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Tische! Wiederholte ich, zu Tische!. . . Ich weiß nicht, was Ihr Mittagessen ist, aber Sie werden sehen, was meine Predigt sein wird.

      Das Mittagessen meines Wirthes, des Kupferschmieds, war vortrefflich; was meine Predigt war, werden Sie in meinem nächsten Briefe erfahren, mein lieber Petrus.

       V.

      Dritter Rath meines Wirthes, des Kupferschmieds

      Am folgenden Tage erhielt ich in der That einen Brief von Madame Snart, welche mir meldete, daß das von ihr gegebene Versprechen von ihrem Gatten genehmigt wäre, und daß, da meine Predigt bereits in dem Dorfe gemeldet sei, die Gemeinde von Ashbourn für den folgenden Sonntag auf mich rechnete.

      Ich hatte diesen Brief nicht abgewartet, um mich an’s Werk zu machen, und am selben Abende meines Besuches bei dem Rector und meines Mittagessens bei meinem Wirthe, dem Kupferschmiede, hatte ich in Folge des gefälligen, von Madame Snart gemachten Anerbietens meine Predigt angefangen.

      Sei es nun, daß ich mich in einer reizbaren Gemüthsstimmung befand, oder sei es, daß ich den Gedanken gehabt hatte, daß ich, wenn ich eine große Wirkung hervorbringen und meine Zuhörer in Erstaunen versetzen wollte, fest auftreten und durch meine Strenge imponiren müßte, ich beschloß zum Gegenstande meiner Predigt die Laster der Zeit und die Verdorbenheit des Jahrhunderts zu nehmen. Das Thema war herrlich, glänzend, ohne Grenzen. Wenn ich vor dem Hofe von Frankreich, vor dem Hofe von Spanien, oder selbst vor dem Hofe von England zu sprechen gehabt hätte, so zweifle ich nicht an dem Eindrucke, den eine solche Predigt in dem Munde eines Bossuet, dessen sie wahrhaft würdig war, hervorgebracht hätte; aber für ein kleines Dorf von fünf Hundert Seelen, wie Ashbourn, für alltägliche und mit den meisten dieser Laster, gegen welche ich eiferte, unbekannte Gemüther, für eine Bevölkerung, bei welcher alle Stunden während der Woche der Arbeit, alle Stunden des Sonntags der Frömmigkeit und der Ruhe gewidmet waren, und unter welcher die Trunkenbolde, die Faulenzer und die Wüstlinge eine Ausnahme waren, war vielleicht eine solche Predigt nicht ganz an ihrem Platze. Unglücklicher Weise sah ich das nicht; ich that das, was ein dramatischer Dichter thun würde, der ein Stück wie Hamlet oder wie Don Juan mit fünfzig Personen und mit fünfundzwanzig Veränderungen der Decorationen für ein kleines Marionettentheater schreiben würde, auf welchem ein lebendiger und wirklicher Schauspieler, wenn er sich aufrecht hielte, die Gesimse einstoßen würde, wie der olympische Jupiter von Phidias das Gewölbe des Tempels eingestoßen hätte, wenn ihn die Lust angewandelt, von dem Sessel von Gold und von Elfenbein aufzustehen, auf dem er saß. Statt kaltblütiger Weise den Schauplatz und die Zuschauer zu beurtheilen, verblendete ich mich selbst an dem Glanze meines Themas; ich berauschte mich an den Strömen meiner eigenen Beredtsamkeit, und als ich am Sonnabend Morgen aus meinem kleinen Zimmer zu meinem Wirthe, dem Kupferschmiede, hinunterging, um ihm meine Predigt vorzulesen, bedauerte ich ganz aufrichtig, daß die Calvins, die Wiclefs, die Zwinglis, die Boffuets, die Fenelons, die Flèchiers, die Bourdaloues, die Massillons, kurz alle Prediger, die gelebt hatten oder noch lebten, nicht am folgenden Tage in der kleinen Kirche von Ashbourn versammelt wären, damit sie dort ein für alle Male eine tüchtige Lection in der geistlichen Beredtsamkeit erhielten.

      An meiner wichtigen und mit mir selbst zufriedenen Miene sah mein Wirth, der Kupferschmied, wohl, daß sich irgend was Neues zutrüge.

      – Nun denn! mein lieber Herr Bemrode, was haben Sie uns Gutes mitzutheilen?

      – Ich will Ihnen sagen, mein würdiger Wirth, daß meine Predigt fertig ist.

      – Und Sie sind mit ihr zufrieden? erwiederte er.

      – Das heißt, antwortete ich mit meiner gewöhnlichen «Offenherzigkeit, das heißt, daß ich sie als ein Meisterstück ansehe.

      –Hm! hm! äußerte mein Wirth.

      – Sie zweifeln? sagte ich geringschätzender Weise.

      – Mein lieber Herr Bemrode, antwortete mir der würdige Mann, ich weiß nicht, ob es mit den Predigten wie mit den Kasserolen, und mit den Kupferschmieden wie mit den Predigern ist, aber ich habe die schlechten Arbeiter immer mit ihrer Arbeit zufrieden gesehen, während die Meister, die wahren Meister, immer abwarten, bis das Lob der Kenner sie über den Werth ihrer eigenen Werke unterrichtet hat.

      – Nun denn! antwortete ich, mein würdiger Wirth, gerade deshalb komme ich zu Ihnen, um Sie um Ihre Meinung zu fragen; ich will Ihnen meine Predigt vorlesen, und wenn Sie dieselbe gehört, so werden sie mir offenherzig sagen, was Sie von ihr halten.

      – Sie erzeigen mir zu viel Ehre, mich so zum Richter zu nehmen, sagte mein Wirth, indem er seinen Hut lüftete, fragen Sie mich, ob ein Kessel von gutem oder schlechtem Kupfer, ob eine Kasserole gut oder schlecht verzinnt ist, so werde ich in meinem Elemente sein, und Ihnen dreist und ruhig antworten; was aber eine Predigt anbetrifft, so könnte ich Ihnen nur den empfundenen Eindruck angeben, ohne nur zu versuchen, Gründe für meine gute oder schlechte Meinung anzugeben.

      – Und was Sie da thun werden, wird in der That von einem vernünftigen Manne zeugen, mein würdiger Wirth, und ich sehe wohl, daß Sie die Anekdote des Apelles und des Schuhmachers kennen.

      – Sie irren sich, Herr Bemrode, antwortete mein Wirth einfacher Weise, ich kenne sie nicht.

      – Wohlan! ich will sie Ihnen erzählen; sie wird meiner Predigt vortrefflich zur Vorrede dienen; nur werden Sie annehmen, daß ich Apelles bin, und daß Sie der Schuhmacher sind.

      – Ich werde Alles annehmen, was Ihnen beliebt, Herr Bemrode. . . Lassen Sie die Anekdote hören.

      Hierauf fügte er mit einem Gefühle der Bewunderung hinzu, für das ich ihm Dank wußte:

      – Wahrlich, jedes Mal, wo ich Sie verlasse, nachdem ich mich mit Ihnen unterhalten habe, mein lieber Herr Bemrode, frage ich mich, wo Sie alles das gelernt haben, was Sie wissen!

      Ich lächelte mit zufriedener Miene und verneigte mich leicht, wie um das Compliment im Fluge aufzuraffen, das von den Lippen meines Wirthes gefallen war.

      – Apelles, sagte ich zu ihm, war ein berühmter Maler von Kos, Ephesus oder Colophon; seine Biographen sind wie die des großen Homer über den Ort seiner Geburt nicht einig. Alles was man von ihm weiß, ist, daß er 332 Jahre vor Jesus Christus in Ansehen stand.

      – Den Teufel! unterbrach mich mein Wirth lächelnd, 332 Jahre vor Jesus Christus! wissen Sie, daß das nicht gestern war, Herr Bemrode, und daß es mich nicht wundert, wenn man den Ort seiner Geburt vergessen hat. . . Wer wird in zwei Tausend Jahren wissen, Herr Bemrode, wo Sie und ich geboren sind?

      – Oh! mein Freund, was in dieser Beziehung mich anbetrifft, so wird man es wissen; denn damit die Nachwelt nicht im Zweifel bleibt, oder in dieser Beziehung nicht irgend einen Irrthum begeht, so werde ich in der Vorrede des großen Werkes, das ich gleich nach meiner Ernennung zu schreiben gedenke, Sorge tragen zu beurkunden, daß ich am 24. Juli 1728 in dem Dorfe Beeston geboren bin.– Aber kommen wir auf Apelles zurück, welcher, da er diese Vorsicht vernachlässigt, die Nachwelt im Zweifel gelassen hat.

      – Erzählen Sie, mein lieber Herr Bemrode; wahrlich, Sie sprechen wie ein Buch!

      – Ich sagte also, daß Apelles gegen das Jahr 332 vor Jesus Christus in Ansehen stand. Er lebte an dem Hofe Alexanders, hierauf an dem des Ptolomäus. Er war ein großer Arbeiter, ein Maler, der nicht einen Tag zubrachte, ohne seine Pinsel zur Hand zu nehmen, wie ich nicht einen Tag zubringe, ohne meine Feder zu berühren, und da er bescheiden war, wie es einem großen Talente geziemt, so stellte er seine Gemälde öffentlich aus, und sammelte über sie die geringsten Meinungen.

      – Wie Sie es machen, lieber Herr Bemrode, da Sie in diesem Augenblicke so gefällig sein wollen, mich um die meinige zu fragen.

      – Hören Sie Folgendes, mein Freund, begann ich wieder. Eines Tages machte ein unter die Menge gemischter Schuhflicker eine so richtige Bemerkung über die Sandale einer der Personen, daß Apelles ihm dankte und den von diesem Manne angedeuteten Fehler verbesserte, was »den Chieupus in alten Schuhen,« wie unser herrlicher Shakespeare sagt, so hochmüthig machte, daß er, als er am folgenden Tage zurückgekehrt war, sich nicht mehr damit begnügte, die Sandalen zu tadeln, sondern das Uebrige des Gemäldes

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