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nicht, wie es ihr eigentlich ihr Inneres vorschrieb, tadelnd einen Spiegel seines Lebenswandels vor. Sie ließ es bei jener mahnenden Bemerkung bewenden, da es ihr wie eine Entweihung ihres beiderseitigen Verhältnisses vorgekommen wäre, gewisse unlautere Dinge zu berühren. Ihm den ganzen Schmerz ihres Innern zu enthüllen, hielt sie für um so unnöthiger, da er ja ihre Unzufriedenheit aus der Art, wie sie mit ihm verkehrte, empfand, ja, von ihrem stummen Vorwurfe tief zu Boden gedrückt wurde. Sie hob sich in den Kissen empor, wollte einen Satz beginnen, stockte und schwieg. Es war offenbar, daß sie vermeiden wollte, sich bestürzt oder gar weich zu zeigen, daß sie aber doch gern mit ein paar Worten die seltsame, nächtliche Ueberraschung erwähnt hätte.

      »Man ruft dich um diese Stunde vor den Kaiser,« sagte sie mit etwas unklarer, belegter Stimme, »bist du dir irgend einer That bewußt, die den Zorn Domitianʼs herausforderte?«

      Da sie, wie es in ihrem stoischen Charakter lag, immer auf das Außerordentliche gefaßt war, als sei es das Gewöhnliche, vermochte sie bald nach den ersten Worten, ihrer Stimme die ursprüngliche Festigkeit wieder zu geben, kaum daß ein Hauch von Besorgniß in deren Klang zitterte.

      Paris versicherte, ihm sei der Grund dieser plötzlichen Vorladung so unbekannt wie der Mutter, aber er habe, möge ihm nun Glück oder Unglück winken, es für seine Pflicht gehalten von seiner Mutter Abschied zu nehmen. Er fühle sich zwar keineswegs beunruhigt, habe durchaus kein böses Gewissen, aber ihm scheine, als wenn dieser plötzlichen Vorforderung irgend ein schlimmes Ereigniß folgen werde. Domitian sei als heimtückisch und launenhaft bekannt.

      Er hatte diese letzte Bemerkung besonders stark betont, um dadurch auf das Herz der Mutter zu wirken, deren Fassung ihn beinahe beunruhigte.

      Die Matrone, die wohl wußte, was er durchblicken lassen wollte, gab sich indeß Mühe eine fast noch ruhigere Miene zur Schau zu tragen.

      »Was dich auch treffen mag,« sagte sie, »sei mein Sohn!«

      »Der bin ich, und bin stolz darauf es zu sein,« entgegnete Paris mit rascher Herzlichkeit, erhob sich und wollte der Mutter Lippen küssen, wurde aber durch eine ablehnende Bewegung von der Umarmung zurückgehalten. Aus Juliaʼs Auge hatte ihn ein scheuer, angstvoller Blick getroffen, der in seinem schmerzlichen Leuchten vielsagend genug war, um von Paris richtig gedeutet zu werden.

      Der Jüngling stand jetzt, die Arme muthlos sinken lassend, mit auf die Brust herabgeneigtem Kinn da, den Mund fast trotzig zusammenpressend.

      Als ihn die Mutter so finster beschämt stehen sah, überkam sie eine momentane Angst, vermischt mit Mitleid.

      Obgleich sie ihr Benehmen für das richtige hielt, um ihm ihre Gesinnung anzudeuten, versuchte sie es, durch freundliche Worte die niederschmetternde Wirkung ihres Abwehrens aufzuheben, was ihr jedoch nur unvollkommen gelang.

      Paris antwortete einsilbig, gedrückt, oft nur durch Achselzucken.

      Als jetzt der Hauptmann durch eine Dienerin des Hauses melden ließ, man möge sich beeilen mit dem Abschied nehmen, er könne nicht länger warten, zuckte ein rasch wieder verschwindender Zug tiefer Beängstigung über das Gesicht Juliaʼs. »Er kommt,« sagte sie der Zofe und indem sie ihre heftigen Athemzüge zurückdrängte, ihr Zittern beherrschte, wandte sie sich zu dem noch immer regungslos dastehenden Paris.

      »Du weißt, wie man den Großen zu begegnen hat,« sagte sie ruhig und reichte dem Sohne die Hand, »ich hoffe dich vor Sonnenaufgang wiederzusehen.« Paris ging ohne Gruß, während sie ihm so lange nachsah, bis er hinter dem Thürvorhang verschwand und das Commando des Hauptmanns die Stille des Hauses durchhallte. Paris gab sich indem er ging Mühe, die Ruhe und Fassung seiner Mutter zu bewundern, konnte aber kaum verhindern, daß ihn diese ruhige Fassung wie Lieblosigkeit anmuthete. Hätte sie nicht herzlicher sein können in einem Augenblick, in dem es sich vielleicht um ein Nimmerwiedersehn handelte? Wer weiß, was mit ihm in der nächsten Stunde geschieht? Schon oft wurden selbst hochstehende Persönlichkeiten ohne Verhör verurtheilt. Ja, es lag im Charakter Domitianʼs seine Opfer mit Gunst zu überhäufen, in Hoffnungen einzuwiegen, ehe er sich ihrer entledigte. Und schien es nicht, nach dieser auffallenden nächtlichen Vorforderung zu urtheilen, als solle er unter die Zahl jener Opfer gezählt werden? Der Kaiser hatte ihm zwar immer nur durch andere seine Befriedigung ausdrücken lassen, hatte ihn nie selbst gesprochen, es waren also keine eigentlichen Befürchtungen zu hegen, aber Paris hörte, wenn er angestrengt auf die Stimmen seines Innern lauschte, eine Mahnung seltsamer Art. Nicht daß er sich schuldig fühlte, aber die Schuld einer Andern erschien ihm ansteckend, zog den Unschuldigen in geistiger Beziehung mit inʼs Verderben. Das Netz, das sie nach ihm auswarf und dem er auswich, hatte ihn wenigstens gestreift, die Hitze, die sie ausstrahlte, wenn sie ihn auch nicht versengte, blendete ihn. Er wagte kaum hieran zu denken, seine Gedanken schlüpften an dieser auf der Lauer liegenden Vermuthung seines Innern vorbei, wie die Gefangenen, die der Circus einschließt, den Behälter des Löwen vermeiden.

      Da war ein Lächeln, ein vornehmes Lächeln auf der untersten Sitzreihe, das er zuweilen, wenn er getanzt, wie einen verzehrend heißen Sonnenstrahl auf sich ruhen gefühlt, da war eine Stimme, die, wenn sie ihn vor der Versammlung ansprach, zitterte, Wangen, die sich entfärbten. Und neben diesem üppig weichen Frauenkopf, ragte ein düster-stolzes Männergesicht, das beobachtete, prüfte, manchmal mißtrauisch zuckte, jedoch seine Gedanken verbarg.

      Als dem Tänzer zum ersten Male klar wurde, was in jenem Lächeln aufblitzte, in jener Stimme verborgen aufzitterte, war ihm das Blut nach dem Herzen gedrungen. Ein jäher Schreck hatte ihn durchzuckt. »Nein – diese —, nein!« rief er sich zu, »sie zu lieben ist Tod, – freilich, sie zu meiden, ist ebenfalls der Untergang.« Sie war ihm beinahe verhaßt, trotz ihren Geschenken, trotz ihrem Liebreiz. Nicht blos wegen jenes unheildrohenden Männergesichts, das neben ihr, wie das Gesicht ihres Henkers ragte. Die kühle Art, in der sie ihre Gluth bald zeigte, bald verbarg, war ihm widerlich, erschien wie bösartige Heuchelei.

      Wohl war er sich keines Fehlers bewußt, höfliche Kälte war Alles, was er diesem Weibe entgegengebracht, aber man weiß, wie wenig in Rom der Tugend Zutrauen geschenkt wird, wie gern man das Laster belächelt, und nun gar, wenn dies Laster ein Diadem trägt, wenn es der Besitz des Mächtigsten im Reiche ist und, wenn jener Mächtigste Mißtrauen hegte? Tödtet dich denn nicht schon der Gedanke, den jene Andere denkt? Der Wunsch, der in jener Andern aufsteigt? Und ein Paris, der liederliche Held aller Gelage? Der Günstling aller Frauen? Wird man, wenn die höchstgestellte Frau des Reichs ihm ihre Gunst deutlich an den Tag legt, wird man seiner Versicherung trauen? Ihm glauben, wenn er seine Herzenskälte zu beweisen sucht? Der junge Mann fröstelte in sich zusammen, als er, in seinen Mantel gehüllt, durch die dunklen Straßen Roms dahin schritt, und derartige Gedanken in der Brust wälzend, auf die höflicheren Anreden des Hauptmanns kaum antwortete.

      Die Kühle der Nacht wirkte belebend auf sein ermattetes Nervensystem, doch wußte er nicht, ob das Zittern, das ihn zuweilen krampfartig befiel der Einwirkung der Kälte zuzuschreiben war, oder ob die bevorstehende Audienz sein Herz in krankhafte Erregung versetzte. Das Pflaster hallte vom schweren Marschtritt seiner Begleiter wieder, während die gelbe Purpurgluth der Fackeln, Helme und Lanzen in riesigen tanzenden Schatten an die stumm aufragenden Häuserwände malte. Um sich zu zerstreuen, das beklommene Gefühl der Erwartung zu verscheuchen, beschäftigte sich Paris mit diesem phantastischen Schattenspiel und den hastigen Lichtblitzen, die bald hier ein enges Gäßchen, bald dort einen Brunnen oder eine Scene aus dem Leben im Vorbeistreifen grell beleuchteten. Denn ganz ausgestorben war das Leben der Straßen noch nicht, und es gelang sogar Paris, sich durch diese oder jene Beobachtung für einen Moment seiner niederdrückenden Stimmung zu entreißen. Freilich ging es ihm hierbei wie dem Sisyphus, die hinweggewälzte Last stürzte desto unheimlicher auf ihn zurück, die Gefahr, die ihn umdrohte, engte ihn desto pressender von allen Seiten ein, wenn er sie kaum erst zurückgeschoben, fast wünschte er, er kenne bereits sein Schicksal, selbst wenn es das schwärzeste wäre, denn das Ungewisse der Zukunft vergrößerte sich in seiner Phantasie, nahm Gestalt an und zeigte sich ihm als Bild.

      Er dachte an die Thränen seiner Diener, als er eben von ihnen Abschied genommen, an die Liebkosungen des alten Rufus, der ihm väterliche Ermahnungen inʼs Ohr geflüstert, an den Schmerz des kleinen Markus, der sich an ihn geklammert und ihn nicht ziehen lassen wollte, und er fand in dem Kummer dieser Guten einigen Trost.

      »Doch

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