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Der Mime. Wilhelm Walloth
Читать онлайн.Название Der Mime
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Wilhelm Walloth
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Domitian bemerkend, daß sein Nebenbuhler eine Art Mitleid mit ihm hegte, riß sich endlich gewaltsam aus diesem unwürdigen Zustand. Um nur so rasch als möglich dem Tänzer die untergeordnete Stellung anzudeuten und einstweilen Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, fiel er auf einen wunderlichen Ausweg. Er schritt auf sein Lager zu und sagte mit verächtlichem Lächeln:
»Ich konnte nicht schlafen, – tanze!«
Paris hob den Kopf.
»Wie, hoher Herr?« frug er.
»Unterhalte mich, vertreibe mir die Pein der schlaflosen Nacht, – tanze!« sagte Domitian rauh, indeß der Zwerg, der der ganzen Scene grinsend gefolgt war, mit den Fingern in die Luft schnalzte, wofür ihn jedoch der Kaiser mittelst eines tadelnden Blicks strafte.
Paris, der seinen Ohren nicht traute und den die herablassende Art, in der man ihn hier als ein Spielzeug behandelte mit aufsteigendem Trotz erfüllte, sagte verwundert, mehr zu sich selbst: »Tanzen? in dieser Stunde?«
Hierauf entstand eine Pause, während welcher der Kaiser geistesabwesend vor sich nieder sah, um dann wie erwachend den lauernden Blick auf seinen Nebenbuhler zu richten.
»Nun ja,« warf der Herrscher frostig hin, »ich habe schon oft deinen Tanz rühmen hören, habe aber noch nie Gelegenheit gehabt, ihn in der Nähe zu bewundern. Ich bin, wie du weißt, kurzsichtig, genieße deshalb Schauspiele nur sehr oberflächlich. Vielleicht werden wir gute Freunde, wenn ich Gefallen an dir finden sollte. Tanze also! ich überlasse dir die Wahl, jeder Tanz ist mir recht.«
Paris, der sich plötzlich zum Sklaven herabgewürdigt fühlte und sich seiner verachteten Stellung als Mime immer schmählicher und schmerzlicher bewußt wurde, hob stolz das erröthende Haupt, die Lippen ein wenig nach einwärts krümmend.
»Du scherzest, Gebieter,« sagte er mit leiser, gepreßt schmerzlicher Stimme, »du willst meiner spotten!«
Domitian hatte sich auf die Kissen seines Lagers hingestreckt.
»Scherzen?« entgegnete er fein lächelnd, sich an der Beschämung seines Opfers weidend, »nun und wenn selbst ich scherzte, was kümmerte es dich? Aber ich scherze nicht! Ich möchte nämlich an deinen Bewegungen die Kunst studiren, durch die du allen Weibern so unsägliche Bewunderung abnöthigst. Man sagt, du bist der gemeinschaftliche Ehegatte aller Ehegattinnen Roms. Gut mein Freund, gieb mir eine Probe deiner Kunst, zu gefallen, tanze eine Weiberrolle!«
Dies letzte Wort, mit ausgesuchter Geringschätzung betont, traf den Mimen wie der Tatzenschlag eines Tigers.
Parisʼ Mund öffnete sich krampfhaft, ein bitterer Zug verbreitete sich um seine erblassenden Lippen, und indem er die Stuhllehne umkrallte, stand er einige Zeit wie vernichtet.
Wenn er auch vor dem Volke zu tanzen gewohnt war, und ihm der Beifall schmeichelte, fühlte seine feine Natur sich doch nach jeder seiner Productionen wie gedemüthigt. Es kam vor, daß wenn ihm der Beifall am lautesten im Theater umwogt, er ganz niedergeschlagen zu Hause ankam, an nichts Gefallen fand und Thränen der Reue, der Scham ihm in den Augen standen, die selbst seine besten Freunde nicht zu verscheuchen vermochten. Der Hohn, der in des Kaisers Benehmen lag, gab ihm übrigens bald seine Selbstbeherrschung zurück.
Die Lippen energisch zusammenpressend, stieß er ein ersticktes: »Ich tanze nicht« hervor, das den Kaiser aus seinen Polstern in die Höhe fahren ließ. Der Kaiser sah den bebenden todblassen Jüngling, der sich gramvoll auf die Lippen biß, lange schweigend an.
»Widerstand?« murmelte er fragend, und sich völlig empor setzend, sah er mit einem zwar düstern, aber eigentlich nicht erzürnten, sondern eher träumerischen Ausdruck vor sich hin.
Paris, der sich auf das Schlimmste gefaßt machte, blieb regungslos, seitwärts zu Boden blickend, stehen, mit einem Gefühl in der Brust, als läge er in der Arena unter der Branke des Löwen. Sein Trotz wich jedoch bei aller Angst, die in seinem Herzen zitterte, um kein Haar breit, dieser Trotz war zu sehr die Folge von Demüthigungen. Um sich zu zerstreuen, lauschte er dem Rauschen der Flamme, dem Säuseln des Vorhangs. Sein Blick fiel sodann auf den grinsenden Zwerg und huschte von dieser widerlichen Fratze hinüber nach dem Fenster das so einladend draußen die Freiheit, die mondblaue Nacht, den tiefen Frieden der Natur zeigte. Welcher Gegensatz! Wer jetzt da draußen weilen dürfte! Wer Flügel hätte, um durch das Fenster zu entkommen!
Erst nach einer längeren Pause erhob sich der Kaiser, ließ einen Sklaven kommen, dem er die Flamme des Candelabers zu schüren befahl und setzte sich dann auf den neben dem Bette stehenden Sessel.
Der Sklave war gegangen, der Zwerg lehnte sich an die Bettstelle, der Kaiser saß noch immer schweigend, als habe er vergessen, daß sich Paris im Gemach befinde. Endlich, nachdem er einige Zeit nach Worten gesucht, sagte er, den Kopf tief zur Erde gebückt: »Du bist stolz, Paris!«
Paris, der sich allmälig wiedergefunden, war erstaunt über die Milde des Herrschers. Er athmete erleichtert auf.
»Hoher Herr, was ist der Mensch, wenn du ihm alle Achtung vor sich selbst nimmst? Gleicht er alsdann nicht dem Thiere?«
Domitian nickte. Die Art, in der der Mime sprach, nöthigte ihm unwillkürlich Achtung ab, er fühlte, daß er es hier nicht mit einem verblasenen Schwindler, sondern mit einem Manne zu thun hatte, der im Gefühl seines Werthes fest auf seinen Füßen steht und dem deshalb mit Strenge nicht beizukommen ist. Grade die Mischung von anschmiegender Weichheit und herber Festigkeit gefiel dem düstern, menschenscheuen Fürsten.
»Ich sage auch nicht, daß ich dir deine ablehnende Antwort verüble,« erwiderte er ruhig, fast träumerisch, »ich müßte lügen, wollte ich nicht gestehen, daß mir dein Trotz in gewissem Sinne gefällt. Ich verachte freilich dein Handwerk, du selbst scheinst mir indeß nicht verächtlich.«
Domitian erhob sich, nachdem er dies gesagt und schritt, den Thürvorhang hebend, ohne sich zu entschuldigen, in das nächstfolgende Gemach, in welchem Silius, der Hauptmann, Wache hielt. Sein Plan war entworfen, dies mußte ihm, wenn auch nicht völlige Gewißheit, doch einen klaren Einblick in das Verhältniß der beiden verschaffen.
»Silius,« flüsterte der Kaiser.
Silius trat auf den Zehen herzu.
»Ich hoffe, du bist verschwiegen,« flüsterte der Kaiser ein wenig erregt. Der Hauptmann legte die Hand auf die Brust und wollte seine Verschwiegenheit betheuern. Domitian unterbrach ihn jedoch.
»Gehe! Gieb im linken Flügel des Palastes sofort den Befehl, daß Domitia geweckt werde,« hauchte er dem erstaunten Soldaten inʼs Ohr. »Gründe giebst du keine an! Domitia solle vor mir erscheinen, ich wünsche es.«
Der Hauptmann entfernte sich sogleich, indeß ihm der Kaiser noch einige Schritte folgte.
Während dieses kurzen Zwiegesprächs hatte sich der Zwerg Antonius dem Tänzer zu nähern gesucht. Paris, aus seinen Gedanken gerissen, sah fast erschrocken auf den Verwachsenen herab, der zu ihm hingekrochen war und ihm allerlei zuflüsterte, auf das er nicht hörte, sondern es zerstreut mit. Kopfnicken beantwortete.
Nun, da Domitian wieder in dem Gemach erschien, zog sich der Zwerg