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thatsächlich geliebt? Von meinem Hunde vielleicht, den ich ungefähr so liebe, wie mich meine verschiedenen Anbeterinnen lieben. Pah! es ist nicht der Mühe werth, von unseren sogenannten heiligen Gefühlen zu sprechen.«

      Größeren Trost würde es ihm gewährt haben, hätte er nun seine Mutter sehen können, wie sie sich ankleiden ließ, um die Nacht wachend zu verbringen, wie sie sich von der Zofe vorlesen ließ und nicht hörte, sondern entweder mit starrem Blick in die Lampe sah, oder unruhig im Gemache auf und abschritt, die Wiederkehr des Sohnes mit starker hocherregter Seele erwartend. Aber er vermied an die Mutter zu denken, es überkam ihn, wenn er dennoch an sie dachte geradezu ein Trotzgefühl.

      Möchten sie mich ihr tödten, rief er sich einmal zu, ob sie dann vielleicht an der Leiche des Sohnes Mitgefühl zeigte?

      Endlich, als er im Schimmer der Fackel einen Betrunkenen an der Mauer lehnen sah, der mit schläfrigem Lächeln die kaum genossene Mahlzeit über seine eigne linke Schulter hinüber von sich gab, beschloß er, unwillkürlich durch diesen Anblick erheitert, sich mit gewaltsamer Ueberwindung in eine lustige Stimmung zu versetzen. Sogleich begann er, während sie durch das Tiberfeld schritten, mit dem Hauptmann ein Gespräch über die Tanzkunst, wobei er versicherte, er werde sich auch im tragischen Fache versuchen und nächstens den Oedipus spielen. Sodann scherzte er über das Pech einer Fackel, das ihm einer der Soldaten unvorsichtigerweise über die Toga gegossen, rief einem vorüberhinkenden Liebhaber, dem man die Kleider vom Leibe geprügelt und erhielt sich so lange in dieser nervösen Lustigkeit, bis er auf einmal ganz verstummte.

      »Warum schweigst du so plötzlich,« frug ihn der Hauptmann.

      »Ich habe keinen Grund zum Reden, es ist alles so einfältig,« entgegnete Paris verdrießlich.

      »Einfältig?« frug der Hauptmann erstaunt, »du hegst Besorgnisse?«

      »Pah, das ist vorbei,« lachte Paris, »zu was auch! Mag er mit mir beginnen, was er will; er kann mich nicht mehr als in die Unterwelt befördern.«

      »Dort wird es dir nicht behagen,« meinte der Hauptmann, »es soll dort ein wenig dunkel sein.«

      »Nun, man wird wenigstens nicht die Nacht aus dem Bette geholt und kann ausschlafen,« sagte Paris.

      »Aber der Tanz und die Liebe?« gab der Centurio zurück.

      »Schlafen ist besser,« brummte Paris.

      Wirklich überkam den Tänzer, je mehr sie sich dem Palaste des Kaisers näherten, jene stumpfe, gleichgültige Mißstimmung, die sich wie ein grauer Regentag über das Gemüth legt, der gegenüber jedes Schöne seine Schönheit, jedes Häßliche sein Widerwärtiges, jedes Unglück seinen Stachel verliert. Schon seit einigen Monaten hatte er diese Stimmung an sich bemerkt, die vielleicht eine Folge seiner die Nerven erschlaffenden Lebensweise war und die, obgleich er sich gelegentlich darüber ärgerte, eigentlich nichts Unangenehmes hatte. Sie überschlich den Geist wie ein graues Spinngewebe, reizte zum Schlaf und ließ die Außenwelt traumhaft auf die in süße Betäubung aufgelöste Seele wirken. Wie langweilig das Alles war, die Häuser, die Soldaten, der nächtliche Marsch, das Leben überhaupt war nicht des Lebens werth, und wenn es in dieser Nacht noch zum Sterben kommen sollte, was kümmerte es ihn, nur zu!

      Paris begann mehrmals zu gähnen, und während die Soldaten, wie er wohl hörte, von der gefährlichen Lage flüsterten, in der er sich befinde, gab er sich vergeblich Mühe, sich in die Situation zu versetzen. Er stand eigentlich nur mit dem Leib in ihr, sein Geist war außerhalb.

      »Ich weiß nicht, wie mir ist,« sagte er zu sich selbst, und wiederholte kopfschüttelnd: »Ich weiß nicht, wie mir ist, Alles so einerlei! Aber es ist am besten so, nur zu!«

      Als sie jetzt am Capitol vorbeischritten, dessen Tempel hoch oben wie weiße, dem Olymp entstiegene Göttergestalten im grau angehauchten Nachthimmel schimmerten, öffnete sich das Fenster eines gegenüberliegenden Hauses. Alsdann flog eine herabgeworfene Topfscherbe, dicht an Paris Haupt vorüber, prasselnd auf das Pflaster. Paris lachte und sagte zu dem erschrockenen Hauptmann, was er wohl gethan haben würde, wenn ihn die Scherbe tödtlich getroffen, und so den Kaiser um den Spaß gebracht hätte, ihn sterben zu sehen?

      »Du hättest dich wohl aus Verzweiflung in dein Schwert gestürzt? fügte er hinzu, »doch beruhige dich. Sieh, du trägst da ein Schwert an der Seite, das hätte ich dir schon lange entreißen können, um mir den Hals zu durchschneiden. Ich will aber einen braven Mann, wie du bist, nicht in die Verlegenheit setzen, vor Domitian zittern zu müssen.«

      »Wer weiß,« flüsterte einer der Soldaten seinem Kameraden inʼs Ohr, »vielleicht wäre dem Kaiser ein Gefallen damit geschehen, wenn die Topfscherbe dem weibersüchtigen Tänzer das Tanzen für alle Zeit unmöglich gemacht hätte.«

      Die Soldaten lachten und erzählten sich allerlei Anrüchiges betreffs der stadtbekannten Liebesverhältnisse des Mimen, bis ihnen der Hauptmann zu schweigen gebot, was aber nicht verhinderte, daß das Gezischel seinen Fortgang nahm.

      »Die Frau des Senators Julianus liebt ihn auch,« hörte Paris einen der Soldaten zu seinem Nachbar sagen, und der junge Mann wußte nicht, ob er lächeln oder erröthen sollte, als er noch mehrere seiner Abenteuer von diesen rohen Soldatenlippen in den Staub ziehen hörte. Erst als sie vor dem in massiger Schwärze aufragenden Palast des Kaisers standen, und die pompöse Architektur desselben, die weite Thorhalle, die vergoldete Säulenreihe an rücksichtslose Macht, finstern Egoismus gemahnte, mischte sich in Parisʼ Brust jener stumpfen Gleichgültigkeit wieder eine gewisse beengende Unruhe bei, die sich noch vermehrte, als sie die öden, langgedehnten Corridore hinabschritten. Die im Fackellicht buntschimmernden Wände hallten dumpf die Schritte der Eintretenden nach. Ueberall brütete geheimnißvolle Ruhe, hinter den gestickten Thürvorhängen, unter den vergoldeten Marmorstiegen, von den gemalten Decken sank sie herab, die Ruhe eines Grabmals. Es war, als werde selbst das Leblose, die Statuen, Urnen und Säulen von der finsteren Willkür eines Einzelnen niedergedrückt und versinke in stumme Melancholie. Paris stieß von Zeit zu Zeit leises Husten aus, bis man ihn in das Atrium führte, woselbst man ihn zu harren bat. Dort ließ er sich auf einen Sessel nieder, hüllte sich in seine Toga und schloß die Augen, sich absichtlich verbietend, an etwas Anderes als an seine Müdigkeit zudenken.

      Zweites Capitel

      Während nun Paris trotz seiner Gemüthsbewegung in einen unruhigen Halbschlummer verfiel, saß Domitian, der Herrscher Roms, auf seinem Lager, das ihm heute keinen Schlummer gewähren wollte und vergrub die nackten Füße tief in die Zotteln des Löwenfells, das auf dem Mosaikfußboden ausgebreitet lag. Schon mehrmals hatte seine zitternde Hand den Schlaftrunk an die Lippen geführt, der auf dem Seitentisch unter dem schweren Purpurvorhang stand, vergebens, der Trank wirkte nicht mehr, ärgerlich goß er ihn auf das Löwenfell und griff sich seufzend an die brennende Stirn. Dann starrte er ausdruckslos in die kränkliche Flamme des Candelabers, die ihren traurigen Glanz über die prächtige Bettstatt, den goldschweren Vorhang streute und deren leichte Rauchsäule an der mattschimmernden Marmorwand vorbei nach dem Fenster hinschwebte. Der Vorhang bewegte sich leise im Nachtwind und des Kaisers mißtrauischer Blick ruhte zuweilen auf ihm, als traue er seinen Falten zu, daß sie die Hand eines Mörders verbergen könnten. Die Sklaven schliefen in ihren Zellen, der eintönige Schritt der Wache hallte auf dem Corridor wieder, in der Ferne rieselte, an die Stimme eines wimmernden Kindes gemahnend, der Brunnen eines der Vorgemächer. In dem weiten Palast wachte nur der Besitzer der stummen todten Pracht, die gleichgültig von Wänden und Decken herabglänzte auf die Qual des Gebieters. Das kleine geöffnete Fenster zeigte die im Sternenlichte fahlschimmernden Dächer Roms, über die in der Ferne die Tempelsäulen des Capitols geisterbleich aufragten. Der Kaiser warf einen geblümten Mantel um, schlüpfte gähnend in ein Paar bereitstehende Pantoffel und schritt schwerfällig zum Fenster. Nachdem er das zitternde Sternengewimmel, die unter ihm schlummernde von einem leichten violetten Nebel überdeckte Riesenstadt mit müdem gebrochenen Auge betrachtet, fielen seine Lider ein wenig über die Augen herab, indeß seine Athemzüge ruhiger gingen, als genösse er mit Behagen wie im Traume die kühle Nachtluft, den milden Sternenglanz und den Anblick der in mattsilbernen Duft gehüllten Stadt.

      Plötzlich, als ein etwas heftigerer Windhauch seine Stirne berührte, zuckte er zusammen, sah mit gerunzelter Stirne hinter sich und eilte dann,

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