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für ihn,« schloß der Erzähler seinen Bericht, »aber daran mußt du nicht denken, guter Herr, dies Wort ist mir nur so entschlüpft.« Domitian war indessen, die Brauen nachdenklich zusammenziehend, an das Fenster getreten, als ein wachhabender Krieger eintrat, ihm zu melden, Paris harre im Atrium auf weitere Befehle. Während der Zwerg erstaunt frug, ob denn Paris zu dieser Stunde im Palast weile, schwollen auf des Kaisers ohnehin gerötetem Gesichte die Stirnadern mächtig an, aber er gab in gelassenem Tone den Befehl, die Wachen sollten sich bereit halten. Alsdann verlangte er den Centurio Silius, der auch sogleich erschien.

      Der Kaiser sah dem demütig dastehenden Hauptmanne so lange schweigend ins Gesicht, daß diesem es anfing unheimlich zu werden, bis der Kaiser endlich, die Verwirrung des armen Mannes bemerkend, zu ihm sagte: »Kann ich mich auf dich verlassen?«

      »Ich bin ein Soldat des römischen Reichs,« erwiderte Silius stolz.

      »Schon gut,« gab der Kaiser zurück, schritt einmal durch das Gemach, blieb dann vor dem Centurio stehen und sagte zu diesem, während seine Stimme ein wenig zitterte: »Verberge dich hier in dem anstoßenden Gemach! Wenn ich Paris entlasse, indem ich hinzufüge: ›Ich bin mit dir zufrieden‹, so führt ihr ihn ohne Verzug in die Behälter der Löwen, die für das nächste Kampfspiel bestimmt sind, verstehst du?«

      Er brach ab, als er aber den Hauptmann keine Miene seines Gesichts verziehen sah, fuhr er mit möglichst würdevollem Gesichtsausdruck fort: »Denn dieser Mensch scheint mir gemeingefährlich. Mir kam zu Ohren, er richte Unheil an unter den Römern.«

      Wiederum brach er ab und fuhr dann, vielleicht durch die Stille beunruhigt, zögernd fort: »Doch höre weiter. Entlasse ich ihn aber mit den Worten: ›Hüte dich fortan, den Zorn deines Kaisers herauszufordern,‹ so führt ihr ihn unbehelligt in seine Wohnung zurück.«

      »Wohl, hoher Herr,« entgegnete der Hauptmann, ein möglichst unbetheiligtes Gesicht machend: »sollen wir ihn im ersten Fall vor die Löwen des circus maximus werfen, oder befiehlst du einen anderen Circus?«

      »Das gilt gleich; im übrigen halte dich genau an den Wortlaut!« rief Domitian dem Gehenden nach, indeß er einem an dem Thürvorhang harrenden Diener ein kurzes: »Herein mit ihm!« zurief.

      Domitian lehnte nun, nachdem er wieder mit seinem Zwerg allein war, regungslos in der Fensternische und heftete, den Kopf ein wenig auf die Brust herab geneigt, seine Augen auf den Thürvorhang, durch welchen Paris jeden Augenblick eintreten mußte.

      Antonius, der noch immer auf dem Fell kauerte, brannten mehrere Fragen auf der Zunge, doch die starren Züge, die von unten nach oben gerichteten Augen seines Herrn ließen ihn erkennen, daß es gefährlich werden könnte, in diesem Augenblick eine ungeschickte Frage zu stellen. Doch erwartete er mit einem Behagen den Tänzer, als gelte es, im Circus dem Spiel des Hasen zuzuschauen, der noch nicht weiß, daß der Tieger bereits auf ihn lauert.

      Der finstere, mißtrauische Domitian liebte außer seinem Zwerge, den er als Spielzeug behandelte, nur noch ein Wesen in der Welt aufrichtig und mit der ganzen düstern Zähigkeit einer Natur, die weiß, wie sehr sie von den Besseren verachtet, von den Schwächern gefürchtet wird. Im Gegensatz zu andern Herrschern, die das Böse unbewußt, instinktiv, gleichsam naiv ausübten, besaß Domitian Verstand und Selbsterkenntniß genug, um in jedem Augenblicke sein eignes Thun beurtheilen zu können. Daher kam es, daß er nicht wie Andere, blindlings, so zu sagen mit einer gewissen Unschuld seiner bösen Neigung folgte, wenn ihm die Wahl zwischen zwei verschiedenen Handlungsweisen freistand, sondern daß er prüfend verfuhr und daß er, wenn es ihm seine stolze Laune, seine frostige Menschenverachtung eingab, das Schlimmere, Grausamere vorzuziehen, daß er alsdann von Gewissensbissen gequält ward, welchen Gewissensbissen das Mißtrauen nothwendig entspringen mußte. Eben dieses Mißtrauen, das die naiven Bösewichter nur in geringerem Grade heimsucht, war es, was ihn in die Einsamkeit trieb, ihn die Menschen meiden hieß. Da er nun aber doch ein Mensch, also zur Geselligkeit geboren war, und da er die Einsamkeit zuweilen in ihrer ganzen öden Bitterkeit aufʼs Schmerzlichste empfand, lag in ihm der seltsame Widerspruch, unaufhörlich nach Menschen zu suchen, die er als treu ergebene an sich fesseln könne.

      Solche Menschen überhäufte er alsdann mit Wohlwollen, bis er, durch irgend einen ihrer Charakterzüge verletzt, sie plötzlich fallen ließ, um durch derartige Erfahrungen noch düsterer gestimmt, schließlich immer vorsichtiger zu werden. Außer seinem Zwerge, dem er, da er ihn eigentlich nur für eine höhere Thierart hielt, nichts Schlimmes zutraute, war es allein Domitia, die dauernd auf ihn zu wirken vermochte, und der er, soweit es seiner verschlossenen Natur möglich war, alles Vertrauen entgegenbrachte. Er hatte sie ihrem Gatten Aelius Lamia entführt, nachdem er im Circus ihre Aufmerksamkeit erregt und sie mit der Entführung einverstanden war. Nun bewahrte er sie vor der Berührung mit der Außenwelt wie ein kostbares Kunstwerk, dem selbst Luft und Licht schaden bringen könnte, indem er verlangte, sie solle seine weltabgeschiedene Zurückgezogenheit, voraussetzend, sie liebe ihn in demselben Grade, wie er sie liebte, mit ihm theilen. Sie hingegen, unter äußerer Ruhe und Kälte innere Leidenschaften verbergend, fand wenig Gefallen an den einsamen Wurfübungen, Turnkünsten und Fliegenjagden ihres hohen Gemahls, obgleich sie anfangs auf alle seine Launen bereitwilligst einging und erst allmählich ihre vergnügungssüchtigen Wünsche durchblicken ließ. So hatte er es ihr endlich erlaubt zuweilen das Theater zu besuchen, ihr jedoch immer Spione nachgesandt, die ihm dann sehr bald betreffs ihres Betragens im Theater gewisse den Verdacht herausfordernde Mittheilungen machten. Aufʼs höchste beunruhigt, tief gekränkt und zu allem geneigt, entschloß er sich darauf, ihr in das Theater zu folgen, besonders an solchen Tagen, an welchen Paris tanzte. Da er selbst verschlossen war, durchschaute er die Verschlossenheit Anderer um so leichter, da er selbst vieles zu verbergen hatte, blieb ihm das, was Andere verbergen wollten, nicht leicht verborgen. Und so entging es ihm nicht, daß sobald Paris auftrat, Domitia Mühe hatte, die Röthe, die ihr in die Wangen stieg, zu unterdrücken. Seiner Natur gemäß schwieg der Kaiser, trug aber, von der Zeit an, da er dies wahrgenommen, einen dumpfen Schmerz mit sich herum, denn trotz seiner schroffen Nüchternheit war eine einzige Stelle seines Innern der Schwärmerei offen geblieben. Daß das einzige Wesen, das er schätzte, dem er sich inniger, als er sich selbst verzieh, hingegeben, daß das einzige Geschöpf, dem er vertraute, keinen Gefallen an ihm finden sollte, war um so demüthigender für ihn, da er trotz allen seinen Fehlern dennoch eine gewisse wilde Innerlichkeit, sogar momentane Weichheit besaß, über die er selbst zuweilen erstaunte, und die er als seiner unwürdig zu verbannen suchte. Aber sie ließ sich nicht verbannen, diese Schwärmerei tauchte mitten in seinen kalten Entwürfen empor und setzte sich mitten unter die Gedanken, die ihm herrschsüchtige Willkür eingeflößt. Zugleich erkannte der, auch in seinem Stolz Gekränkte, wie er in diesem Falle mit aller seiner kaiserlichen Macht hülflos einem Unabwendbaren gegenüber stand. Liebe erzwingen wollen, mußte Haß erregen, die Gewalt, das fühlte er – war hier eine schlechte Aushülfe, durch die er sich höchstens selbst betrügen konnte. Deshalb war er mit sich zu Rathe gegangen, ob es nicht klüger sei, das heißgeliebte Weib auf anderem Wege wieder zu sich zurückzuführen, was ja um so leichter sein mußte, wenn er mit ihrem Günstling in ein intimeres, vielleicht sogar freundschaftliches Verhältniß treten konnte. Freilich kostete dies Ueberwindung, aber er hatte, obgleich es ihm widerstrebte, den ihm so verhaßten Tänzer, einer plötzlichen Eingebung folgend, mitten in der Nacht zu sich rufen lassen. Mochte daraus entstehen, was wollte! Er verlangte Klarheit. Er dürstete darnach, den Bevorzugten kennen zu lernen, ihn zu studiren, sich die Art, wodurch er sich dies Herz gewann, unter Umständen an zueignen und dann, sagte er sich, war ja auch noch nichts geschehen, was ihn thatsächlich erbittern und zur Rache hinreißen durfte.

      Als Domitian nun gespannt auf die Schritte der Nahenden lauschte, bemächtigte sich seiner eine eigenthümliche Verlegenheit, eine Verwirrung, unter der sein Hochmuth, sein angeborener Stolz unsäglich litt. Er frug sich erstaunt, was er denn eigentlich von dem Tänzer wollte, auf welche Art er es anfangen sollte, ihn auszufragen? Wie weit er mit seinen Fragen gehen sollte? Was ihn denn, da nichts Unerlaubtes vorliege, berechtigte, den Mann auszufragen? Und was würde Paris von dieser nächtlichen Vorladung denken? War es nicht Thorheit ihn rufen zu lassen? Doch nun war es geschehen. Gedemüthigt von einem Tänzer! Dem Kaiser schoß, so daß es ihn fast mit momentaner Blindheit schlug, das Blut in die Augen, als er die Schritte der Nahenden auf dem Mosaik des anstoßenden Gemaches schlürfen hörte, und als

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