten, versprach ihm aber die köstlichsten Leckerbissen, wenn er ihn jetzt ein wenig unterhielte, seine Seele sei heute Nacht ungewöhnlich beunruhigt.
»Ist das der Fall,« murmelte der Zwerg, »so hast du ein altes gutes Mittel, dich aufzuheitern. Hier liegt dein Schreibgriffel – hier sitzt eine Fliege« . . .
Domitian, hierdurch an seine Lieblingsbeschäftigung, die Jagd auf Fliegen erinnert, lachte vor sich hin und indem er das Haupt seines Verwachsenen zwischen den Händen rieb, sagte er scherzhaft: »Oder ich könnte dir zur Unterhaltung auch die Haare jedes einzeln auszupfen – was meinst du? – Doch fürchte nichts – ich bin heute nicht in meiner Fliegenstimmung und du bist mein getreuester Diener. Wen hätte ich auch sonst außer dir, Antonius?« setzte er mit fast väterlicher Freundlichkeit hinzu. »Außer dir habe ich keinen, dem ich ganz vertrauen könnte.«
»Oho,« stöhnte der Zwerg.
»Bezweifelst du dies?« frug Domitian, »weißt du nicht, daß ein Herrscher immer von Schurken umgeben ist? Ja, mein Lieber, die Lage der Fürsten ist höchst beklagenswerth, weil man ihnen betreffs ihrer sichren Kunde einer Verschwörung nicht eher Glauben schenkt, als bis sie ermordet sind.«
»Ich bin also dein einziger Freund?« frug der Zwerg und beschloß seinen Herrn zu ärgern.
»Der einzige, dem ich nicht mißtraue,« sagte der Kaiser.
»Nun, du hast doch Domitia, deine Frau!« sagte der Zwerg höhnisch lächelnd und befreite seine Ohren von den liebkosenden Fingern des Gebieters.
Domitian, als diese Antwort an sein Ohr schlug, zog seine Kniee so rasch unter der Wange seines Lieblings hinweg, daß sich dieser den Kopf heftig an der metallenen Bettstatt aufstieß. Die Hände an die verletzte Wange drückend, begann er laut zu stöhnen, den kläglichen Blick zu Domitian emporschlagend. Kaum aber hatte er dessen starres, unheimlich auf ihn gerichtetes Auge und den zusammengekniffenen Mund wahrgenommen, als er zugleich aufhörte zu seufzen. Er nahm die Hände von der Wange und beugte beklommen vor sich hinsehend den Kopf tief herab. Jetzt wußte er, was seinen Herrn nicht schlafen ließ; dieser Blick, diese heftige Bewegung sagte es ihm, daß das allgemeine Stadtgespräch bis zu Domitianʼs Ohr gedrungen war und daß gewisse düstere Befürchtungen in Beziehung auf Domitiaʼs Treue den Herrscher veranlaßten, nächtlicherweile Trost bei seinem verhätschelten Liebling zu suchen. Jetzt kannte er auch das Mittel, durch das er sich an seinem Herrn für die gestörte Nachtruhe rächen konnte, und als Domitian sich jetzt langsam, fast schleppend erhob, in dem Gemach auf und ab zu wandeln, machte sichʼs der Kleine auf dem Boden bequem.
»Zürnst du mir, Herr?« frug er, einestheils von der Begierde zu quälen getrieben, anderntheils ängstlich nach einem Ausweg spähend, wenn es gefährlich werden sollte, den Löwen gereizt zu haben.
»Wer heißt dich von Domitia reden?« flüsterte der Kaiser, und griff, indem er neben dem Candelaber stehen blieb, mit der rechten Hand krallenartig in die Falten des Vorhanges. Der Zwerg lächelte verschmitzt.
»Von Domitia reden?« lächelte er, »du hättest viel zu thun, wenn du in den Kneipen Roms verbieten wolltest, daß von Domitia die Rede ist, denn – am Ende, Herr, gestehe selbst, was nützen Geheimnisse, Herr,« fügte er gleichgültig die Hand vor den gähnenden Mund drückend hinzu, »Geheimnisse, die doch schließlich keine sind.«
Er seufzte, schnickte nachlässig mit der Hand, dann sah er, indem er das eine Auge boshaft zupreßte, mit dem andern, dessen durchdringende Pupille hastig hin und her rann, zu dem Herrscher empor.
Domitian, der jetzt vor dem Candelaber stand, schaute, das finstere Gesicht zur Seite neigend, mit fast erschrockener Miene zu dem Kleinen herab, der behaglich grinsend im Gesicht seines Triumphs seine Arme um die Kniee schlang und sich wie ein Affe in das Löwenfell wickelte.
»Keine mehr sind?« wiederholte der Kaiser mit fast tonloser, stammelnder Stimme, – was sagst du – ich dachte. —«
»Nun Herr,« entgegnete Antonius, ein von der Schadenfreude durchbebtes Mitleid heuchelnd, – mein hoher Herr, es thut mir wirklich leid, daß ich gezwungen bin, so offen mit dir zu reden, ich habe jedoch von jeher die Wahrheit selbst einem Mächtigen gegenüber mich nicht geschämt, aufrecht zu halten, und da du doch selbst sagtest, ich sei dein treuster Freund« – er hielt inne, wiegte sich befriedigt her und hin, und frug dann: »Sagtest du das etwa nicht?«
Domitian nickte.
»Nun,« begann der vergnügte Bucklige aufʼs neue, die Worte, die er sprach, wie Dolche zuspitzend, »so darf ich mir wohl, zwar bittere, aber heilsame Freundschaftsdienste dir zu leisten herausnehmen. Freilich blutet mir der Mund, solchen Namen zu nennen, und an eine solche Schandthat zu gemahnen, ist fast so gefährlich, als der Thäter selbst zu sein. Doch ist mein Trost, daß du ja auf Alles vorbereitet warst, ich sage dir ja nichts Neues, – du weißt es ja so gut wie dein Lieblingszwerg, so gut, wie die ganze Stadt es weiß – so gut —«
Als der Kleine hier abbrechen mußte, da seine freudenzitternde Stimme ihm im athemlosen Halse stecken blieb, entfuhr dem Kaiser ein lautes erbittertes: »Was?« dem er leiser hinzufügte, »was soll ich wissen?« Der Kleine kroch an die Füße seines Herrn heran, die er streichelte, und frug in geheimnißvollem, bedauerndem Ton: »Wie? kennst du den Schauspieler Paris nicht? Den schlanken jungen Mann, mit dem die Frauen Roms so gerne Blicke tauschen, den süßen Tänzer, mit dem selbst eine gewisse hochgestellte Dame sich so gern unterhält.«
Domitian dessen Brust sich krampfhaft hob, hielt an sich und bat den Kleinen möglichst gleichgültig, er möge ihm von diesem Mimen erzählen, den er allerdings ein wenig kenne.
»Nun, es ist derselbe, auf den Martial das stadtbekannte Epigramm gemacht,« sagte der Zwerg. Alsdann pries er schmunzelnd die Schönheit des Tänzers, seufzend seine eigene Häßlichkeit betonend, die ihm leider unmöglich mache, der Gebieterin Roms zu gefallen, beschrieb dessen geschmeidiges Aeußere, ahmte den kindlich weichen Klang seiner Stimme nach, ließ ein Streiflicht auf die Liebesabenteuer desselben fallen, und ließ durchblicken, daß es ausgemacht sei, daß kein weibliches Herz diesem Jüngling widerstehen könne, sobald er Frauenrollen tanze. Die bekannte Frau