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was für eine Kunde ist das?« fragte er.

      »Das ist die vom Pfeiler und vom Mönche. Daß Herr Jackal die Vergangenheit weiß, daß Herr Jackal sogar die Gegenwart weiß, ich gebe es zu . . . «

      Carmagnole folgte jedem Satze von Gibassier mit einer bejahenden Kopfbewegung.

      »Daß er aber auch die Zukunft weiß, das übersteigt meine Fassungskraft, Carmagnole.«

      Carmagnole lachte seine weißen Zähne zeigend.

      »Und wie erklären Sie sich, daß er die Vergangenheit und die Gegenwart weiß?« fragte Carmagnole

      »Daß Herr Jackal errathen hat, Herr Sarranti werde in die Kirche gehen, nichts kann einfacher sein: in dem Augenblicke, wo man den Umsturz einer Regierung versuchend sein Leben wagt, ist es ganz natürlich, daß man die Hilfe der Religion und den Beistand der Heiligen anfleht. Daß er errathen hat, Herr Sarranti werde die Himmelfahrts-Kirche wählen, nichts kann einfacher sein, da diese Basilika dazu bestimmt ist, heute als Herd der Empörung zu dienen.«

      Carmagnole billigte fortwährend durch Kopfbewegungen.

      »Daß er errathen hat, Herr Sarranti werde dort eher um Mittag als um elf Uhr, um halb zwölf Uhr, um drei Viertel aus zwölf Uhr sein, nichts ist leichter: ein Verschwörer, der einen Theil der Nacht in der Ausübung seines Handwerks zugebracht hat, würde, ist er nicht ein ultrarobuster Bursche, nicht in der ersten Frühmesse absichtlich schnattern gehen. Daß er entdeckt hat, er werde sich an einen Pfeiler anlehnen, darin finde ich auch nichts Wunderbares; nach drei bis vier Tagen und eben so vielen Nächten auf der Reise ist es nicht erstaunlich, daß er sich, eine gewisse Müdigkeit fühlend, um auszuruhen, an einen Pfeiler anlehnt. Daß er endlich durch eine logische Deduktion errathen hat, ich werde meinen Mann eher links, als rechts finden, das begreife ich auch, da die linke Seite natürlich von einem Chef der Opposition gewählt werden muß. Alles dies ist geschickt, außerordentlich, aber durchaus nicht wunderbar, da es mir gelingt, mir darüber Aufschluß zu geben. Was mich aber wundert, was mich in Erstaunen seht, was mich verdutzt, was mich in eine unbegreifliche Verwirrung versenkt . . . «

      Gibassier hielt inne, als wollte er durch einen doppelten Verstandesaufwand dazu gelangen, das Räthsel zu errathen.

      »Nun, das ist?« fragte Carmagnole.

      »Wie Herr Jackal die Nummer des Pfeilers, an den er sich anlehnen würde, die Stunde, zu der er sich daran anlehnen würde, und den Umstand hat errathen können, es werde ein Mönch kommen und mit ihm sprechen, indeß er daran angelehnt wäre.«

      »Wie!« sagte Carmagnole, »dies ist es, was Sie in Verlegenheit setzt und Ihre Stirne mit einer Wolke bedeckt, Herr Graf?«

      »Nichts Anderes, Carmagnole,« antwortete Gibassier.

      »Nun, das ist so einfach, als alles Uebrige.«

      »Bah!«

      »Es ist sogar noch einfacher.«

      »Wirklich?«

      »Bei meiner Ehre!«

      »Wollen Sie mir die Freundschaft erweisen, mir dieses Geheimniß zu enthüllen?«

      »Mit dem größten Vergnügen.«

      »Ich höre.«

      »Kennen Sie die Barbette?«

      »Ich kenne eine Straße dieses Namens, welche bei der des Trois-Pavillons anfängt und bei der Vielle-Rue-du-Temple endigt.«

      »Das ist es nicht.«

      »Ich kenne die Porte Barbette, welche einen Theil der Ringmauer von Philipp-August bildete und ihren Namen Etienne Barbetea Straßenaufseher von Paris, Münzmeister und Handlungsvorstand, verdankte.«

      »Das ist es auch nicht.«

      »Ich kenne das Hotel Barbette, wo Isabelle von Baiern den Dauphin Karl VII. gebar. Der Herzog von Orleans kam aus diesem Hotel, als er am 23. November 1407. in einer sehr regnerischen Nacht ermordet wurde.«

      »Genug!« rief Carmagnole, der erstickte wie ein Mensch, den man eine Säbelklinge verschlingen läßt, »genug! einige Worte mehr, Gibassier, und ich verlange für Sie einen Lehrstuhl der Geschichte.«

      »Das ist wahr,« erwiderte Gibassier, »immer war es die Gelehrsamkeit, was mich zu Grunde gerichtet hat; doch von welcher Barbette sprechen Sie? von der Straße, vom Thore oder vom Hotel?«

      »Weder von der einen, noch vom andern, illustrer Baccalaureus,« sagte Carmagnole, indem er Gibassier mit Bewunderung anschaute und seine Börse von seiner rechten Tasche in seine linke übergehen ließ, das heißt, die ganze Dicke seines Leibes zwischen sie und seinem Gefährten setzte, denn vielleicht mit Recht glaubte er, er habe Alles zu erwarten von Seiten eines Menschen, der zugestand, er wisse so viele Dinge, und ohne Zweifel noch mehr wußte, als er zugestand.

      »Nein,« fuhr Carmagnole fort, »meine Barbette ist eine Stühlevermietherin in der Saint-Jacques-Kirche und wohnt in der Impasse des Vignes.«

      »Ah! was ist eine Stühlevermietherin von der Impasse des Vignes,« sagte Gibassier verächtlich, »und was für eine armselige Gesellschaft besuchen Sie, Carmagnole?«

      »Man muß ein wenig von Allem sehen, Herr Graf.«

      »Nun?«

      »Ich sage also, die Barbette vermiethe Stühle, und zwar Stühle, auf welche mein Freund Longue-Avoine . . . Sie kennen Longue-Avoine?«

      »Vom Gesichte.«

      »Stühle, auf welche sich zu sehen mein Freund Longue-Avoine nicht verachtet.«

      »Und welche Beziehung hat diese Frau, die Stühle vermiethet, auf die sich zu setzen Ihr Freund Longue-Avoine nicht verachtet, zu dem Geheimnisse, das ich zu ergründen wünschte?«

      »Eine unmittelbare Beziehung.«

      »Lassen Sie hören,« sagte Gibassier, während er mit den Augen blinzelnd stehen blieb und seine Daumen auf seinem Bauche sich drehen ließ, das heißt, alle Mittel der Stimme und der Geberde anwandte, um zu sagen: »Ich verstehe nicht!«

      Carmagnole hielt lächelnd und sich an seinem Triumphe weidend auch an.

      Es schlug drei Viertel auf zwölf Uhr in der Himmelfahrts-Kirche.

      Die zwei Männer schienen jeden fremden Gedanken zu verjagen, um die Stunde schlagen zu hören.

      »Drei Viertel auf zwölf Uhr,« sagten sie. »Gut! wir haben Zeit.«

      Dieser Ausruf bewies, mit welcher Aufmerksamkeit Jeder die Conversation verfolgte, in die er mit seinem Gefährten vertieft war.

      Da sich aber die Aufmerksamkeit noch lebhafter bei Gibassier, als bei Carmagnole erregt fand, insofern Gibassier es war, der fragte, und Carmagnole, der antwortete, so sagte Gibassier:

      »Ich höre.«

      »Sie wissen vielleicht nicht, mein lieber College, da Sie nicht dieselben Neigungen wie ich für unsere heilige Religion haben, Sie wissen nicht, daß die Stühlevermietherinnen sich kennen wie die fünf Finger der Hand.«

      »Ich gestehe, daß ich das durchaus nicht wußte,« erwiderte Gibassier mit jener erhabenen Offenherzigkeit der starken Männer.

      »Nun wohl,« sagte Carmagnole, ganz stolz, einen so gelehrten Mann etwas gelehrt zu haben, »diese Stühlevermietherin der Saint-Jacques-Kirche . . . «

      »Die Barbette?« unterbrach Gibassier, nur zu beweisen, daß er nicht ein Wert dem Gespräche verlor.

      »Die Barbette, ja, steht in einer engen Freundschafteverbindung mit der Stühlevermietherin von Saint-Sulpice, welche Stühlevermietherin in der Rue du Pot-de-Fer wohnt.«

      »Ah!« rief Gibassier durch einen Schein geblendet.

      »Sie fangen an dabei zu sein, nicht wahr ?«

      »Das heißt, ich erschaue undeutlich, ich wittere, ich errathe.«

      »Nun wohl, unsere Stühlevermietherin von Saint-Sulpice ist, wie ich Ihnen vorhin sagte, Concierge des Hauses, bis zu dessen Thüre Sie gestern Abend Herrn Sarranti

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